Der Bremer Komponist Uwe Rasch

Studie über Abstürze

Eine theatralische Szenerie mit dem Kopf der Pianistin, der seitlich auf der Tastatur des Flügels liegt, während auf zwei Monitoren je ein Kaminfeuer und eine Nahaufnahme ihres Kopfes gezeigt werden.
Jieun Jun bei der Produktion von "flatter. Studie über Abstürze für Pianistenkopf und kaltes Feuer" © Uwe Rasch
Von Carolin Naujocks · 19.11.2020
Uwe Rasch thematisiert Kommunikation als Problem. Es geht um das Erleben von Sprachlosigkeit und den Versuch ihrer Überwindung. Dabei spielt Körperlichkeit die zentrale Rolle für seine oft multimedialen Arbeiten.
"Die Geschichte des Körpers ist die Geschichte seiner Funktionalisierung", sagt Uwe Rasch. "Die Subjekthaftigkeit des Körpers ernst zu nehmen, bedeutet etwas Anderes: konkrete Empfindungen, andere Zeiterfahrungen, Korrespondenz von Innen- und Außenraum, Erleben und (körperliches) Erinnern, zielloses Agieren".
Für Uwe Rasch lassen sich ästhetische Fragen vor allem über die physiologische Dimension der Klangerzeugung und die Intensität von Artikulation thematisieren – beides interessiert ihn als theatralischer Aspekt.

Flüchtigkeit der Musik

So sind für den Bremer Komponisten jede musikalische Aktion und die in ihr aufgehobene Symbolik eng verbunden mit der physischen (Zeit)Dimension. In der Flüchtigkeit der Bewegung sieht der Komponist eine Analogie zur Flüchtigkeit der Musik: beide Künste sind konstitutiv verbunden mit dem Verstreichen von Zeit.
Uwe Rasch ist davon überzeugt, dass sich traditionelle expressive Muster für den Ausdruck unserer widersprüchlichen Wirklichkeit zunehmend als ungeeignet erweisen. Der Komponist setzt dagegen eine Arbeitsweise, die stark konzeptuell ausgerichtet ist.

Dem Entwurf der Szenerie gilt sein besonderes Augenmerk. Oft machen bereits Idee und Gestaltung der Bühnensituation weite Teile seiner Stücke aus. Die Stücke gleichen Versuchsanordnungen, deren Kern in der Ausgangskonstellation sichtbar ist.

Netzwerk von Bedeutungen

Dabei arbeitet er mit Analogiebildungen und Kontrasten, medialen Abbildungen und Übersetzungen, Umlenkungen, Visualisierungen, Projektionen und Paradoxien, die den Betrachter in die Lage versetzen, die Zusammenhänge über Umwege zu verstehen.
Durch seine metaphernreiche Kunstsprache knüpft er ganze Netzwerke von Bedeutungen, in denen sich das Publikum durchaus verstricken soll: der Symbolgehalt der Bilder, die literarischen und theatralischen Konnotationen sowie die rituelle Emphase, mit der die Kunststücke zelebriert werden, sollen verwirren.

Verborgenes Wissen

Sie bilden einen jeweils eigenen "Schauplatz", an dem sich Bild-, Musik- und Körper-Sprache amalgamieren. Uwe Rasch interessiert das verborgene Wissen, das in der Bewegung sichtbar wird, gewissermaßen als Prüfstein für ihren sedimentierten Wahrheitsgehalt.
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