"Der Benzinpreis steigt, weil Rohöl knapper wird"

Anton Hofreiter im Gespräch mit Hanns Ostermann · 23.08.2012
"Wenn wir könnten, würden wir die Autoindustrie zwingen, Sprit sparende Autos anzubieten", sagt der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Anton Hofreiter (Bündnis 90 / Die Grünen). Doch leider sei seine Partei in der Opposition. Er empfiehlt den Verbrauchern eine schonende Fahrweise!
Hanns Ostermann: Schlimmer geht es nimmer, wird derzeit so mancher Autofahrer denken. Die Spritpreise klettern und klettern, ein Liter Super kostet deutlich mehr als 1,70 Euro, Diesel kommt auf mehr 1,50 Euro. Entsprechend tief müssen Vielfahrer und Pendler in die Tasche greifen, Rohölkonzerne und nicht zuletzt der Staat profitieren von der Lage. Müssen wir Verbraucher wirklich die Kröte schlucken? Warum wird nicht wie in Frankreich die Mineralölsteuer gesenkt? Darüber spreche ich mit Anton Hofreiter von den Bündnis-Grünen, er ist Vorsitzender des Bundestagsverkehrsausschusses. Guten Morgen, Herr Hofreiter!

Anton Hofreiter: Guten Morgen!

Ostermann: Das Benzin ist noch immer viel zu billig, haben Sie einmal gesagt. Gilt das heute auch noch?

Hofreiter: Nun, mit der damaligen Aussage war gemeint, nicht für den Verbraucher, sondern für die Autoindustrie. Nämlich, die Autoindustrie weigert sich letztendlich immer noch, vernünftige Autos mit geringem Verbrauch zur Verfügung zu stellen. Wenn man sich allein die Auseinandersetzung auf EU-Ebene wieder um die CO2-Grenzwerte anschaut, dann weiß man, was da los ist. Und CO2-Grenzwerte sind ja nicht nur gut für unsere Lebensgrundlagen, sondern ein Auto, dass einen geringen CO2-Ausstoß hat, das ist auch ein Auto, das wenig Benzin verbraucht.

Ostermann: Aber was sagen Sie denen, die jetzt dringend das Auto brauchen, beruflich oder ehrenamtlich, wie wollen Sie denen helfen?

Hofreiter: Das ist im Moment sehr, sehr schwierig. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die einfachste Möglichkeit ist, dass man Sprit sparend fährt, das kann man mit demselben Auto machen. Einem Ehepaar zum Beispiel ist es gelungen, mit einem klassischen Passat durch Sprit sparendes, vorausschauendes, aber trotzdem normales Autofahren mit einem ganz normalen Durchschnittspassat mit 2,8 Liter auf 100 Kilometer zu fahren. Also, das eigene Fahrverhalten macht einen Unterschied im Verbrauch von über 50 Prozent aus. Das ist das, was der Autofahrer am schnellsten tun kann.

Ostermann: Das kann der Autofahrer tun. Und der Staat, der mit kassiert? Warum gibt er nicht einen Teil der Mehreinnahmen zurück?

Hofreiter: Da gibt es eine interessante Auseinandersetzung darüber. Denn Sie dürfen eins nicht vergessen: Dass wenig ist so teuer wie Mobilität, und wenig verursacht so viele Schäden wie unsere klassische Mobilität. Nämlich, natürlich ist es für den Pendler extrem unangenehm, so viel zu bezahlen. Aber auf der anderen Seite haben die meisten Pendler auch eine niedrigere Miete als die Menschen, die mitten in der Stadt leben. Die zahlen eine hohe Miete dafür, dass sie nicht so weit pendeln müssen.

Und des Weiteren darf man eins nicht vergessen: Unser CO2-Ausstoß, wozu das Autofahren ganz erheblich mit dazugehört, verursacht woanders ganz andere Schäden. Die ersten Menschen in Richtung Südsee mussten bereits ihre Heimat verlassen, weil ihre Inseln durch den steigenden Meeresspiegel überflutet werden. Dieser steigende Meeresspiegel wird von uns verursacht. Also, die Schäden sind schon auch gigantisch.

Ostermann: Das ist völlig klar und ich denke, so werden Sie auch in Ihrem Wahlkreis argumentieren. Aber sagen Sie den Menschen dann auch – die sagen ja, im Augenblick ist das mit dem Sprit ja ungeheuerlich und kaum zu finanzieren –, sei dankbar, du wohnst billig? Also, überzeugen Sie damit wirklich in Ihrem Wahlkreis?

Hofreiter: Es ist sehr, sehr schwierig, damit zu überzeugen. Aber deswegen haben wir ja, fordern wir ja seit ewigen Zeiten, dass die Autos verbrauchsarmer werden, dass der ÖPNV besser ausgebaut wird, dass eine Stadt und Kommunen der kurzen Wege gestaltet werden. Das heißt Gemeinden, die mobilitätsreich sind, wo man nicht gezwungen ist, die Strecken sehr, sehr lang mit dem Auto zurückzulegen, sondern kurze Strecken.

Ostermann: Ja, aber warum erhöhen Sie nicht andererseits die Pendlerpauschale? Warum kommt das für Sie nicht infrage?

Hofreiter: Weil die Pendlerpauschale einen immer weiteren Anreiz liefert, das Land zu zersiedeln, und der Effekt dann am Ende ist, dass die Menschen letztendlich dann im Schnitt noch mehr fahren, wir noch mehr Kosten produzieren sowohl für die einzelnen Menschen, als auch für die Gesamtgesellschaft.

Ostermann: Die Linke fordert eine staatliche Kontrolle der Benzinpreise, eine sofortige Senkung um fast zehn Prozent, auf das Niveau des Jahresbeginns. Benzinpreiserhöhungen sollten auch genehmigungspflichtig sein. Für Sie, so wie Sie argumentieren, wahrscheinlich ein wenig überzeugender Vorschlag?

Hofreiter: Na ja, warum steigt denn der Benzinpreis? Der Benzinpreis steigt ja nicht, weil der Staat irgendwo eingreift, sondern der Benzinpreis steigt schlichtweg deshalb, weil Rohöl knapper wird. Rohöl ist ein endliches Gut, Rohöl kann nicht reproduziert werden, sondern Rohöl wird abgebaut. Jeder Liter Benzin, der verbrannt ist, entsteht in menschlichen Maßstäben nie wieder nicht. Der ist vor Hunderten von Millionen Jahren entstanden, und die Hauptursache ist, dass immer mehr Rohöl verbraucht wird und es immer weniger wird und gleichzeitig ja die Produktionskosten von Rohöl ständig nach oben gehen.

Ich meine, die Deepwater Horizon mit ihrer Explosion da im Golf von Mexiko, die kanadischen Ölsände, die aufgebaut werden, vor Brasilien wird es aus mehreren Tausend Metern Tiefe mit hohen Risiken für unsere Lebensgrundlagen geholt … Die Zeit, wo Rohöl billig zu fördern war, die Zeiten sind vorbei, weil die großen Felder in Saudi-Arabien, wo es sehr, sehr billig war, inzwischen ja lange nicht mehr ausreicht und des Weiteren auch immer weniger werden.

Ostermann: Herr Hofreiter, ich habe den Eindruck, Sie und Ihre Partei argumentieren da durchaus nachvollziehbar mit Hinweisen auf die Umwelt, auf den Umweltschutz, auf Dramen, die man weltweit beobachten kann. Aber dem einfachen Mann, der einfachen Frau, die das Auto wirklich braucht, und zwar lebensnotwendig braucht, helfen Sie nicht. Sie geben den Ratschlag, fahrt langsamer, fahrt ökonomisch. Das ist doch herzlich wenig.

Hofreiter: Na ja, was heißt da herzlich wenig? Wir sind in der Opposition! Wenn wir könnten, würden wir die Autoindustrie zwingen, Sprit sparende Autos anzubieten. Und wenn wir könnten, würden wir den ÖPNV ausbauen.

Ostermann: Den öffentlichen Nahverkehr.

Hofreiter: Genau.

Ostermann: Aber das können Sie ja in den Gegenden, in denen die Grünen mitregieren, tun. Tun Sie es da auch?

Hofreiter: Also, in den Ländern, in denen wir mitregieren, gibt es starke Bemühungen, den öffentlichen Personennahverkehr auszubauen. Aber die entscheidende Schaltstelle für alles ist in der Bundesrepublik Deutschland die Bundesrepublik, das heißt, die Bundesebene. Das darf man nie, nie vergessen!

Ostermann: Anton Hofreiter war das von den Bündnis-Grünen, er ist Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Deutschen Bundestag. Herr Hofreiter, danke Ihnen für das Gespräch!

Hofreiter: Nichts zu danken.


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