Der Baron aus Hollywood

Von Christopher Ricke · 20.04.2008
Nicolas Cage gehört zu den ganz großen Schauspielern in Hollywood. Etzelwang gehört zu den ganz kleinen Gemeinden in Bayern. Und Nicolas Cage könnte der berühmteste Einwohner Etzelwangs werden, wenn er denn sein Amt als Schlossherr endlich antreten würde.
"Der Nikolaus, der macht uns eigentlich gar nix. Weil wir in der Oberpfalz sind da weniger berührt. Bei uns ist jeder, der kommt und sich uns entgegenbringt, willkommen. Der kann zu unserem Frühschoppen kommen, kann mit uns ein Bier trinken, da haben wir kein Problem."

"Wir sind den Schlossberg rauf gegangen und ich denke, obwohl es grau und trübe war, hat er dieses Schloss gesehen und sich verliebt. Weil: er hat mich so leicht angerempelt und gesagt, er glaube, das sei seins. Und das war die Bauchentscheidung dafür."

Etzelwang, in der Oberpfalz. Im Wirtshaus: Schlossverwalter Heinz Breitfelder sitzt am Stammtisch, lacht. Ein großer Kerl, massig, im Hauptberuf Bierfahrer, früher jahrzehntelang selber Wirt, als es noch eine Schlossgaststätte gibt. Er gehört zu den ganz wenigen hier, die den neuen Baron, den Hollywood-Schauspieler Nicolas Cage, persönlich kennen.. Er ist tief beeindruckt - und begeistert.

"Der ist ganz ein prima Kerl. Er ist ein klasse Mensch halt. Er ist lustig und fröhlich, er versucht einfach ins Gespräch zu kommen, und na ja okay, er hat zu mir gesagt er lernt Deutsch, was er jetzt auch tatkräftig macht, habe ich mitgekriegt und er sagte zu mir: Das nächste Mal, wenn er wieder kommt, dann will er mit mir an der Theke vorne mal ein Pils trinken." (Lacht)

Etzelwang ist ein Dorf. Fast tausend Jahre alt. Die 600 Meter lange Hauptstraße - 600 Meter der historischen Handelsstraße von Nürnberg nach Prag. Rundrum: Burgen und Schlösser. Raubritter, Kreuzzügler, Fürsten. Jetzt der Hollywoodstar. Seit knapp einem Jahr gehört ihm Schloss Neidstein, in knapp einem Jahr soll das Schloss sein Ferienhaus sein, nach der Renovierung. 25 Zimmer, 1000 Quadratmeter Wohnfläche. Schon jetzt ist es Sperrgebiet. Lose Dachziegel können einem auf den Kopf fallen. Keiner darf rein. Anders als vor 60 Jahren. Nach dem Krieg dürfen sogar die Dorfkinder einmal hineinschauen.

Monika Schmidt ist heute Mitte 60, sieht zehn Jahre jünger aus, kommt gerade aus dem Skiurlaub. Sie steht an der einzigen Ampel des Dorfs. Einer Fußgängerampel. Wartet auf Grün und erinnert sich.

"Ich bin März '45 hergekommen aus Schlesien und ich seh mich heute noch, ich steh vor dem Tor, für so ein kleines Mädchen war das natürlich wie ein Dornröschenschloss (lacht) und wir gingen rein, und dann zeigte sie uns das ganze Schloss, bis auf die Folterkammer, da hat sie dann gesagt: da darfst du noch nicht rein, und da sind wir auch nicht runtergegangen. Das wär aber das Interessanteste gewesen." (Lacht)

Sie sperrt ihre Wohnungstür auf, Bringt die Skier in den Keller.

Im Wirtshaus: dunkle Tische, feste Bänke, geblümte Vorhänge, geblümte Polster, es wird geraucht, getrunken, gefeiert. Ein 70. Geburtstag. Die "Kirchenreinbacher Spitzboum" spielen auf. Sie gehören seit 13 Jahren zum Dorf wie Kirche und Schloss. Sie brauchen keinen Verstärker, keine Noten. Einer der vier: Marco Brunner. Er spielt die Tuba, mit dicken roten Backen, mit blitzenden Augen. Die Spitzboum musizieren für alle Etzelwanger - natürlich auch für den berühmten Schauspieler aus Amerika - wenn der das will.

"Wenn der Nicolas Cage das will, das wir Spitzbuben mal spielen für ihn, machen wir das natürlich gern. Kein Problem. Null Problem." (lacht)

Brunner ist ein fröhlicher Mensch. Ein Hansdampf in allen Gassen. Bäcker, CSU-Gemeinderat, Familienvater. Seit 32 Jahren, seit Geburt, überzeugter Etzelwanger. Im Prinzip zufrieden.

"Des einzige, wo in Etzelwang ein bisschen ein Manko ist, sind die Gaststätten, wir haben halt noch eine gute Gaststätte, das ist der Neumüller, beim Pürner ist leider nichts mehr, aber so in Etzelwang die Einkaufsmöglichkeiten, es ist alles in eins, das ist Brauerei, das ist Metzgerei, das ist Bäckerei, da gibt's in Etzelwang keine Probleme, wir machen auch für den Tourismus viel, überhaupt im Winter der Skiverein, der Skilift, der natürlich sehr gut angenommen wird, und im Sommer, das allerwichtigste, für das Dorf oder die Umgebung, das Freibad. Und das wollen wir auch schaffen, das wir das alles erhalten können, und das mit den Gaststätten: Vielleicht haut es noch einmal hin, dass es weitergeht, hoffen wir es halt, weil das ist halt das Wichtigste."

Etzelwang, 1500 Menschen, im Jahr nur noch acht Geburten, die Schule wird wohl bald geschlossen, die Post ist schon zu, von der Sparkasse ist nur der Fahrradständer geblieben. Viel Landwirtschaft, ein bisschen Fremdenverkehr - aber Freibad und Skilift. Die Menschen hier engagieren sich. Der Skilift läuft seit 30 Jahren, auch wenn die Winter keine Winter mehr sind. In diesen Jahr zählt der Verein gerade mal drei Ski-Tage. Peter Grötsch sieht am Lifthäuschen nach dem Rechten. Mitte 40, orangefarbene Skijacke, Trekkingschuhe, die Haare kurz, schon etwas licht. Er zieht die Hände aus der Tasche, zeigt den Berg hinauf.

"Ja, das ist so: Das ist ein Doppelschlepplift, der eine Schleppliftlänge von 500 Metern hat, das ist für unsere Region ein sehr langer Lift, von oben gehen dann zwei Abfahrten herunter, eine Familienabfahrt, die würde man als blaue Abfahrt bezeichnen, mit einer Länge von 600 Metern und eine Steilabfahrt, die sehr in der Nähe des Lifts runter geht, und damit eine Länge von 500 Metern hat."

Grötsch öffnet das große Holztor, klappt eine Metalltafel nach unten. Das Steuerpult des Lifts, große Schalter, Kontrolllampen, runde Instrumente. 70er-Jahre-Design. Er glüht den Dieselmotor vor. Der springt nicht an. Zweiter Versuch:

"Probieren wir es mal da. (Anlassergeräusch) Das ist ein guter alter Dieselmotor, der muss sich jetzt ein bisschen warmlaufen, also, der Lift steht als solches immer noch, der Motor läuft jetzt, aber die Bügel. Das Seil dreht sich noch nicht, muss jetzt eingekuppelt werden. Bevor dann bei entsprechendem Liftbetrieb die Leute schon anstehen, um mit dem Lift nach oben gebracht zu werden. Ich denk, jetzt ist er warm, ich tu mal einkuppeln, ... "

Grötsch bleibt beim Lift seines Skivereins, bei der wohl letzten Testfahrt in dieser Saison. Ein Lift im Mittelgebirge? Geld verdienen? Das geht nicht. Darum geht's aber auch nicht. Es geht darum, dass ein Dorf lebenswert bleibt.

Während Grötsch den Lift einmottet, steht im Wirtshaus Rosi Neumüller. Sie ist die Wirtin. Roter Pullover unter der weißen, frisch gestärkten Kittelschürze, die Haare braun und kurz, die Arme verschränkt. Seit einigen Monaten muss sie den Laden alleine schmeißen. Der Ehemann: nach einem Schlaganfall und schweren Stürzen im Rollstuhl. Der Sohn tot, vor 25 Jahren ein schwerer Motorradunfall. Die Tochter weit weg, verheiratet, selber Wirtin. Der Traum von der Weltreise im Alter ist ausgeträumt. Und trotzdem: jedes Mal, wenn Rosi aus der Küche kommt, schaltet sie ihr Lächeln ein. Sie weiß: die Gäste wollen nichts hören von ihrer Not. Sie wollen sich erholen. Viele Urlauber gibt es nicht mehr. Ganz anders als früher, vor 20, 30 Jahren.

"Aus dem Rheinland, aus Berlin, aus Hamburg sind sehr viele Urlaubsgäste gekommen. Man hat natürlich Reklame gemacht in den großen Zeitungen. Und es war ein guter Erfolg. Aber die Leute waren noch nicht so anspruchsvoll. Die waren noch zufrieden mit einem guten Essen, mit einem guten Zimmer, mit fließend Warm- und Kaltwasser. Das hat sich dann in den Jahren verändert. Dann musste man sich umstellen. Mit Dusche und Toilette, und dann auch mit dem Essen. und das ganze Ambiente. Und man hat sich immer mit den Gästen weiterentwickelt. Man hat sich auch von den Gästen treiben lassen. Und eines Tages ist die Fliegerei aufgekommen, die Jugend hat andere Interessen gehabt, die Ansprüche sind gewachsen, die Vorstellungen sind anders geworden und dann schläft Etzelwang allmählich wieder ein."

Hinter dem Wirtshaus, zwischen Etzelbach und Straße: das Freibad. Das Becken keine 50 Meter lang, keine zwei Meter tief. Gebaut in den 30er Jahren vom Reichsarbeitsdienst. Die Rutsche: ein orange-gelber Elefant, etwas verblichen, der Kunststoff porös. Helmut Zorn bereitet das Bad auf den Sommer vor. Ab Mai gibt es wieder Wasser im Becken, Eis am Kiosk und Würstchen auf dem Grill. Zorn ist Ingenieur im Ruhestand. Etwas gedrungen, ernster Blick, wischt sich die Hände mit einem Lappen ab. Das neue Gerät, das er einbaut, soll Geld sparen helfen.

"Mit dem Frequenzumrichter kann man die Umwälzpumpe langsamer laufen lassen. Das ist seit 2002 erlaubt, und spart jede Menge Geld. Also außerhalb der Betriebszeiten kann die Umwälzpumpe auf die halbe Umwälzung runtergeschaltet werden. Und das spart uns im Jahr schätzungsweise 3000 Euro."

Zorn kämpft für das Freibad, das Sommervergnügen seiner Enkel. Der Hollywoodstar Nicolas Cage ist ihm ziemlich egal. Wenn er ins Freibad kommen will, dann soll er kommen. Extrawürste gibt es keine.

"Ja, Gott, wir werden ihn auch begrüßen, es ist wünschenswert, dass er sich ein bisschen an die Gegend anschließt, anderseits ist es natürlich klar, dass er ein höheres Sicherheitsbedürfnis hat, man wird sehen."

Zorn will jetzt weiterschrauben.

Im Wirtshaus machen zwei Urlauber Brotzeit. Sie gehören zu den Letzten ihrer Art. Die Stammgäste der früheren Jahre sind gestorben, ihre Kinder fliegen lieber in die Türkei, als in der Oberpfalz zu wandern. Marga und Wolfgang Schmidt aber sind Etzelwang treu geblieben. Beide mit Wanderschuhen, festen Hosen, karierten Hemden. Er 79, sie 74. Sie kommen aus Hessen, zweimal im Jahr. Sie lieben:

"Die Gegend und auch die Leute, die wir hier schon kennen gelernt haben, wir kommen jetzt schon 30 Jahre hierher."
"Landschaftlich sehr schön, und dann, was mich fasziniert, wenn man eine Wanderung absolviert hat, ist immer irgendwo ein Gasthaus." (Lachen)
" Zu jeder Tages und Nachtzeit."
" Um richtig zu rasten. Wie sich das gehört. Alles sehr gut. Auch die Mittagsmahlzeiten sind sehr gut und diese Brotzeiten, wie die hier sagen. Abends. Auch sehr gut. Es gibt da riesige Würste zum erklecklichen Preis. Es ist wirklich sehr schön hier."

Marga und Heinz bestellen sich noch einen Kaffee und bleiben etwas sitzen. Sie sind Rentner, sie haben Zeit. Vor dem Wirtshaus, 50 Meter weiter dorfeinwärts, vor der Kirche, die so heißt wie der berühmte Schauspieler aus Hollywood, Sankt Nikolaus: die evangelische Pfarrerin Barbara Meister-Hechtel. Sie spricht gerne mit den Menschen auf der Straße - aber ungern über Nicolas Cage. Herrn VON Cage, wie sie ihn nennt, den neuen Schlossherren von Neidstein. Die 49-jährige in Gummistiefeln streicht sich durch das dunkelrot gefärbte Haar, legt den Kopf etwas schief, die Oberlippe kräuselt sich. Nicolas Cage? Die Etzelwanger, sagt sie...

"Die sind etwas genervt von der ganzen Geschichte, weil, so wie ich halt auch. Das halt viel so Fernsehgesellschaften rumfahrn und so. Ja, sie sind so neugierig und fragen, ob sie schon extra englisch lernen, damit sie sich mit dem Herrn von Cage unterhalten können, beim Metzger habe ich mitgekriegt, da haben sie gefragt, ob sie jetzt extra Cage-Wurst machen. Das nervt die Leut teilweise."

Die Pfarrerin geht ins Pfarrhaus, ein rot getünchter Bau aus den 60er Jahren. Nicht schön, aber funktional. Sie muss ihre Predigt vorbereiten.

Ihr katholischer Kollege ist längst damit fertig, sitzt im Wirtshaus, trinkt ein Spezi. Michael Kneissl freut sich auf ein neues Schäfchen. Schließlich ist Nicolas Cage katholisch. Pfarrer Kneissl ist ein massiger Mann, 48, gestreiftes Hemd, grauer, Pullover, Vollbart, die Stirn schon etwas licht, große Hände. Er liebt die Menschen, die Kirche und die Heimat, auch wenn die Katholiken hier in dieser evangelischen Ecke Bayerns klar in der Minderheit sind.

"Auf jeden Fall, glaub ich, darf man immer noch wuchern in unseren Gefilden mit Gottes schöner Schöpfung und Natur. Also ich denk, wir sind schon in einem glücklichen Winkel unseres Landes, und Menschen, die da auf den Geschmack kommen, glaube ich, kommen da schon auf ihre Kosten. Es zieht ja sogar große Leute bis von Amerika an."

Kneissl faltet die Hände über dem Bauch. Seine Fingernägel sind abgekaut. Sein Blick aber ist direkt. Er ist vorbereitet, die Pfarrgemeinde ist vorbereitet, Nicolas Cage kann kommen.

"Wenn er im Land ist, dann wird er wie jedes andere Mitglied unserer Gemeinde, dass sich hier neu einfindet, vom Pfarrgemeinderat begrüßt werden. Mit einem Segensspruch und mit den alten Begrüßungsgaben von Brot und Salz. Um Geschmack zu finden am Leben hier."

Pfarrer Kneissl bezahlt. Er geht in seine Kirche zurück. Bald ist Gottesdienst.

Draußen, auf dem kleinen Dorfplatz am Etzelbach, steht ein großer Mann. Trachtenjacke, weißes Hemd, gestreifter Schlips, Vollbart. Es ist Bürgermeister Ludwig Heinl, 63, Bauer mit Leib und Seele. Er findet es prima, dass Nicolas Cage kommt, dass Schloss Neidstein einen neuen Herren hat, der es renoviert, ein neues Dach bezahlt, insgesamt wohl vier Millionen Euro in die Hand nimmt, um das Dornröschenschloss mit seinen Zinnen und Giebeln, dem Fachwerk und den Türmchen nicht nur zu kaufen, sondern auch auf Vordermann zu bringen. Das Schloss und Nicolas Cage passen wunderbar zusammen, sagt er, und schmunzelt.

"Das Schloss Neidstein ist kein Feudalbau. Er hat sich nicht irgendwas gekauft, mit dem er auf der Welt groß rauskommen will, weil er sich groß darstellen will, sondern er hat für sich und für seine Frau gekauft. Er hat also hier einen Herrschaftssitz gekauft, wo er mit seiner Frau allein sein will und sich hier wohlfühlen will. Er hat hier zugeschlagen, das Ding zu kaufen, wahrscheinlich, weil es einfach ein gediegener Herrschaftssitz ist und weil er sich wahrscheinlich auch von seiner Person her vorstellen kann, hier einige Zeit zu verbringen und hier sich wohl zu fühlen. Ich hoffe, dass er sich dann auch entsprechend in der Gemeinde einbringt und wir ihn, so wie zu seines Vorgängers Zeiten, einfach dann auch einmal in der Wirtschaft oder bei einem Fest oder beim Spazierengehen treffen."

Der Bürgermeister macht sich auf den Weg zum Gottesdienst. Im Wirtshaus wird derweil gekartelt. Schafkopf und 66. Die Männer legen die Karten aus der Hand, trinken ein Bier, der Verlierer der letzten Runde zahlt einen Schnaps. Sie sitzen ganz nah an der Theke auf zwei Holzbänken, über ihren Köpfen eine Lampe mit Messingschirm, im Aschenbecher qualmen zwei Zigaretten und ein Zigarillo. Der Nicolas Cage? Interessant? Ja! Aufregend? Nein.

"Wenn er Hully Gully will, dann ist er in London oder Hollywood oder Los Angeles. Bei uns, da will er seine Ruhe haben. Ich denke nicht, dass er sich oft in der Bevölkerung zeigt."
"Kann ich mir auch nicht vorstellen. Sollte er wirklich mal in sein Schloss kommen, dann will der seine Ruhe haben. Ich kenn den Nicolas Cage gar nicht so richtig. Ich hab mal einen Film angeschaut. Hat mir auch nicht imponiert. Das war die 8 mm. So ein Gschmarri. Äh, so ein Schmarrn."
"Weil der hat schon gute Filme gedreht. Also wirklich, hat jetzt die goldene Kamera gekriegt. Ich würd, wenn ich ihn jetzt auf der Straße sehe, ich würde ihn sogar erkennen. Muss ich sagen."
"Ich nicht." (Lachen)
"Doch." (Lachen)
"Wenn er sich nicht verkleidet. Mit den abstehenden Ohren." (Lachen)
"Und den Glubschaugen." (Lachen)
"Da laufen nicht viel rum. Also. Wir wollen jetzt weiter karten."

Die Kartler spielen weiter. Schräg über die Straße, vor der evangelischen Kirche, ist der Posaunenchor zusammengekommen. Alle sind begeistert dabei - von ganz jung bis ganz alt. Die beiden jüngsten sind Lukas und Lena, strohblond, kaum größer als die Instrumente, Bruder und Schwester. Den Namen "Nicolas Cage" haben sie schon mal gehört. Auch, dass der aus Amerika kommt, jetzt deutsch lernen will und im kommenden Jahr auf Schloss Neidstein einziehen will. Und dass er irgendwas mit Hollywood zu tun hat.

"Der Nicolas Cage, der ist Regisseur, glaub ich, oder?"
" Ja ich hätt dacht, das er Schauspieler ist." (Lacht)

Die Eltern rufen Lukas und Lena zurück. Jetzt ist Zeit zu üben, der Posaunenchor bereitet sich auf Ostern vor. Dann wollen alle aus ganzem Herzen spielen, den Herrn loben. Den wirklichen Herrn, nicht so einen aus Amerika.

Im Wirtshaus nimmt inzwischen ein würdiger Herr Platz. Er wählt seinen Tisch langsam aus, mit Bedacht. Am Fenster, etwas entfernt von den Kartenspielern, weg vom Rauch. Es ist der kalifornische Tierarzt Henry Brandt. Hier in Etzelwang heißt er allerdings Heinrich Freiherr von Brandt. Er ist ein entfernter Vetter der Schlossverkäufer. Nach dem Krieg ging er nach Amerika. Stolz zeigt er seine Visitenkarte mit dem Familienwappen und den gotischen Lettern. Die Telefonnummer und die Bezeichnung "Office" ist mit Filzstift durchgestrichen. Darunter handschriftlich eingetragen eine andere Nummer "Home".

Brandt praktiziert schon lange nicht mehr, er ist fast 80. In Etzelwang zeigt er sich mit grün kariertem Hemd, grün karierter Trachtenjacke mit Hirschhornknöpfen, scharfem Seitenscheitel. Er ist nicht glücklich über den Schlossverkauf, macht sich Sorgen um die Tradition.

"Ich hätte den größten Wunsch, mit Nicolas Cage bekannt zu werden, damit er auch mal von einem Familienmitglied hört, von dem er wahrscheinlich nichts weiß, dass eine Besorgnis existiert in Bezug auf die Erhaltung der Tradition, des Gebäudes. Und das Inventar auch hineingebracht wird, was dem Schloss passt und dem Status des Schlosses mit seiner Familiengeschichte über 500 Jahren irgendwie recht tut."

Der Freiherr, der in Kalifornien Tierarzt ist, bestellt sich ein Kännchen Kaffee, schaut auf die Uhr, noch Zeit. Der Schlossverwalter, Heinz Breitfelder, aber bricht so langsam auf.

Er geht zu seinem blauen Kastenwagen, will den Berg hinauf zum Schloss, nach dem Rechten sehen. Morgen, Montag, kommen die Handwerker. Es geht um das Dach, es ist teilweise eingestürzt. Die Sanierung, sagt er, wird wohl eine halbe Million kosten. Euro - nicht Dollar. Der Autoschlüssel verschwindet in der mächtigen linken Hand. Den Schlüsselbund des Schlosses kann die Rechte aber kaum greifen. Sieben, acht mächtige Schlüssel mit geschmiedeten Bärten, gut 15 Zentimeter lang. Und ein Kästchen, das aussieht wie eine Garagenfernbedienung.

(Klimpern) "Ja, das sind die Schlossschlüssel und das ist nur ein kleiner Teil davon. Hier ist der Chip von der Alarmanlage, die ist mit einem Chip gesteuert, mit einer Geheimnummer, (lacht) und wenn ich den ganzen Bund da dran machen würde, dann reißt mit meine Hosentasche kaputt." (Lacht)

Breitsteiner verabschiedet sich, steigt in den Wagen.

Im Wirtshaus riecht es inzwischen, wie es nur in bayerischen Wirtshäusern duften kann. Die Küche hier an der Grenze zwischen Oberpfalz und Mittelfranken ist für Vegetarier eine Hölle. Für alle anderen ein Paradies. Wer hier Senf zu den Bratwürsten bestellt, beleidigt Metzger und Koch. Die Würste schmecken von alleine. Der Braten ist zart und fest zugleich. Das Brot warm und würzig. Die Küche: Viel Edelstahl, sehr sauber. Hier gibt es keine Latte Macciato und auch keine Cocktails - hier gibt es regionale Küche und heimisches Bier. Die Wirtin, Rosi Neumüller, schaut etwas nervös, als sie ihre Spezialitäten aufzählen soll. Spezialitäten? Das ist doch was Französisches oder Italienisches. Ihre Küche hält sie eher für alltäglich.

"Na ja, bei uns ist vor allem mal das Schäuferl sehr bekannt, das ist ein Schulterstück vom Schwein, das wird gebraten mit Klößen, und der Sauerbraten, na ja, die Bratwürste, das ist natürlich auch was,( lacht), und auch wir haben ja auch die Forellen, viel Wasser, Flüsse, wo wir ganz frisch die Forellen bekommen, na ja und es gibt noch sehr vieles, von der Hausmannskost, aber na ja."

Neumüller geht wieder in die Küche. Ein Schäufala und die Bratwürste sind fertig. das sind übrigens die Sachen, so erzählen es die Menschen hier, die auch Nicolas Cage so gut schmecken. In der Regionalzeitung haben sie gelesen, dass er gerne Bratwürste bestellt, wenn er in der Gegend ist. Die dicken, würzigen. Auf Kraut. Mit Bauernbrot.

Draußen, vor dem Wirtshaus, hält ein großer blauer Wagen mit einem Kennzeichen aus einer ganz anderen Ecke Bayerns. Eine Dame im braunen Schneiderkostüm steigt aus und führt ihren Jagdhund, Herrn Bossi, Gassi. Eine Dame mit blonder Dauerwelle, die so gar nicht aufs Dorf passen mag. Und doch ist sie es, die Nicolas Cage zum Etzelwanger macht. Die Schlössermaklerin Sabine Gammel. Sie verkauft gerade ganz in der Nähe ein anderes Schloss - denn Schlösser gibt es mehr als genug. Sie erinnert sich ganz genau an ihren berühmtesten Kunden: Nicolas Cage. Von der Sorte Käufer hätte sie gerne mehr.

"In Deutschland ein Schloss zu kaufen, ist seht leicht, weil wir viel mehr Schlösser im Angebot haben als wir Kaufinteressenten haben. Sie kriegen Schlösser in Deutschland, sagen wir in Europa, zwischen einem Euro und zehn Millionen Euro, die Grenze nach oben ist offen. Sie haben aber dementsprechend nur sehr wenig Käufer, die sich für Schlösser interessieren. Denn: seien, wir ehrlich, ein Schloss braucht kein Mensch. Schlösser zu verkaufen, ist sehr schwierig. Doch. Wenn Sie davon ausgehen, Sie kriegen ein Schloss in die Vermarktung, dann kann man davon ausgehen, dass sie drei bis vier Jahre Verkaufszeit brauchen, manchmal haben sie Glück, wie ich mit Herrn Cage in diesem Fall, der einfach kam und das Schloss gefiel ihm. Das ist nicht die Regel."

Jetzt fährt Gammel gleich nach Mecklenburg-Vorpommern. Fünf bis sechs Stunden wird sie brauchen - wenn die Straßen frei sind. An der Müritz will sie einen alten Herrensitz verkaufen. Mit 3000 Quadratmetern drei mal so groß wie Schloss Neidstein. Und gar nicht teuer. Der Quadratmeter Schloss an der Müritz kostet viel weniger als ein Quadratmeter Eigentumswohnung in München. Sagt sie und lacht. Packt ihren Hund am Halsband, zerrt ihn auf den Beifahrersitz. Irgendwann, sagt Gammel, kommt sie auch mal wieder nach Etzelwang. Jetzt aber erst einmal nach Norden.

Die Probe des Posaunenchors ist vorbei, die Musikanten kommen ins Wirtshaus. Dabei auch der Vater von Lukas und Lena, den beiden Kindern, die sich nicht einig waren, ob Nicolas Cage nun Regisseur oder Schauspieler ist. Günther Renner ist 40, etwas zurückhaltend aber freundlich, ebenso wie die Menschen hier sind. Und er sagt das, was wohl die meisten hier unterschreiben würden:

"Der Nikolaus, der macht uns eigentlich gar nix. Weil wir in der Oberpfalz sind da weniger berührt. Bei uns ist jeder, der kommt und sich uns entgegenbringt, willkommen. Der kann zu unserem Frühschoppen kommen, kann mit uns ein Bier trinken, da haben wir kein Problem."