Der Autorenfischer

19.11.2009
Der S. Fischer Verlag zählt zu den bedeutenden Verlagen in Deutschland: hier wurden Thomas Mann, Hermann Hesse, Tolstoi und Ibsen veröffentlicht. Seinen Erfolg verdankte der Verlag seinem Gründer Samuel Fischer, der das Verlagssignet eindeutig interpretierte: Er "fischte" seine Autoren mit reichlich literarischem Gespür. Barbara Hoffmeister legt nun eine Biographie des umtriebigen Verlegers vor.
Der S. Fischer-Verlag, 1886 in Berlin von Samuel Fischer gegründet, ist bis heute einer der bedeutendsten deutschen Verlage. Seine Entwicklung war eng mit der Persönlichkeit seines Namensgebers und Gründers verbunden.

Geboren wurde Samuel Fischer 1859 in einem kleinen, ungarischen Dorf, das - erst der Habsburgermonarchie zugehörig - heute slowakisch ist. Fischer stammt aus dem 19. Jahrhundert - einer Zeit, in der Verleger zwar pekuniäre Aspekte ihres Geschäfts ernst nahmen, sich vor allem aber noch als Verwalter in Sachen geistiger Führung verstanden. Ein Selbstverständnis, das Fischer ins 20. Jahrhundert überführte, das jedoch in unseren Tagen, in denen die Zahlen die Wörter dominieren, bald exotisch anmuten muss.

Barbara Hoffmeister, von Haus aus Lektorin und Herausgeberin, legt nun - gut vierzig Jahre nach Erscheinen von Peter de Mendelssohns fast 1500 Seiten umfassenden Standardwerk "S. Fischer und sein Verlag" - ihre um zwei Drittel kürzere Lebensbeschreibung vor: "S. Fischer, der Verleger". Was unterscheidet die beiden Bücher voneinander?

Der 1908 geborene de Mendelssohn kannte S. Fischer und viele seiner Weggefährten noch persönlich. Ohne de Mendelssohns umfassenden Recherchen hätte die Autorin ihr Buch kaum schreiben können. Doch gibt ihr die zeitliche und persönliche Distanz zu Fischer die Möglichkeit, frei und neugierig auf den Gegenstand ihres Interesses zu blicken. Sie stellt vor allem Fragen und setzt Fischers Leben und Lebenswerk in neue Zusammenhänge, indem sie klug ihre Kultur-und Literaturgeschichtskenntnisse miteinander verbindet. Sie untersucht sein verlegerisches und deutsch-jüdisches Selbstverständnis.

Samuel Fischer gründete seinen Verlag 1886 in Berlin. Die heraufziehende Zeit war geprägt von einschneidenden gesellschaftlichen Umbrüchen. Eine junge Generation von Künstlern fand neue Ausdrucksformen, der Naturalismus brach sich Bahn. Fischer witterte aktuelle literarische Trends, nahm sie auf, setzte sie durch. Er machte erst fremdsprachige Autoren in Deutschland bekannt: Zola, Tolstoi, Dostojewski – und Ibsen. Der Norweger wurde neben Gerhardt Hauptmann zu einer Entdeckung des Verlages. Es folgten Herman Bang, Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler, Thomas Mann, Hermann Hesse.

Das Verlagssignet – es zeigt einen Fischer mit Netz – war symbolträchtig für das Wirken des Verlegers: Er "fischte" seine Autoren. Eines seiner Netzte war die von ihm mit gegründete Zeitschrift "Die Freie Bühne". Hier konnten junge Autoren publizieren, "hier köderte und erprobte er Autoren wie Publikum". Von Anfang an setzte Fischer auf Langfristigkeit. Verlagstreue, die er von seinen Autoren erwartete, erwiderte er auf seine Weise: Er entwickelte ihr Profil und legte Wert auf qualitative und innovative Gestaltung ihrer Bücher.

Barbara Hoffmeister weist in ihrem Buch überzeugend darauf hin, dass Fischers persönlicher Charakter, preußisch und heiter, für den Erfolg des Verlages verantwortlich war, aber auch der Epochenwandel und eine Dichtergeneration, die einem Gefühl des Scheiterns in bis dahin nicht gekannter Form Ausdruck verlieh.

Hoffmeister stellt am Ende einen verblüffenden Zusammenhang her zwischen den Werken dieser Autorengeneration und der Vita des Verlegers. Denn auch diese liest sie, jenseits der ökonomischen und kulturellen Verdienste, als das Scheitern einer deutsch-jüdischen Erfolgsgeschichte, deren tragische Konsequenz der Verleger selbst nicht mehr in Gänze miterleben musste. Er starb 1934.

Besprochen von Carsten Hueck

Barbara Hoffmeister: S. Fischer, der Verleger. Eine Lebensbeschreibung
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2009
494 Seiten, 22,95 EUR