Der Aufsteiger des Jahres

    Von Almuth Knigge · 13.04.2007
    In Vorpommern sieht die Zukunft vielerorts düster aus: zu wenig Jobs, schlechte Infrastruktur, hohe Abwanderung. Eine der wenigen Ausnahmen: Greifswald. In der Universitätsstadt an der Ostsee verbreitet sich Aufbruchsstimmung. Hier haben sich innovative Biotechnologie-Unternehmen angesiedelt.
    "Ich hasste die Stadt hinter den Wiesen. Die berühmte Silhouette, die der Maler gemalt hatte. Ich sah sie von Ottern gefressen. Aber wird man mich verstehen?"

    Eindeutig, Wolfgang Köppen hatte ein Greifswald-Trauma. Wenig schmeichelhaft, wie er sich 1976, mit 70 Jahren, an seine Geburtsstadt erinnerte. Und vollkommen unverständlich für den Bundespräsidenten Horst Köhler, der vor Begeisterung sprühte, als er im letzten Jahr zusammen mit der schwedischen Königin Sylvia der alten Universität zum 550-jährigen Jubiläum gratulierte.

    "Herzlichen Glückwunsch Alma Mater, Gryphis Baldensis, Tradition und Zukunft im Ostseeraum, dafür steht die Universität Greifswald."

    Kaum ein halbes Jahr später, wieder ein Grund zu Jubeln - Greifswald ist, laut Prognos-Studie, der Aufsteiger des Jahres. Ausgerechnet der Nordosten, von dem immer behauptet wird, alles passiere hier 100 Jahre später. Entsprechend überrascht waren auch die meisten Greifswalder selber

    "Ja ich fand das sehr überraschend muss ich sagen."
    "Echt? Das wundert mich ein bisschen, aber na ja obwohl irgendwie auch nicht so doll, weil irgendwie tut sich hier ja einiges, also ich war vor ein paar Jahren mal hier. Allerdings so als Tourist. Da war das doch noch ein bisschen östlicher irgendwie."
    Gewundert hat es mich nicht, ich glaube, dass Greifswald sich gut verkauft in den letzten Jahren, sie haben an der Uni viel gemacht, sie haben an der Innenstadt viel gemacht, und sie erzählen es vor allen Dingen auch weiter, was sie getan haben."

    Gutes Tun und drüber reden. Viel Energie stecken Uni und Stadt in die Unterstützung von denjenigen, die während des Studiums eine gute Idee hatten und dann eine Firma gründen. Eine dieser jungen Gründerinnen ist Gudrun Mernitz. In diesem Jahr hat die promovierte Mikrobiologin zusammen mit ihrer Kollegin Beate Cuypers das "Ressourcenzentrum Marine Mikroorganismen" gegründet. Ein ganz junges, zukunftsträchtiges Forschungsfeld, weltweit gibt es gerade mal zehn Labore, die sich mit dem Thema beschäftigen. Ziel ist es, Organismen aus dem Meer zu finden, die in der Pharmaindustrie eingesetzt werden können, um Medikamente besser verträglich und effektiver zu machen. Geschäftssitz ist das Biotechnikum in Greifswald - die beiden Wissenschaftlerinnern haben das letzte Labor bekommen, das frei war. Biotechnologie boomt.

    "Also ich glaub, dass die Stadt in 'ner ganz dollen Aufbruchstimmung ist. Man hat nicht den Eindruck, dass man den anderen Bundesländern ewig hinterherläuft, sondern im Gegenteil, dass hier eigentlich die Entwicklung gleichermaßen stattfindet und das für dieses kleine Städtchen die Entwicklung ganz erstaunlich ist."

    In Punkto Dynamik liegt die Uni-Stadt Greifswald in der Studie auf Platz 30. 11.000 Studenten hat die 53.000 Einwohnerstadt.

    "Also Dynamik macht sich für mich fest in Greifwald, dass es sehr viele Unternehmen gibt, dass sehr viel kleine Unternehmen in den letzten Jahren dazugekommen sind und dass die Unternehmen auch ganz bewusst sich angesiedelt haben, um die Universität herum und das ist sicherlich ein Zeichen dafür."

    Plasmaphysik, Pharmaindustrie, das modernste Klinikum Deutschlands. Jeder zweite, das hat die Studie festgestellt, arbeitet in Greifswald in einer Zukunftsbranche. Und trotzdem ist die Arbeitslosigkeit mit fast 19 Prozent immer noch überdurchschnittlich hoch. Deshalb ist der Bürgerschaftspräsident von der CDU auch etwas zurückhaltend mit dem Jubel.

    "Ich sach immer, man kann noch so schöne Studien haben, aber wenn die Leute unzufrieden sind, bringt uns das auch nicht weiter."

    Denn Platz 426 in der Kategorie soziale Lage und Wohlstand hat der Stadt einen Platz unter den ersten 100 vermasselt. Und sonst?

    "Ich mag das auch, dass diese vielen alten Gebäude wieder restauriert sind, ich finde das schön, dass es auch urige Kneipen gibt, man ist schnell draußen, schnell am Strand. Es gibt viel Angebot im Kulturbereich und man kann ganz gut einkaufen, erzählen zumindest die Frauen."

    Diese weichen Standortfaktoren haben die Stadt im Bereich Demografie auf Platz 11 katapultiert. Wenn das so weitergeht – kaum auszudenken.

    "Dann löst Greifswald Bayern ab auf der Ranking Liste."