Der Aufstand der Kommunen

Von Katja Wilke |
Die Dramaturgie sitzt. Rechtzeitig bevor die beim Bundesfinanzminister einberufene Gemeindefinanzkommission in Kürze ihre Reformvorschläge präsentiert, melden sich die Kommunen mal wieder zu Wort: Sie seien chronisch unterfinanziert und wegen steigender Sozialkosten am Rande ihrer Leistungsfähigkeit.
Wenn es um die Kassenlage geht, übertreffen sich Deutschlands Stadtväter und -mütter seit Jahrzehnten mit dem Wehklagen. Es stimmt ja: Die Situation vieler Kommunen ist katastrophal und im laufenden Jahr stehen weitere Einschläge an - sowohl auf der Einnahmenseite als auch bei den Ausgaben. Die Mehrbelastungen durch die Hartz-IV-Reform müssen gestemmt und die Zahl der Krippenplätze weiter kräftig ausgebaut werden - um dem Rechtsanspruch, den Eltern ab 2013 geltend machen können, zu entsprechen.

Dabei können viele Kommunen schon jetzt nicht mehr ihren Aufgaben nachkommen und ächzen unter den hohen Sozialausgaben. Die Lage ist dermaßen desolat, dass mittlerweile durchaus Zweifel berechtigt sind, ob in Deutschland noch verfassungsgemäße Zustände herrschen. Das Prinzip der Konnexität als wesentliches Element des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden sichert den Gemeinden das Recht, Aufgaben nur dann übernehmen zu müssen, wenn Bund oder Länder als Auftraggeber für einen finanziellen Ausgleich sorgen. Allzu oft aber verteilt der Bund - wie es zuweilen scheint – sorglos Aufgaben und berechnet die Finanzierung Pi mal Daumen. Und von den Ländern fühlen sich die Gemeinden häufig im Stich gelassen.

Die Kommunen sind aber auch selbst für ihre Lage verantwortlich. Seit eh und je blockieren sie jede grundlegende Reform. Wie Ertrinkende an einen Rettungsring klammern sie sich an ihren wichtigste Einnahmequelle, die Gewerbesteuer. Diese Steuer, die auf den Ertrag von Unternehmen erhoben wird, sichere ab, dass sie eigenverantwortlich wirtschaften können und nicht allein auf Almosen des Bundes angewiesen seien, behaupten die Kommunen. Doch die Gewerbesteuer ist alles andere als ein schützender Rettungsring: Sie ist stark schwankend – weil konjunkturabhängig, sie begünstigt hauptsächlich Industriestandorte und sie ist rechtlich umstritten.

Was von den Gemeinden als Kampf um Autonomie verkauft wird, ist nichts anderes als Mut- und Fantasielosigkeit. Statt ihre Finanzierung zukunftsfähig zu machen, rufen Kommunal-Lobbyisten seit Jahrzehnten auch noch tumb nach einer Ausweitung der Gewerbesteuer, etwa auf die Freiberufler.

Dabei gibt es taugliche Alternativen zur Gewerbesteuer. Ein eigener Einkommensteuer-Hebesatz – möglicherweise neben einer Beteiligung an der Umsatzsteuer - würde für eine konstante Einnahmequelle sorgen und den Gemeinden ebenso viel Autonomie sichern. Die Kommunen sorgen sich, dass eine unterschiedlich hohe Einkommensteuer einen ruinösen Wettbewerb um Bürger zwischen den Städten entfachen könnte.

Doch das ist eine Nebelkerze. Kaum ein Mensch wird wegen der anfallenden - mutmaßlich moderaten – Zu- oder Abschläge umziehen. Dafür gäbe es mehr Planungssicherheit, mehr Eigenverantwortung und auch mehr Transparenz für den Bürger, der dafür sensibilisiert wird, woher das Geld seiner Heimatgemeinde kommt und wohin es fließt. Das sollte für die Kommunen in Zeiten von Stuttgart 21 ein bedeutendes Argument sein.

Eines aber muss allen nötigen Korrekturen am Steuersystem vorausgehen: Ein grundlegender gesellschaftlicher Konsens, was Kommunen und auch Länder überhaupt leisten sollen. Schließlich fällt es ihnen zunehmend schwer, Prioritäten bei ihren Ausgaben zu setzen. Eine Föderalismusreform III, die Kommunen und Ländern mehr Autonomie einräumt, ist überfällig. Sie ist aber unrealistisch, solange die Gemeinden in Angststarre verharren.


Katja Wilke, arbeitet als freie Journalistin und Rechtsanwältin in Berlin. Sie schreibt für Tages- und Wochenzeitungen sowie Magazine über Rechtspolitik und Wirtschaftsrecht. Sie arbeitete zuvor als Redakteurin für die Financial Times Deutschland. Das Volontariat absolvierte sie an der Georg-von-Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten in Düsseldorf.
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