Der arrivierte Randalekünstler

Von Carsten Probst · 30.04.2009
Olaf Metzels Kunst durchweht immer ein Hauch von Reality-TV. Martinshorn und Blaulicht von Polizeiwagen, sagte er einmal, inspirierten ihn mehr als das Blau von Yves Klein. Seine Kunst kommt buchstäblich von der Straße, als Medium der täglichen Konflikte.
Für die hat Metzel ein gnadenloses Gespür. Das haben die Einwohner Berlins, Nürnbergs oder Wiens auch schon bemerkt: Auf dem Berliner Kurfürstendamm, unweit der Gedächtniskirche, ließ Metzel 1987 sein sogenanntes "Randale-Denkmal" in die Höhe wachsen, eine chaotische, haushohe Konstruktion aus jenen rot-weißen Absperrgittern, die zur Standardausstattung von Straßenschlachten mit der autonomen Szene zählten. Die Skulptur erzürnte das konservative Westberliner Publikum so sehr, dass sie später an eine entlegene Stelle der Stadt gebracht werden musste.

Den "Schönen Brunnen" in Nürnbergs historisch aufgebauter Altstadt verbarg Metzel zur Fußballweltmeisterschaft 2006 hinter einer bedrohlichen Riesenskulptur aus Stadionsitzen. Sie wirkte derart gespenstisch, dass sich Public Viewing und Protestkundgebungen davor abwechselten.

In Wien wurde 2007 eine kleine Bronzestatue Metzels aufgestellt, die ein junges nacktes Mädchen zeigt. Scheinbar nichts Ungewöhnliches – nur dass dieses nackte Mädchen ein Kopftuch trug und Metzel der Arbeit den Titel "Turkish Delight", Türkische Verzückung gegeben hatte. Die Statue wurde umgestoßen, bei Metzels Wiener Galerie gingen säckeweise türkischer Hassbriefe ein. Eine Ausstellung mit klassisch anmutenden Zeichnungen, in denen Metzel den Faltenwurf von Stoffen studierte, wurde sicherheitshalber in Anwesenheit von Personenschützern eröffnet. Denn bei den Stoffen handelte es sich um Palästinensertücher und andere traditionelle Kopfbedeckungen aus dem arabischen Raum.

Öffentlicher Aufruhr um seine Arbeiten bringt Olaf Metzel nicht aus der Ruhe. Er kennt es ja auch nicht anders. 1952 wurde er in Berlin geboren, in den 70er-Jahren studierte er dort. Studentenunruhen und Deutschen Herbst erlebte er zwar zunächst aus der Distanz, weil er sich eher für klassische italienische Kunst interessierte, doch als die Berliner Polizei die Kunsthochschule stürmte und Ateliers verwüstete, war die Realität auch bei Metzel angekommen. Metzel reagierte mit kunstvoll geplantem Vandalismus von Häusern und Wohnungen, die er als Video dokumentierte, lange vor der Erfindung des Reality-TV. So praktizierte er es noch eine Zeitlang. Doch inzwischen ist Metzel Kunstprofessor in München. Seine Arbeiten sind in vielen großen Sammlungen vertreten. Er hat seinen Frieden damit gemacht. Man kann, so sagt er, schließlich nicht immer dreiundzwanzigeinhalb bleiben.