Der Anti-Lanz

Von Georg Gruber · 31.10.2013
Anarchistisch, ironisch, doppelbödig: Jan Böhmermann gehört zu den zurzeit am meisten gehypten Medienfiguren. Privat ist er angeblich das genaue Gegenteil.
"Mein Name ist Jan Böhmermann, und Sie haben genau richtig verstanden, das Neo-Magazin ist nichts anderes als eine knallharte Kampfansage an Jörg Pilawa."

Groß ist die Hoffnung des deutschen Fernsehens, schlank, schmales Gesicht, wache Augen. Das Studio, aus dem Jan Böhmermann sendet, ist im 70er-Jahre-Retrodesign gestylt. Erinnerungen an alte TV-Magazine, als das Fernsehen noch eine Institution war.

"Das ist der größte Schreibtisch in der Geschichte des deutschen Fernsehens, und er besteht aus purem Beton."

"Man fühlt sich eigentlich wie so ein verrückter Diktator ohne Volk, und draußen ist Krieg, das ist so das Gefühl. Das sind die Bedingungen, unter denen ich versuche, leichte Unterhaltung zu machen und Leute zum Lachen zu bringen. Das ist ZDFneo."

Der 32-Jährige gehört zurzeit zu den am meisten gehypten Medienfiguren - auch wenn ihn die breite Fernsehöffentlichkeit vielleicht noch gar nicht richtig wahrgenommen hat. Jan Böhmermann könnte der Thomas Gottschalk von morgen sein. Der hat auch einmal frech und unkonventionell angefangen. Nur: Bei Böhmermann ist der Humor ein anderer – schneller, sarkastischer, doppelbödiger. Alles, was er sagt, ist im Zweifel ironisch gebrochen und nicht ernst gemeint.

"Natürlich ist das, was man im Fernsehen sieht, das was ich mache, wenn ich im Showmodus bin, also zum Teil auch jetzt, ist eine Art von Kunstfigur. Aber das ist halt so, die Leute, die man im Fernsehen sieht, sind nur vermeintlich authentisch, die sind nicht wirklich so. Und das ist alles Show, das ist alles Show. Selbst wenn es um ernste Themen geht: Das ist ein Medium, das Show mit sich bringt. Alle Leute, die im Fernsehen arbeiten, sind eitel und machen auf eine Art Show."

Kultstatus erreichte im vergangenen Jahr eine Talkshow, die er auf ZDFkultur mit Charlotte Roche moderierte. Das anarchische Gegenmodell zum biederen und anbiedernden Markus-Lanz-Talk.

Roche: "Wir haben ja heute Gäste, leider, ja."
Böhmermann: "Ja, leider, wieder. Sarah Wagenknecht hat abgesagt. Gestern hat Sarah Wagenknecht abgesagt."
Roche: ""Und leider keine richtige Begründung."
Böhmermann: "Aus privaten Gründen. Ich mutmaße mal, ohne mich zu sehr aus dem Fenster lehnen zu wollen, dass es irgendwas mit Untenrum und Oskar Lafontaine zu tun hat."

Es durfte geraucht und getrunken werden und auch sonst war alles möglich – auch Markus Lanz einzuladen:

Lanz: "Ich hab mich ehrlich gesagt sehr gefreut, weil dieses Subversive, das ihr ausstrahlt – ich mag das."
Böhmermann: "Sie sind sich schon der Macht ihrer Worte bewusst. Wenn sie uns subversiv nennen, heißt es, es ist eigentlich vorbei."

Vorbei war es denn auch wirklich bald. Roche überwarf sich mit Böhmermann und den Produzenten oder umgekehrt. Warum, bleibt geheim.

"Es gibt keine Freundschaften in diesem knallharten Geschäft – das ist mir jetzt auch klar."

Und nun also das Neo-Magazin, mit satirischen Einspielern und Gesprächsgästen. Wer Böhmermann kennt, ahnt, was dabei herauskommen könnte: große Fernsehmomente.

Böhmermann: "Ich habe an der Frank-Elstner-Moderationsschule mein Show-Abitur nachgemacht, und nach nur vier Versuchen auf Anhieb bestanden. Mit der Bestnote 3,4. Und das ist sehr, sehr gut!"

Aufgewachsen ist Jan Böhmermann in Bremen, als Sohn eines Polizisten. Sein erster Berufswunsch: Polizist. Doch schon als Kind hatte er auch ein Faible für Auftritte vor Publikum:

"Ich war schon früh im Kinderzirkus. Hab irgendwie mit sechs Jahren den Clown in der Zirkusmanege gemacht, Kinderzirkus Tohuwabohu in Bremen-Vegesack, im Gustav-Heinemann-Bürgerhaus. Habe da vier Tage die Woche Einradfahren geübt und jonglieren und so einen Quatsch, und bin dann später beim Schülerkabarett gewesen. Das war aber komischerweise immer so ein Hobby, weil das einfach zu nah – das bin ich dann eben halt wahrscheinlich. Und hab dann als Beruf immer gedacht, dass ich Journalist werden würde."

Was er dann auch wurde, mit einem Volontariat bei Radio Bremen. Berufsziel: seriöser Journalist. Bis er beschloss, zu seiner verspielten Seite zu stehen. Erste Berühmtheit erlangt er mit "Lukas Tagebuch", dem fiktiven Tagebuch von Lukas Podolski.

"Obwohl die so harmlos tun, können Dalai Lamas ganz fies spucken, ne. Bescheuert. Kein Wunder, dass die Chinesen deswegen ein bisschen misstrauisch sind."

Und er arbeitet für Harald Schmidt – ein kleiner Ritterschlag. Schmidt ist heute abgetaucht im Bezahlfernsehen. Böhmermann könnte an seine Stelle treten - was er gar nicht will. Auch wenn er Schmidt bewundert.

"Ich bewundere zwei Sachen: zum einen die Disziplin und zum anderen, wie man es über all die Jahre schafft, sowohl Geschäftsführer seiner Firma und Chef seinen Mitarbeitern zu sein, aber trotzdem immer privat zugänglich, und ein Freund in allen Lebenslagen. Harald Schmidt kann man wirklich nachts anrufen, und er schickt dir nachts um drei noch per Telefon eine Tasse Mehl. Finden Sie heraus, welcher Teil der Aussage ironisch gemeint war."

Im Zweifel alles. Ironie als Lebensprinzip, passend zum Zeitgeist. Was sich bei Jan Böhmermann aber auch aus seiner Biografie erklären lässt: Als er 17 war, starb sein Vater an Krebs. Seitdem kann er trennen:

"Natürlich gibt es Dinge die ernst sind, aber es gibt nicht so viele Dinge, die ernst sind. Und wenn man dann so ein paar Sachen erfahren hat, die nicht so schön sind, ist das zwar unangenehm, aber es macht einem vieles andere leichter: Dinge, über die sich Leute aufregen, die nie so etwas erfahren haben, das ist dann fast lächerlich manchmal. Einen Studienplatz nicht angenommen oder die Bachelorarbeit nur mit 2,3 - das waren nie so Kategorien, in denen ich gedacht habe. Ab sofort hab ich nichts mehr zu verlieren, außer meine eigene Sendung auf ZDFneo."

Und hinter der Fassade des subversiven Spaßmachers steckt ein harter, selbstkritischer Arbeiter – wenn es stimmt, was er erzählt. Und ein ausgeglichener Mensch.

"Ich bin privat das komplette Gegenteil von dem, was ich beruflich bin. Das ist Ausgleich genug. Privat würde ich mich niemals nackt mit einem Sombrero aufs Einrad setzen und durch die Fußgängerzone fahren, beruflich mache ich das aber. Wobei ich mich privat immer frage, warum. Aber beruflich geht das. Es ist auch viel Schizophrenie dabei, das macht einen sehr ausgeglichen. Ich hab fast keine Hobbys, die ich machen muss, damit ich runterkomme oder so was."
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