Der Anti-Koran-Film von Geert Wilders

Von Doris Simon |
Sein erstes Ziel hat Geert Wilders erreicht: Seit Monaten ist er in den Schlagzeilen, der blondgefärbte niederländische Rechtsaußen wurde zum gefragten Interview- und Talkshowgast nicht nur in seiner Heimat. Wilders plusterte sich bei jeder Gelegenheit vor den Kameras auf, und das waren zuletzt viele.
Jetzt ist sein lange angekündigter Film raus, und das Ergebnis bestätigt alle Vermutungen: Fitna ist ein propagandistisches Machwerk mit kruden, plumpen Vergleichen, eben genau das, was man erwarten kann von einem Mann, der den Koran gleichsetzt mit Hitlers Mein Kampf.

In seiner Plattheit und der pauschalen Verurteilung aller Menschen, die Muslime sind, ist das 15 Minuten dauernde Filmchen ebenso verlogen wie sein Macher Wilders, wenn er gebetsmühlenartig behauptet, das Werk sei keineswegs als Provokation gedacht, sondern diene allein der Aufklärung.

Geert Wilders präsentiert sich am liebsten in der Rolle des Aufrechten, der als einziger die Wahrheit klar ausspricht. Aber unter dem Deckmäntelchen des vorgeblichen Aufklärers steckt ein Aufrührer, ein Hassprediger. Ihm geht es nicht um Verständnis durch Verstehen. Wilders will spalten, trennen, absondern, und Fitna ist dafür nur das jüngste Beispiel.

Die spannende Frage ist nun, ob der niederländische Populist nach dem ersten auch sein zweites Ziel erreicht: Ob es ihm gelingt, mit seinem Film eine Welle gewalttätiger Reaktionen in Europa, vor allem aber in der islamischen Welt auszulösen, um dann sagen zu können: Seht her, habe ich es nicht gesagt, so sind sie eben.

Die Gefahr, dass es so kommt, wäre vor einem halben Jahr noch übergroß gewesen. Jetzt könnte es sein, dass ausgerechnet Geert Wilders und sein Film dafür sorgen, dass es diesmal anders ist: Dass nun kein ähnlich verheerender Sturm losbricht wie nach der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in Dänemark, als über 100 Menschen weltweit starben.

Diese Chance gibt es. Denn nach den Erfahrungen aus Dänemark ist die niederländische Regierung frühzeitig aktiv geworden: sie wollte das Feld nicht Geert Wilders überlassen, und sie hat die richtige Strategie gewählt: Über die letzten Monate haben niederländische Diplomaten weltweit in allen Ländern mit muslimischer Bevölkerung darüber aufgeklärt, was die Niederlande und damit auch die anderen Demokratien in Europa auszeichnet und sie zum Anziehungspunkt für Verfolgte auf der ganzen Welt macht: Dass jeder hier frei seine Meinung äußern darf, dass man keinen Film im Vorhinein verbietet, nur weil Staatsräson oder die verletzten Gefühle Anderer dieses nahelegen: Dass in unseren rechtsstaatlichen Demokratien allein die Frage, ob gegen Gesetze verstossen wurde, Grundlage sein darf für gerichtliche Verfolgung oder Verbot.

Die Angst vor gewalttätigen Reaktionen hat auch auf religiöser Ebene zu Aufklärung und Austausch geführt: So sprachen Vertreter muslimischer und christlicher Organisationen aus den Niederlanden mit Großimam Tantawi von der Kairoer Al Azhar-Moschee über Wilders und die niederländische Gesellschaft: Der ägyptische Großimam gilt vielen Moslims als höchster religiöser Führer in der islamischen Welt. Selbst in den Niederlanden hat Wilders' Filmprojekt zu einem vorsichtigen Brückenschlag beigetragen: Die Regierung und die islamischen Organisationen haben in den letzten Monaten in dauerndem Austausch gestanden, Vertrauen ist aufgebaut worden. Die öffentliche Diskussion hat sich mehr und mehr von den Stereotypen gelöst, die nach dem Mord an Theo van Gogh 2004 auf beiden Seiten dominierten.

Wilders selber dürfte sich die Augen gerieben haben, als ausgerechnet ein muslimisches Fernsehprogramm ihm anbot, seinen Film mit anschließender Diskussion auszustrahlen. Alle anderen niederländischen Programme hatten sich da längst geweigert. Dieses Angebot nahm Wilders nicht an, ein solches Signal war ganz klar nicht seine Absicht. Umso deutlicher ist das Zeichen, das heute die Moscheen in den Niederlanden gesetzt haben: Am Tag nach der Veröffentlichung des Hassfilms im Internet öffneten sie ihre Türen für Nicht-Muslime. Hoffentlich kommt diese Botschaft auch im Rest der islamischen Welt an.