Der älteste Knabenchor der Welt

Von Arne Reul |
Mit ihrer über 1000-jährigen Geschichte sind die Regensburger Domspatzen der älteste Knabenchor der Welt. Der Name Domspatzen entstand bei einer Konzertreise im Jahre 1910 nach Prag. Die Hauptaufgabe des Chores ist das Singen im Gottesdienst.
Sebastian: "Also, wir singen für die Menschen und für Gott! Das ist natürlich klar. Unsere erste Aufgabe ist natürlich im Dom und als Nebenaufgabe, die natürlich weit mehr Arbeit bedeutet, machen wir Konzerte."

Sebastian, 18 Jahre.

Vincent: "Wir singen halt nicht mehr so kindlich so Lieder, die man eben in der Kindheit singt, sondern so vierstimmig und achtstimmig und das ist halt einfach unglaublich."

Vincent, 11 Jahre.

Roland Büchner: "Die Buben in ihrer Frische, in ihrer Unmittelbarkeit, in ihrer ja auch manchmal Frechheit, das kommt alles irgendwo raus und das ist klasse."

Roland Büchner, Domkapellmeister der Regensburger Domspatzen. Von Anfang an war es die Aufgabe des Chores, den Gottesdienst musikalisch zu bereichern. Unter den vielen Knabenchören in Deutschland - etwa in Leipzig, Dresden und Windsbach - unterscheiden sich die Domspatzen dadurch, dass es sich bei ihnen um einen katholischen Chor handelt. Auf die Vermittlung der religiösen Bedeutung der Musik legt man besonderen Wert.

Sebastian: "Wir haben auch einen Chortheologen, der allein dafür da ist, dass er uns das erläutert und zu Festzeiten, also Weihnachten oder Ostern führt er uns tiefer ein und sagt uns dann genauer was wir da singen – es sind ja meist lateinische Texte. Ja, genau, und da kriegt man schon ein bissel was mit."

Sebastian: "Man kriegt da eine sehr starke Prägung natürlich, auch wenn es jetzt nicht heißt, man muss katholisch sein oder so. Aber das prägt einem halt. Der Umgang, das Singen im Dom, die ganze Liturgie ich bin da mehr oder weniger hineingewachsen, sag ich jetzt einmal."

Musikerzieherin: "Wer kann die Trompete singen? Die ist schwer! Also Peter: "Die Trompete, sie schmät-tät-tät-tät-tät-tätre-te", dann singen alle. Darauf ..."

Ab der fünften Klasse, also mit zehn Jahren, sind die Domspatzen in einem Internat untergebracht. Zunächst muss eine sängerische Grundausbildung absolviert werden. Außerdem erlernen die Kinder ein Instrument meistens Klavier oder Geige, manchmal sogar beides. Für die jungen Sänger ist Eile geboten, denn es bleiben nur wenige Jahre bis zum Stimmbruch.

Mit einem Knabensopran-Schrei:
"I kann nämi ganz weit aufe! Soll ichs ma versuche: heller Schrei-Ruf."

Roland Büchner: "Was das Schöne ist, das ist der unverwechselbare Klang einer Knabenstimme, die Durchschlagskraft, der Schmelz, wo die Stimme wunderbar sinnlich sein kann und wo sie ausdrucksstark schon ist, und wirklich so aufs Erwachse hingeht. Aber die Herrlichkeit ist halt dann auf einmal vorbei - das Vergängliche einer Knabenchorstimme ist natürlich auch der Reiz."

Hat sich nach dem Stimmbruch die Stimme in der Tenor- oder Basslage stabilisiert, singen die Teenager im Männerchor. Domkapellmeister Roland Büchner versucht bei den Proben Disziplin mit Freude zu verbinden.

Büchner: "Ich muss auch mal was zulassen, was weiterentwickeln, jemand anfeuern und sagen, du kannst es noch besser, das war gut, aber du kannst es noch besser! Und solche Dinge, das schafft ein freundschaftliches Verhältnis. Sie haben Vertrauen zu mir und das spüre ich und das macht mich sehr froh und andererseits doch hohe Leistung. Und die Buben sind leistungswillig."

Sebastian: "Und in der Fünften, als ich dann am ersten Schultag hingekommen bin, mir hat das überhaupt nichts ausgemacht! Also meine Eltern, die sind dann gefahren und ich habe mir dann gedacht, ja gut, jetzt sind sie weg. Aber man findet dann wirklich schnell wieder Freunde und ein Kollege mit dem ich am Anfang im Zimmer war, das ist immer noch mein bester Freund und wird es wahrscheinlich auch bis in alle Ewigkeit bleiben. Also man findet sehr schnell Freunde und es ist alles sehr familiär."

Jeden Sonntag singen die Regensburger Domspatzen in verschiedener Besetzung im Dom St. Peter. Die gut 500 Schüler des Musikgymnasiums gehören nämlich unterschiedlichsten Chören an, etwa dem Nachwuchschor, dem Männerchor oder dem Konzertchor. Ob im Rahmen eines Gottesdienstes oder eines Konzerts, der Anklang bei den Zuhörern ist immer groß.

Frau: "Traumhaft! Also man würde sich wünschen jeder dieser kleinen Jungs wäre der eigene Sohn. Also die haben eine unglaubliche Ausstrahlung und dabei sehr, sehr natürlich und nicht irgendwie aufgesetzt oder so; also mit sehr viel persönlichem Engagement und Ausdruck wie die Singen. Das ist schon beeindruckend, finde ich."

Wer bei den Regensburger Domspatzen singt und das dazugehörige Musikgymnasium besucht, bekommt eine umfassende Schulbildung. Begabte sollen natürlich gefördert werden, aber auch Schüler im mittleren Leistungsspektrum machen erfolgreich ihren Abschluss.

Büchner: "Wie in den alten Gymnasien in Griechenland die Mathematik und verschiedene Künste und die Musik auch dazu gehört und der Sport. Also diese ganze Palette, das wollen wir machen und ganzheitlich sein - das ist das Ideal."

Vincent: "Ja, ich wollte mal Sänger werden, also ich will auch noch Sänger werden - so ein großer Star. Die Ausbildung hab ich!"


Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.