"Den Zustand der Trance kennt letztendlich jeder"

Thomas Loew im Gespräch mit Nana Brink · 19.10.2012
Mit hypnotischen Techniken lasse sich der entspannte Trance-Zustand erweitern, sagt Thomas Loew, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Ärztliche Hypnose und Autogenes Training. Der Patient müsse keinen Kontrollverlust fürchten, "weil Sie immer die Kontrolle über Ihre Situation haben".
Nana Brink: Wenn Sie das Wort Hypnose hören, dann denken Sie bestimmt an einen dämmrigen Raum, eine Kerze auf einem Tisch und eine geheimnisvolle Frau mit einem Pendel. Die mehr als 2000 internationalen Experten, die sich seit Mitte der Woche auf einem Hypnose-Kongress in Bremen tummeln, würden über solche Vorstellungen wahrscheinlich lächeln. Mit Show oder filmreifen Szenen haben die mehr als 5000 Hypnose-Therapeuten, die es in Deutschland schätzungsweise gibt, wenig am Hut. Mittlerweile ist der tranceähnliche Zustand, in den sie ihre Patienten versetzen, eine anerkannte Therapieform, die unter bestimmten Bedingungen sogar die gesetzlichen Krankenkassen zahlen.

Bei uns am Telefon ist jetzt Professor Thomas Loew, Vorsitzender der
Deutschen Gesellschaft für Ärztliche Hypnose und Autogenes Training. Schönen guten Morgen, Herr Loew!

Thomas Loew: Guten Morgen.

Brink: Wie sind Sie denn auf das Thema Hypnose gekommen?

Loew: Ich habe mich bereits als Jugendlicher für das Thema interessiert. Damals war es so, dass in den Comic-Heften, in Romanen immer so kleine Anzeigen erschienen sind, "Menschen manipulieren mit Hypnose", und das hat mich natürlich als Jugendlicher neugierig gemacht, und dann hatte ich das Glück, dass ich gleich das richtige Buch zur Hand hatte, von einem Altmeister der Hypnose, einem Franzosen, dem Herrn Chatoque, und da bin ich dann letztendlich die letzten 35 Jahre dran geblieben.

Brink: Das heißt, die Hypnose funktioniert bei Ihnen selbst?

Loew: Sicher. Ich habe das Glück, dass ich zu dem Zehntel der Menschen gehöre, die gut in Trance fallen können, die sich selbst gut hypnotisieren können, und man kann das letztendlich auch, wenn man so möchte, apparativ belegen. Es gibt das sogenannte Neuro-Feedback, wo man Hirnströme misst und sich dann anschauen kann, wie die durch die Kraft der eigenen Gedanken verändert werden können, und da attestieren mir auch die Kollegen, dass ich eine sehr gute Möglichkeit habe, mich in den Alpha-Rhythmus hineinzubringen.

Brink: Das heißt, das funktioniert dann nicht bei jedem, wie Sie ja erwähnt haben? Bei jedem zehnten nur?

Loew: Ja, bei jedem zehnten sehr gut und etwa bei der Hälfte der Menschen so, dass man sagen kann, es nützt ihnen was.

Brink: Und das interessiert uns ja eigentlich. Was bewirkt Hypnose? Was tut sie mit einem?

Loew: Den Zustand der Trance, den kennt letztendlich jeder. Das ist genau dieser Zustand zwischen wach sein und einschlafen beziehungsweise umgekehrt, wenn wir aus dem Schlaf erwachen, diese wenigen Momente, wo wir uns dann gerade nicht orientieren können, uns noch in dieser anderen Traumwelt fühlen, und das ist letztendlich ein Zustand, wo Geist und Körper sehr entspannt sind, und wir versuchen, durch hypnotische Techniken diesen Zustand zu erweitern und den jetzt nicht nur sozusagen im Zusammenhang mit Einschlafritualen zu erzeugen, sondern da, wo er uns im Alltag auch nützlich sein kann, zum Beispiel bevor wir wichtige Aufgaben, wo wir uns konzentrieren müssen, erledigen, uns darauf vorzubereiten. Da ist zum Beispiel die Selbsthypnose in der Prüfungsvorbereitung eine ganz hilfreiche Geschichte, oder wenn es um Symptome geht, also zum Beispiel Schmerzerkrankungen, chronische Schmerzerkrankungen, oder bei der Entwöhnung, zum Beispiel bei der Rauchentwöhnung, oder bei der Suchtbehandlung. Da sind das ganz hilfreiche Techniken.

Brink: Was tun Sie denn dann mit mir, wenn ich zum Beispiel zu Ihnen käme, oder zu jemandem, der wirklich ein Fachmann ist? Muss ich mich dann hinsetzen? Wie muss ich mir das vorstellen?

Loew: Wir würden erst einmal ausführlich über die Methode sprechen, damit Ihnen klar wird, was mit Ihnen passiert, und dann geht es letztendlich über eine Reizreduktion. Ich gebe dann eine bestimmte Aufgabe vor, dass Sie versuchen, ganz gezielt zum Beispiel gleichzeitig mit diesem Punkt, auf den Sie sich konzentrieren, noch zusätzliche Dinge wahrzunehmen, zum Beispiel den Tisch, der an der Wand steht, möglicherweise noch ein Bild, das an der Wand hängt, oder zum Beispiel das Fenster, das gerade noch geöffnet ist.

Dann machen wir die gleiche Übung mit Geräuschen, die nächste Übung mit den Körperempfindungen, zum Beispiel den Sitz spüren, unten die Sitzfläche, und gleichzeitig die Rückenlehne und vielleicht auch noch den großen Zeh und möglicherweise auch noch den Lufthauch, der vom Fenster an ihrer Wange vorbeistreift. In der nächsten Runde werden es dann drei Dinge, auf die man sich jeweils konzentriert, dann zwei, dann eines, und dann würde man in das erste Traumbild hinüberwechseln. So muss man sich eine Induktion von einer Hypnose vorstellen.

Brink: Und das ist ja genau der Punkt, wo die meisten Menschen Angst haben, nämlich viele oder wir haben ja naturgemäß auch Angst vor Kontrollverlust.

Loew: Ja und da kann ich Ihnen versichern, das wird nicht passieren, weil Sie immer die Kontrolle über Ihre Situation haben. Das wird auch in den Sätzen deutlich, die der Hypnotherapeut spricht. Er leitet seine Angebote - Suggestion heißt ja eigentlich übersetzt Empfehlung -, seine Empfehlungen immer mit dem Satz ein "wenn Sie möchten". Also zu jedem Zeitpunkt hat der Hypnotisierte die Möglichkeit, den Zustand auch wieder zurückzuführen und zu verändern.

Brink: Und jetzt noch mal ganz kurz angesprochen. Auf welchen Gebieten kann man das anwenden? Hypnose allein ist ja nicht ein Allheilmittel.

Loew: Das ist richtig. Wir haben sehr gute Erfolge beim chronischen Schmerz. Wir haben überraschend gute Erfolge auch bei der Behandlungen von Erkrankungen, wo wir das Immunsystem stimulieren müssen oder bremsen, also zum Beispiel als zusätzliche Möglichkeit bei chronischen Entzündungen. Man kann sich auch gut vorstellen, dass im Bereich der Tumortherapie das einen Stellenwert hat. Da ist die Datenlage noch nicht ganz so überzeugend. Das hat aber sicher auch was mit der Anzahl der Studien zu tun. Aber es ist auf alle Fälle einen Versuch wert. Wenn jemand damit zurechtkommt, wenn sich jemand auf die Bilder einlassen kann, dann ist das auch in der Tumortherapie eine wunderbare Ergänzung und letztendlich zum Beispiel auch bei Allergien, also wo es darum geht, das Immunsystem zu bremsen.

Brink: Wie kann man denn als Patient, wenn ich zu jemandem hingehe, unterscheiden, ob es wirklich ein Scharlatan ist, oder ob er es ernst meint?

Loew: Wir haben in Deutschland das beste Versorgungssystem im Bereich Psychotherapie auf der Welt. Wir haben Psychotherapeuten, die man aufsuchen kann mit Krankenkassenkärtchen. Und wenn diese Therapeuten eine Ausbildung in Hypnose haben? Man kann sie sozusagen fragen, ob sie das haben, und die Kollegen, die das machen, die geben das auch oft in ihrem Praxisprofil auf ihrer Website direkt an. Dazu ist vielleicht auch noch wichtig zu sagen: Praktisch jeder ärztliche oder psychologische Psychotherapeut kennt das autogene Training. Das ist sozusagen, wenn man sagt, die Hypnose ist Tennis spielen, dann ist das autogene Training das Tischtennis-Spiel. Das kann genauso fit machen, kann genauso helfen wie das große, und Tischtennis kann bei uns praktisch jeder.

Brink: Professor Thomas Loew, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Ärztliche Hypnose und autogenes Training. Schönen Dank, Herr Loew, für das Gespräch.

Loew: Gerne geschehen.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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