Den Knochen vom Mittagstisch gibt es nicht mehr

Die großen Fleischskandale hatten meistens mit dem zu tun, was wir Menschen zu uns nehmen. Was in die Nahrung der Heimtiere kommt, blieb indes im Dunkel. In dieses Dunkel leuchtet jetzt Hans-Ulrich Grimm in seinem "Schwarzbuch Tierfutter". In dem brillant recherchierten Buch hält der Autor uns Verbrauchern einen Spiegel vor.
Wenn ein Recherchebuch, das im Untertitel "Schwarzbuch Tierfutter" heißt, schon vor der Auslieferung eine Einstweilige Verfügung kassiert, dann kann man davon ausgehen, dass sich da jemand auf den Schlips getreten fühlte. Im Falle von Hans-Ulrich Grimms Buch "Katzen würden Mäuse kaufen" wehrte sich ein großer Tierfutterproduzenten erfolgreich dagegen, dass der Pressetext zum Buch seine Produkte mit Tierkadavern und kriminellen Machenschaften in Verbindung gebracht hatte.

Musste der Verlag in diesem Punkt auch andere Formulierungen wählen, harmloser wird die ganze Geschichte deshalb noch lange nicht. Auch wenn es legal ist, wie Tierfutter produziert wird, wünschenswert oder gar ideal ist deren Herstellung nicht.

Der einstige Spiegel-Journalist Hans-Ulrich Grimm führt uns in eine Welt jenseits des schönen Werbescheins. Statt in schöne Wohnungen, wo schönen Tieren von schönen Menschen Futter in Dosen wie ein Menü serviert wird, womöglich noch mit einem Stängelchen Dill verziert, sehen, ja riechen wir, wie es stinkt, wenn verendete Tiere in einer "Tierkörperbeseitigungsanlage" eingeliefert werden, und aus den Schlachtabfällen und Tiermehl auch Tierfutter hergestellt wird.

Wenn Grimm bei seinen Recherchen nicht weiterkam, weil sich die Auskunftsfreude der Branche in Grenzen hielt, dann zitiert er aus deren internen Anweisungen und Standardwerken wie der "Klinischen Diätik für Kleintiere". Darin steht, dass Tiere "auch Dinge fressen, die für den Menschen unappetitlich sind", darunter "Erbrochenes, Abfall und sogar Kot und Kadaver".

Wie praktisch. Deutschlandweit werden pro Jahr 6, 9 Millionen Tonnen Fleisch erzeugt, knapp ein Drittel davon sind so genannte Nebenprodukte. Also all das, was Menschen nicht essen können oder wollen. Ganz klar: Die Produktion von Fleisch, längst ein riesengroßes Geschäft, hat ein Entsorgungsproblem. Auf der anderen Seite fehlt der Nachschub. Warum also das eine nicht mit dem anderen verbinden?

Die Frage ist zulässig, schließlich wurden Tiere auch früher von menschlichen Abfällen ernährt. Nur sind eben die Zeiten, in denen das Schwein von den Küchenabfällen gemästet wurde, längst perdu. Und der Hund frisst schon lange nicht mehr den Knochen vom Mittagstisch. Gefüttert wird, was eine hochgerüstete, industrielle Tierproduktion auswirft. Und weil davon einiges schlicht ungenießbar ist, oder haltbar gemacht werden muss, wird es chemisch so gekonnt aufgehübscht - mit Zusatzstoffen, die selbst die empfindlichen Sinnesorgane von Hunden in die Irre führen.

Mit dem Ergebnis, dass sie bald kein anderes Futter mehr anrühren. Und außerdem krank werden. Die menschlichen Zivilisationskrankheiten übertragen sich auf die Tiere. Diabetes, Übergewicht und Bandscheibenschäden sind auch bei Vierbeinern nichts Ungewöhnliches mehr. Das kommt nicht allein von der Nahrung. Das kommt auch von der längst nicht mehr tiergerechten Haltung von Tieren. Der größte Feind des Tieres ist sein Halter, denn der hat das Tier zum Ersatzpartner gemacht und behandelt es wie seinesgleichen. Nur eben nicht wie ein Tier.

Es ist schon verrückt, wenn Menschen mehrheitlich an der eigenen Nahrung sparen und für sich immer billigeres Essen kaufen, anderseits aber bereits sind, für die Fütterung ihrer Haustiere Unsummen hinzublättern.

Die Tierfutterproduzenten haben diesen Trend erkannt. Also richten sie sich nach dem Geschmack des Menschen und nicht nach dem des Tieres. Klar, "Katzen würden Mäuse kaufen". Da ihr Futter aber der Mensch kauft, werden von der Werbung dessen Vorstellungen von einem guten Essen befriedigt.

Was in dem Futter enthalten ist, erfährt der Käufer jedoch kaum. Sicher gibt es Unterscheide zwischen den einzelnen Produkten, das räumt auch Autor Grimm
ein: Dosenfutter ist nicht gleich Dosenfutter. Nur weiß das kaum jemand.
Schließlich druckt kein Hersteller auf seine Produkte: "Mit Müll hergestellt" oder "Nicht mit Müll hergestellt". Selbst das Wort "natürlich" konnte auf so einer Futterdose stehen, weil es nicht untersagt war.

Einer der drastischsten Fälle kam vor einigen Jahren ans Licht, als ein Skandal aufgedeckt wurde, der darin bestand, dass sogar Klärschlamm zu Tierfutter verarbeitet worden war, "weil es nicht verboten war." Tierfutterhersteller kennen keine Ekelbremse, so Hans-Ulrich Grimm.

Warum die Kontrolle versagt, das beschreibt der Autor lapidar mit der Feststellung, dass es ihm während der gesamten Recherche nicht gelungen sei, einen unabhängigen Tierfutterexperten aufzutreiben. Statt dessen stieß er auf einen von der Tierfutterbranche finanzierten Lehrstuhl und auf Untersuchungen, die zwar verschiedene Tierfutter untersuchten, aber eben nur Dosenfutter der Sorte A mit Sorte B verglichen, aber nie die eigentlich natürliche Fütterung von Tieren vergleichend in Betracht zogen.

Zwar dürfte die Alternative, die Grimm gerade für die Haustierfütterung vorschlägt, an der Realität vieler Tierbesitzer vorbeigehen: Wer es schon nicht schafft, sich selber ordentlich zu bekochen, wie soll der das auch noch für sein Tier schaffen?

Dennoch: Solange wir in solchen Massen billiges Fleisch kaufen und essen, werden wir auch mit den Abfällen zu tun haben, die dann im Futter für Tiere landen. Hans-Ulrich Grimm, hat mit "Katzen würden Mäuse kaufen" ein brillant recherchiertes Buch über die Tierfutterindustrie abgeliefert und darin uns Menschen einen Spiegel vorgehalten, die wir uns so gern betrügen lassen, wenn man bloß unserer Sehnsucht nach Harmonie und Frieden entgegenkommt.


Rezensiert von Liane v. Billerbeck

Hans-Ulrich Grimm: Katzen würden Mäuse kaufen. Schwarzbuch Tierfutter
Deuticke Verlag, Wien 2007, 208 Seiten, 17, 90 Euro