"Den Islam neu durchdenken"

Der Politologe Bassam Tibi ist zuversichtlich, dass in der Zukunft ein europäisch geprägter Islam entstehen kann. Im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur verwies Tibi auf Westafrika und Indonesien, wo der Islam ursprünglich auch nicht beheimatet war.
Der Wissenschaftler wörtlich: "Die Muslime dort haben es geschafft, den Islam einheimisch zu machen. Warum sollten die Muslime hier in Europa den Islam nicht einheimisch machen?" Tibi wehrte sich dagegen, den Islam als Staatsreligion oder Staatsordnung zu sehen. Diese Deutung sei eine fundamentalistische Position. "Wenn man diese Position vertritt, dann gibt man den Fundamentalisten Recht. Und ich tue das nicht", sagte er weiter.

Vielmehr sei die Trennung zwischen Religion und Politik in Europa "eine der Basis-Voraussetzung des europäischen Islam". Man müsse den Islam "neu durchdenken", um ihn mit fünf europäischen Wertekomplexen vereinbar zu machen: Außer der Trennung zwischen Religion und Politik seien dies Demokratie, Zivilgesellschaft, individuelle Menschenrechte sowie religiöser und kultureller Pluralismus.

Ein Moslem müsse in Europa sagen: "Ich bin ein Moslem, ich habe Rechte, aber nicht mehr Rechte als etwa ein Christ, ein Jude, oder ein Mensch, der nicht glauben will." 99 Prozent der Muslime lebten einen "Alltagsislam", der an lokale Kulturen angepasst sei. "Was in Afrika möglich ist, was in Indonesien möglich ist, muss auch in Europa möglich sein", forderte Tibi. Voraussetzung dafür sei, dass dies die Muslime auch wollten. Sonst entstünden Parallelgesellschaften.