Den ganzen Raum ins Schwingen bringen
1996 wagten auf dem traditionellen Sommerfest in der Bremer Besselstraße einige beherzte Sängerinnen und Sänger einen Auftritt. Das war die Geburtsstunde des Besselstraßenchores, der inzwischen nicht nur zahlenmäßig gewachsen ist, sondern mit Gisela Tamm auch eine stimmgewaltige Leitung bekommen hat.
Chorleiterin Gisela Tamm - rote Haare, rotes, wallendes Gewand - leitete die erste Probe nach den Sommerferien. Ein Credo gibt´s vorweg:
"Hier im Besselstraßenchor wird einigermaßen häufig gelacht. Oder?"
Meutereiversuche, welches Lied man zu Beginn des Besselstraßenfestes singen wird…
"Wir fangen mit diesem Lied an. - Ganz ungünstig!"
…werden von Gisela Tamm sozusagen im Keim erstickt…
"Ungünstig? Ist aber doch so"
…und in "Gesanges-Energie" umgeleitet. Verständlich, denn auch wenn die Chormitglieder schon ein gesetztes Alter aufweisen - von 40 bis 80 ungefähr: Chorleitung scheint immer ein wenig wie die Arbeit eine Dompteurs.
Das Grundproblem bei so einem Laienchor ist aber nicht Zähmung, sondern das Gegenteil: Etwas nämlich wieder freizulassen. Und zwar die Lust am Singen, die den meisten ausgetrieben wurde.
"Wer hat sich wieder ans Singen gewöhnen müssen, weil er entweder früher oder sonst wie als Nichtsänger beschimpft wurde? Oder von den eigenen Kindern?"
Finger gehen in die Luft. Gisela Tamm, pensionierte Lehrerin, kennt das Phänomen aus der Praxis.
"Früher war das so, dass häufig auch die Männer während der Puber-tät auch vorsingen mussten vor der Klasse für die Musik-note. Und das kam gar nicht gut."
Bei den Mitgliedern des Besselstraßenchores ist das inzwischen hörbar anders geworden.
Der Chor entstand aus einer kleinen Gesangsgruppe, die sich an Sommerabenden auf die typischen Vordertreppen der Besselstraßenhäuser setzten und sangen. Nach dem ersten Auftritt beim Straßenfest übernahm Gisela Tamm die Leitung des neu gegründeten Chores. 20 Stimmen zählte damals der Chor. Probenraum - eine Privatwohnung, er-innert sich Gründungsmitglied Gerda Frommeier.
"Dann haben wir uns den Raum einer Kindergruppe hier ganz in der Nähe gesucht; das war zum Beispiel für mich ganz praktisch, weil mein Sohn war da sehr klein, und dann ha-ben mein Mann und ich immer unseren Sohn zum Chor mit-genommen. Dann wurde er dann da hingelegt, und beim Ein-singen ist er schon eingeschlafen, und anschließend haben wir ihn ins Bett getragen und dann haben wir weiter-geschlafen."
Inzwischen ist das an die 14 Jahre her. Wenn der Besselstraßenchor alle zwei Wochen im Gemeindesaal in der Bremer Friedens-kirche probt, kommen an die 60 Sängerinnen und Sänger zu-sammen. Gründungsmitglieder wie Gerda Frommeier und Stefanie Prahl, immer noch wohnhaft in der Besselstraße, oder Rolf Achnitz, der "nur einmal ums Eck" wohnt, wie man in Bremen zu sagen pflegt.
"Ich würde sagen, es ist ein Spaß- und Freude-Chor."
"Es ist ein Lust-Chor. - Es ist kein Chor, wenn man also ... auf genaues Einhalten von Tempi, von Noten Wert legt, von Tonhöhen achtet, dann werden diejenigen, die da gut ge-schult sind, ein bisschen graue Haare kriegen. - Ab und zu gibt es mal so ein paar kleine Anfragen, aber im Grunde genommen ist unser Programm darauf ausgerichtet, dass wir zum Besselstraßenfest singen."
"Ja, das ist ja sozusagen Verpflichtung. Da kommt man ja nicht raus aus der Nummer."
"Da ist es nicht so wichtig, dass jeder Ton stimmt."
"Also ich kann gar nicht ... also, ich bilde mir zumindest ein, dass ich gar nicht so gut singen kann, ich singe eigent-lich auch nur Donnerstagabends ... also, Gerda, du singst ja mal im Auto und so, ich aber singe nur hier. Das finde ich das Erfrischende hier an diesem Chor, das ist kein Leistungsdruck, das ist für mich ganz wichtig."
Die andere Seite: Es gibt eine hohe Fluktuation. Einige - beispiels-weise Gründungsmitglied Gerda Frommeier - singen auch in anderen Bremer Chören. Solche mit höherem Anspruch; der Besselstraßenchor ist für einige so etwas wie ein Ein-steiger-Chor. Das Repertoire besteht aus Gospels, Anti-Apartheid-Songs, Popsongs und anderem Liedgut, das nicht sofort in eine Schublade passen will.
Und der Reiz des Singens im Chor? Gisela Tamm leitet noch andere Chöre und bietet einmal im Jahr in der Bretagne einen Chor-Urlaub an.
"Wenn man mit einem Chor die einzelnen Stimmen einübt, dann ist das eine harte Arbeit, aber immer - wie soll ich sagen - so ein tiefer Drang, sich auszudrücken. Einfach Dinge in sich zum Schwingen zu bringen. Und das macht jeder auto-matisch. Und wenn du dann noch in einer großen Gruppe zu-sammen bist und sozusagen den ganzen Raum ins Schwingen bringst und mit anderen zusammen schwingst, dann werden eben Urinstinkte eben angerührt für meine Vorstellungen. Und es ist ja inzwischen auch erwiesen, dass das gesund-heitsfördernd ist auf allen Ebenen. Also auf einer körperlichen Gesundheitsebene als auch auf einer psychischen Gesundheitsebene."
Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.
"Hier im Besselstraßenchor wird einigermaßen häufig gelacht. Oder?"
Meutereiversuche, welches Lied man zu Beginn des Besselstraßenfestes singen wird…
"Wir fangen mit diesem Lied an. - Ganz ungünstig!"
…werden von Gisela Tamm sozusagen im Keim erstickt…
"Ungünstig? Ist aber doch so"
…und in "Gesanges-Energie" umgeleitet. Verständlich, denn auch wenn die Chormitglieder schon ein gesetztes Alter aufweisen - von 40 bis 80 ungefähr: Chorleitung scheint immer ein wenig wie die Arbeit eine Dompteurs.
Das Grundproblem bei so einem Laienchor ist aber nicht Zähmung, sondern das Gegenteil: Etwas nämlich wieder freizulassen. Und zwar die Lust am Singen, die den meisten ausgetrieben wurde.
"Wer hat sich wieder ans Singen gewöhnen müssen, weil er entweder früher oder sonst wie als Nichtsänger beschimpft wurde? Oder von den eigenen Kindern?"
Finger gehen in die Luft. Gisela Tamm, pensionierte Lehrerin, kennt das Phänomen aus der Praxis.
"Früher war das so, dass häufig auch die Männer während der Puber-tät auch vorsingen mussten vor der Klasse für die Musik-note. Und das kam gar nicht gut."
Bei den Mitgliedern des Besselstraßenchores ist das inzwischen hörbar anders geworden.
Der Chor entstand aus einer kleinen Gesangsgruppe, die sich an Sommerabenden auf die typischen Vordertreppen der Besselstraßenhäuser setzten und sangen. Nach dem ersten Auftritt beim Straßenfest übernahm Gisela Tamm die Leitung des neu gegründeten Chores. 20 Stimmen zählte damals der Chor. Probenraum - eine Privatwohnung, er-innert sich Gründungsmitglied Gerda Frommeier.
"Dann haben wir uns den Raum einer Kindergruppe hier ganz in der Nähe gesucht; das war zum Beispiel für mich ganz praktisch, weil mein Sohn war da sehr klein, und dann ha-ben mein Mann und ich immer unseren Sohn zum Chor mit-genommen. Dann wurde er dann da hingelegt, und beim Ein-singen ist er schon eingeschlafen, und anschließend haben wir ihn ins Bett getragen und dann haben wir weiter-geschlafen."
Inzwischen ist das an die 14 Jahre her. Wenn der Besselstraßenchor alle zwei Wochen im Gemeindesaal in der Bremer Friedens-kirche probt, kommen an die 60 Sängerinnen und Sänger zu-sammen. Gründungsmitglieder wie Gerda Frommeier und Stefanie Prahl, immer noch wohnhaft in der Besselstraße, oder Rolf Achnitz, der "nur einmal ums Eck" wohnt, wie man in Bremen zu sagen pflegt.
"Ich würde sagen, es ist ein Spaß- und Freude-Chor."
"Es ist ein Lust-Chor. - Es ist kein Chor, wenn man also ... auf genaues Einhalten von Tempi, von Noten Wert legt, von Tonhöhen achtet, dann werden diejenigen, die da gut ge-schult sind, ein bisschen graue Haare kriegen. - Ab und zu gibt es mal so ein paar kleine Anfragen, aber im Grunde genommen ist unser Programm darauf ausgerichtet, dass wir zum Besselstraßenfest singen."
"Ja, das ist ja sozusagen Verpflichtung. Da kommt man ja nicht raus aus der Nummer."
"Da ist es nicht so wichtig, dass jeder Ton stimmt."
"Also ich kann gar nicht ... also, ich bilde mir zumindest ein, dass ich gar nicht so gut singen kann, ich singe eigent-lich auch nur Donnerstagabends ... also, Gerda, du singst ja mal im Auto und so, ich aber singe nur hier. Das finde ich das Erfrischende hier an diesem Chor, das ist kein Leistungsdruck, das ist für mich ganz wichtig."
Die andere Seite: Es gibt eine hohe Fluktuation. Einige - beispiels-weise Gründungsmitglied Gerda Frommeier - singen auch in anderen Bremer Chören. Solche mit höherem Anspruch; der Besselstraßenchor ist für einige so etwas wie ein Ein-steiger-Chor. Das Repertoire besteht aus Gospels, Anti-Apartheid-Songs, Popsongs und anderem Liedgut, das nicht sofort in eine Schublade passen will.
Und der Reiz des Singens im Chor? Gisela Tamm leitet noch andere Chöre und bietet einmal im Jahr in der Bretagne einen Chor-Urlaub an.
"Wenn man mit einem Chor die einzelnen Stimmen einübt, dann ist das eine harte Arbeit, aber immer - wie soll ich sagen - so ein tiefer Drang, sich auszudrücken. Einfach Dinge in sich zum Schwingen zu bringen. Und das macht jeder auto-matisch. Und wenn du dann noch in einer großen Gruppe zu-sammen bist und sozusagen den ganzen Raum ins Schwingen bringst und mit anderen zusammen schwingst, dann werden eben Urinstinkte eben angerührt für meine Vorstellungen. Und es ist ja inzwischen auch erwiesen, dass das gesund-heitsfördernd ist auf allen Ebenen. Also auf einer körperlichen Gesundheitsebene als auch auf einer psychischen Gesundheitsebene."
Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.