Den Falschen angeklagt
Der französische Offizier jüdischer Herkunft, Alfred Dreyfus, wurde auf Grund gefälschter Dokumente des Hochverrats angeklagt. Anlässlich seines 70. Todesjahres zeigt das Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ) Potsdam eine Wanderausstellung zur Dreyfus-Affäre unter dem Titel "J'Accuse...!".
Das ging ruckzuck: Eine französische Putzfrau in Diensten des französischen Geheimdienstes fand 1894 im Papierkorb der Deutschen Botschaft in Paris einen verdächtigen Zettel, die Armee erkannte, dass da jemand ihre verborgensten Geheimnisse ausplaudern wollte, guckte kurz auf die Liste ihrer Offiziere und fand einen, dem das zuzutrauen wäre: Hauptmann Alfred Dreyfus, Jude und Elsässer, also höchst verdächtig, vor allem nach dem so schmählich verlorenen deutsch-französischen Krieg von 1870/71. Ohne viel Federlesen wurde er wegen Hochverrats angeklagt und zu lebenslanger Haft auf der Teufelsinsel in Französisch-Guayana verurteilt. Dass er immer seine Unschuld betont hatte und gar nicht wusste, wie ihm geschah, störte nicht. Dass alsbald der wahre Täter, ein äußerst lebenslustiger und hoch verschuldeter Major Esterhazy, entdeckt, aber erstaunlicherweise freigesprochen wurde, setzte in Gang, was heute als "Dreyfus-Affäre" in den Geschichtsbüchern steht. Es war eine Pressekampagne sondergleichen. Elke-Vera Kotowski vom Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum:
" Die Dreyfus-Affäre war die erste Skandalgeschichte, die eben auch ganz stark auch durch die Medien gerührt, geschürt und auch letztendlich verfolgt wurde. Die ganze Sache hat über zwölf Jahre gedauert, bis wirklich die Unschuld von Dreyfus deutlich wurde, und er rehabilitiert wurde – aber immerhin zwölf Jahre seines Lebens, das darf man auch nicht vergessen, aber die Medien haben hier halt eine ganz wichtige Rolle auch gespielt – im Positiven wie im Negativen. "
Negativ war, dass die Presse weitgehend einverstanden war mit der demütigenden Behandlung des Beschuldigten. Vom Moment, als vor den angetretenen Abordnungen der Pariser Garnison sein Säbel zerbrochen wurde, gab es sogar eine Fotographie, die man in der Ausstellung sehen kann. Positiv war, dass die Presse die Versuche des Bruders des unter Südamerikas Sonne schmachtenden Hauptmanns, der Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen, nicht durchweg ablehnend gegenüber stand. Ein Dickicht von Intrigen, Lügen und Verschleierungen führte zur Spaltung der französischen Gesellschaft in Anhänger und Gegner von Dreyfus, eine Spaltung, die bis in die Familien ging, wie man auf einer zeitgenössischen Karikatur sehen kann. Frankreichs damals bekanntester Schriftsteller Emile Zola war der Erste, der nach dem skandalösen Freispruch des Majors Esterhazy seiner Empörung öffentlichkeitswirksam Luft machte: "J'Accuse! Ich klage an!" stand in Riesenlettern über seinem Brief an den Präsidenten der Dritten Republik. Das originale Zeitungsblatt bietet einen Blickfang in der Potsdamer Ausstellung.
" Mit dem Freispruch Esterhazys fühlte er sich – der im übrigen auch nicht unbedingt der Judenfreund war, aber da ging es doch an seine Ehre und die Ungerechtigkeit – und er verfasst eben diesen offenen Brief in der Zeitung, es handelt sich dabei um die Zeitung "L'Aurore" von Georges Clemenceau, dem späteren Präsidenten der Französischen Republik. Diese Zeitung hatte normal nur eine Auflage von 30.000 Exemplaren, aber Clemenceau merkt, dass hier was in der Luft liegt und veröffentlicht gleich 200.000 Exemplare, die auch innerhalb von Stunden ausverkauft waren. "
Der Tumult war groß. Der Effekt immerhin, dass es einen neuen Prozess gab. Aber es gab auch eine unerhörte Hetze gegen die, die sich für Dreyfus aussprachen. Zola wurde als Schwein dargestellt, das mit dem Kot aus einem Nachttopf die Republik besudelt. Andererseits entstand ein Würfelspiel, bei dem man sich Spielfeld für Spielfeld der Wahrheit nähern konnte. Später wurden Filme gedreht, Bücher und Theaterstücke geschrieben, und auf Hamburgs Vergnügungsmeile auf Sankt Pauli gab es eine flotte Revue, die mit den immer neuen Wendungen der Geschichte wacker mithielt. Die Grundlage für diese äußerst lehrreiche Ausstellung von raren Originaldokumenten und einigen wenigen anderen Exponaten – wie zum Beispiel einer französischen Hauptmannsuniform samt Degen – legte Lorraine Beitler. Sie ist Erziehungswissenschaftlerin und sammelt seit vielen Jahren alles, was im Zusammenhang mit der Dreyfus-Affäre interessant ist.
Elke-Vera Kotowski: " Sie hat halt versucht, eben gerade beispielhaft mit dieser Dreyfus-Affäre auch deutlich zu machen, wie wichtig es ist für jedermann und jede Frau, sich einzusetzen, nicht wegzuschauen. Jeder Einzelne kann auch was tun, und nur, indem wir gemeinsam diese Zivilcourage auch ausüben, können wir auch die Gesellschaft verändern und können eben diese negativen Strömungen der Fremdenfeindlichkeit, des negativen Umgangs mit Minderheiten in einer Gesellschaft dem entgegenkommen. "
Elke-Vera Kotowski hat mit ihrer Seminargruppe vom Moses Mendelssohn Zentrum einen pädagogischen Leitfaden entwickelt, der Lehrern und Schülern die Vorbereitung erleichtert. Er ist im Internet zu finden: www.mmz-potsdam.de. Außerdem gibt es einen Wettbewerb, bei dem es um die Verarbeitung des Ausstellungsbesuchs in Text und Bild geht. Stichworte sind die Menschenrechte und Zivilcourage. Das sind die Themen, die Lorraine Beitler auch bei ihren amerikanischen Schülern anspricht. Diese Schüler sind Angehörige der militärischen Eliteakademien.
" Ihr ist es eben auch wichtig, dass einerseits die Historie nicht vergessen wird, aber dass wir wachsam sind für Ungerechtigkeiten und eben auch die Frage von Genoziden, die wir im Holocaust, aber auch heute noch haben, wenn wir an die Armenienfrage denken, wenn wir auch Srebrenica uns wieder vor Augen halten, es ist noch nicht zu Ende."
" Die Dreyfus-Affäre war die erste Skandalgeschichte, die eben auch ganz stark auch durch die Medien gerührt, geschürt und auch letztendlich verfolgt wurde. Die ganze Sache hat über zwölf Jahre gedauert, bis wirklich die Unschuld von Dreyfus deutlich wurde, und er rehabilitiert wurde – aber immerhin zwölf Jahre seines Lebens, das darf man auch nicht vergessen, aber die Medien haben hier halt eine ganz wichtige Rolle auch gespielt – im Positiven wie im Negativen. "
Negativ war, dass die Presse weitgehend einverstanden war mit der demütigenden Behandlung des Beschuldigten. Vom Moment, als vor den angetretenen Abordnungen der Pariser Garnison sein Säbel zerbrochen wurde, gab es sogar eine Fotographie, die man in der Ausstellung sehen kann. Positiv war, dass die Presse die Versuche des Bruders des unter Südamerikas Sonne schmachtenden Hauptmanns, der Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen, nicht durchweg ablehnend gegenüber stand. Ein Dickicht von Intrigen, Lügen und Verschleierungen führte zur Spaltung der französischen Gesellschaft in Anhänger und Gegner von Dreyfus, eine Spaltung, die bis in die Familien ging, wie man auf einer zeitgenössischen Karikatur sehen kann. Frankreichs damals bekanntester Schriftsteller Emile Zola war der Erste, der nach dem skandalösen Freispruch des Majors Esterhazy seiner Empörung öffentlichkeitswirksam Luft machte: "J'Accuse! Ich klage an!" stand in Riesenlettern über seinem Brief an den Präsidenten der Dritten Republik. Das originale Zeitungsblatt bietet einen Blickfang in der Potsdamer Ausstellung.
" Mit dem Freispruch Esterhazys fühlte er sich – der im übrigen auch nicht unbedingt der Judenfreund war, aber da ging es doch an seine Ehre und die Ungerechtigkeit – und er verfasst eben diesen offenen Brief in der Zeitung, es handelt sich dabei um die Zeitung "L'Aurore" von Georges Clemenceau, dem späteren Präsidenten der Französischen Republik. Diese Zeitung hatte normal nur eine Auflage von 30.000 Exemplaren, aber Clemenceau merkt, dass hier was in der Luft liegt und veröffentlicht gleich 200.000 Exemplare, die auch innerhalb von Stunden ausverkauft waren. "
Der Tumult war groß. Der Effekt immerhin, dass es einen neuen Prozess gab. Aber es gab auch eine unerhörte Hetze gegen die, die sich für Dreyfus aussprachen. Zola wurde als Schwein dargestellt, das mit dem Kot aus einem Nachttopf die Republik besudelt. Andererseits entstand ein Würfelspiel, bei dem man sich Spielfeld für Spielfeld der Wahrheit nähern konnte. Später wurden Filme gedreht, Bücher und Theaterstücke geschrieben, und auf Hamburgs Vergnügungsmeile auf Sankt Pauli gab es eine flotte Revue, die mit den immer neuen Wendungen der Geschichte wacker mithielt. Die Grundlage für diese äußerst lehrreiche Ausstellung von raren Originaldokumenten und einigen wenigen anderen Exponaten – wie zum Beispiel einer französischen Hauptmannsuniform samt Degen – legte Lorraine Beitler. Sie ist Erziehungswissenschaftlerin und sammelt seit vielen Jahren alles, was im Zusammenhang mit der Dreyfus-Affäre interessant ist.
Elke-Vera Kotowski: " Sie hat halt versucht, eben gerade beispielhaft mit dieser Dreyfus-Affäre auch deutlich zu machen, wie wichtig es ist für jedermann und jede Frau, sich einzusetzen, nicht wegzuschauen. Jeder Einzelne kann auch was tun, und nur, indem wir gemeinsam diese Zivilcourage auch ausüben, können wir auch die Gesellschaft verändern und können eben diese negativen Strömungen der Fremdenfeindlichkeit, des negativen Umgangs mit Minderheiten in einer Gesellschaft dem entgegenkommen. "
Elke-Vera Kotowski hat mit ihrer Seminargruppe vom Moses Mendelssohn Zentrum einen pädagogischen Leitfaden entwickelt, der Lehrern und Schülern die Vorbereitung erleichtert. Er ist im Internet zu finden: www.mmz-potsdam.de. Außerdem gibt es einen Wettbewerb, bei dem es um die Verarbeitung des Ausstellungsbesuchs in Text und Bild geht. Stichworte sind die Menschenrechte und Zivilcourage. Das sind die Themen, die Lorraine Beitler auch bei ihren amerikanischen Schülern anspricht. Diese Schüler sind Angehörige der militärischen Eliteakademien.
" Ihr ist es eben auch wichtig, dass einerseits die Historie nicht vergessen wird, aber dass wir wachsam sind für Ungerechtigkeiten und eben auch die Frage von Genoziden, die wir im Holocaust, aber auch heute noch haben, wenn wir an die Armenienfrage denken, wenn wir auch Srebrenica uns wieder vor Augen halten, es ist noch nicht zu Ende."