Demos gegen die Götter
Die Griechen und Römer hatten kein besonders inniges Verhältnis zu ihren Göttern, eher ein sehr kalkulierendes: Es musste nicht ständig gebetet werden, sondern es kam darauf an, wem man welche Opfer darbrachte. Wurden diese nicht angenommen, kam es auch schon mal zu gewalttätigen Protesten, wie Paul Veyne in seiner äußerst lesenswerten Darstellung "Die griechisch-römische Religion" schildert.
Paul Veyne, geboren 1930 in Aix-en-Provence, ist nach dem Tod des greisen Jean-Pierre Vernant vor einem Jahr der wohl bekannteste Althistoriker Frankreichs, ein brillanter Einzelgänger - so sieht er sich selbst gern. Man könnte ihn auch fast einen Erzähler nennen, und zwar, wie die Pariser Zeitung "Le Monde" sinngemäß schrieb, wegen der Eleganz seines Stils, der Raffinesse seiner Wortwahl und der Kühnheit seiner Bilder.
Veyne stellt gern scheinbar naive, aber grundlegende Fragen, zum Beispiel ob die alten Römer eigentlich ihre Götter geliebt haben wie später die Christen ihren Gott. Schon vor etwa zehn Jahren hat sich Veyne das gefragt, und er möchte es gern bejahen, aber im Grunde sagt sein Buch jetzt etwas anderes. Griechen und Römer hatten ein eher nüchternes Verhältnis zu ihren Göttern, denen wiederum der Lebenswandel der Sterblichen herzlich gleichgültig war. Sie waren auch nicht unbedingt besser oder gerechter, und, ganz wichtig: Sie waren keine Schöpfer, sie hatten weder die Welt noch die Menschen erschaffen. Beide besiedelten sie dieselbe Erde, mit dem Unterschied, dass die Götter unsterblich waren. Und mächtiger.
Deshalb betete man sie auch an. Aber auch hier war eher Nüchternheit angesagt. Die antike Frömmigkeit bestand darin, dass man die Überlegenheit der Götter in Wort und Tat anerkannte. An die Unsterblichkeit der Seele haben die Römer wenig gedacht, ihre Beziehung zu den Göttern war "die eines Käufers zu einem mehr oder minder zuverlässigen Lieferanten", sagt Veyne. Erkannte der Gott das Opfer an, war alles gut. Wenn nicht, konnte es durchaus zu militanten Protesten kommen, bei denen Tempel attackiert und Altäre umgestürzt wurden. In einem Privatbrief stand der drohende Satz: "Die Götter haben mich nicht verschont, aber ich werde sie auch nicht verschonen."
Nein, es gab keine bedingungslose Liebe zu den Göttern, aber auch keinen liebenden Gott. Es gab keinen innigen Dialog wie bei den Christen in den Psalmen oder bei den Mystikern. Die Römer praktizierten ihre Religion einfach, sie mussten sie auch nicht dauernd bekennen, bei ihnen gab's kalkulierte Opfer, keine flehentlichen Gebete.
Die leidenschaftlichere Beziehung zwischen Gläubigen und Gottheit mag auch ein Grund für den Erfolg des Christentums gewesen sein, das für alle galt. Plötzlich war da ein Wertesystem, die Moral war nicht mehr nur schmückendes Beiwerk, sondern umfasste das ganze Leben (obwohl sich das Christentum erst mit dem Übertritt des römischen Kaisers Konstantin 313 wirklich durchsetzen konnte).
Das Buch ist ein Auszug aus dem 900 Seiten dicken Band "L'Empire gréco-romain" (Das griechisch-römische Reich), 2005 bei Seuil in Paris erschienen. Mit dem Titel möchte Veyne darauf hinweisen, dass auch in Zeiten des römischen Weltreichs im östlichen Mittelmeer bis in den Nahen Osten Griechisch gesprochen wurde und dass die Kultur Roms aus der Einverleibung der griechischen Zivilisation entstanden ist, einer Zivilisation, die von Afghanistan bis Marokko reichte. Ganz grob kann man also sagen: Römisch ist die Macht und griechisch die Kultur.
Rezensiert von Peter Urban-Halle
Paul Veyne: Die griechisch-römische Religion. Kult, Frömmigkeit und Moral
Aus dem Französischen von Ursula Blank-Sangmeister.
Reclam Verlag, Stuttgart 2008.
198 Seiten, 19,90 Euro.
Veyne stellt gern scheinbar naive, aber grundlegende Fragen, zum Beispiel ob die alten Römer eigentlich ihre Götter geliebt haben wie später die Christen ihren Gott. Schon vor etwa zehn Jahren hat sich Veyne das gefragt, und er möchte es gern bejahen, aber im Grunde sagt sein Buch jetzt etwas anderes. Griechen und Römer hatten ein eher nüchternes Verhältnis zu ihren Göttern, denen wiederum der Lebenswandel der Sterblichen herzlich gleichgültig war. Sie waren auch nicht unbedingt besser oder gerechter, und, ganz wichtig: Sie waren keine Schöpfer, sie hatten weder die Welt noch die Menschen erschaffen. Beide besiedelten sie dieselbe Erde, mit dem Unterschied, dass die Götter unsterblich waren. Und mächtiger.
Deshalb betete man sie auch an. Aber auch hier war eher Nüchternheit angesagt. Die antike Frömmigkeit bestand darin, dass man die Überlegenheit der Götter in Wort und Tat anerkannte. An die Unsterblichkeit der Seele haben die Römer wenig gedacht, ihre Beziehung zu den Göttern war "die eines Käufers zu einem mehr oder minder zuverlässigen Lieferanten", sagt Veyne. Erkannte der Gott das Opfer an, war alles gut. Wenn nicht, konnte es durchaus zu militanten Protesten kommen, bei denen Tempel attackiert und Altäre umgestürzt wurden. In einem Privatbrief stand der drohende Satz: "Die Götter haben mich nicht verschont, aber ich werde sie auch nicht verschonen."
Nein, es gab keine bedingungslose Liebe zu den Göttern, aber auch keinen liebenden Gott. Es gab keinen innigen Dialog wie bei den Christen in den Psalmen oder bei den Mystikern. Die Römer praktizierten ihre Religion einfach, sie mussten sie auch nicht dauernd bekennen, bei ihnen gab's kalkulierte Opfer, keine flehentlichen Gebete.
Die leidenschaftlichere Beziehung zwischen Gläubigen und Gottheit mag auch ein Grund für den Erfolg des Christentums gewesen sein, das für alle galt. Plötzlich war da ein Wertesystem, die Moral war nicht mehr nur schmückendes Beiwerk, sondern umfasste das ganze Leben (obwohl sich das Christentum erst mit dem Übertritt des römischen Kaisers Konstantin 313 wirklich durchsetzen konnte).
Das Buch ist ein Auszug aus dem 900 Seiten dicken Band "L'Empire gréco-romain" (Das griechisch-römische Reich), 2005 bei Seuil in Paris erschienen. Mit dem Titel möchte Veyne darauf hinweisen, dass auch in Zeiten des römischen Weltreichs im östlichen Mittelmeer bis in den Nahen Osten Griechisch gesprochen wurde und dass die Kultur Roms aus der Einverleibung der griechischen Zivilisation entstanden ist, einer Zivilisation, die von Afghanistan bis Marokko reichte. Ganz grob kann man also sagen: Römisch ist die Macht und griechisch die Kultur.
Rezensiert von Peter Urban-Halle
Paul Veyne: Die griechisch-römische Religion. Kult, Frömmigkeit und Moral
Aus dem Französischen von Ursula Blank-Sangmeister.
Reclam Verlag, Stuttgart 2008.
198 Seiten, 19,90 Euro.