Demokratie

Türöffner und Strippenzieher

Lobby Control
Demonstration von Lobby Control vor dem Bundestag © dpa / picture alliance / Soeren Stache
Von Katharina Hamberger und Stefan Maas · 17.04.2014
Korruption ist kriminell, Interessenvertretung ganz legal - und oft viel subtiler. Mehr als 5000 Lobbyisten von Firmen und Verbänden arbeiten in der Hauptstadt und knüpfen ihre Netzwerke. Streng genug kontrolliert werden sie noch nicht.
"Herzlich Willkommen auf der Lobby Control Stadtführung. Mein Name ist Christoph. Ich werde diese Stadtführung heute leiten zusammen mit meinem Kollegen Arne."
Es ist einer der schönen Sonnentage in Berlin. Vor dem Bahnhof Friedrichstraße hat sich eine kleine Gruppe Menschen versammelt – im Alter ungefähr zwischen 25 und 65 Jahren, Männer und Frauen, Pärchen und kleine Gruppen –, um die Stadtführung der Organisation Lobby Control mitzumachen.
Die meisten Interessenvertreter arbeiten in unmittelbarer Nähe des Reichstagsgebäudes und der Abgeordnetenhäuser in Berlin Mitte zwischen Friedrichstraße, der Straße Unter den Linden und dem Brandenburger Tor. Lobbyismus verbinden viele mit Hinterzimmern und Gemauschel.
"Seit es Politik gibt, seit zwei-, dreitausend Jahren gibt es Politikberater. Einflüsterer genannt oder wie auch immer."
Dr. Rudolph Speth, Politikwissenschaftler an der Universität Kassel. Lobbyismus ziele aber direkter darauf, Politiker zu beeinflussen, um eigene Interessen durchzusetzen. Der Begriff hinterlässt immer einen schalen Nachgeschmack – Lobbyismus, das klingt nach internationalen Konzernen mit viel Geld, die sich ihre Gesetze erkaufen, wie sie sie brauchen. Öllobby, Autolobby, Atomlobby, Tabaklobby. Aber ganz so dramatisch ist es nicht – das sieht auch Lobby Control ähnlich:
"Dass diese Interessensgruppen versuchen, Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen, ist erst mal nicht verwerflich. Das ist vielmehr eine grundlegend wichtige Funktion unserer Demokratie, dass das möglich ist, seine Interessen im politischen Prozess einzubringen. Und genau aus diesem Grund ist Lobbyismus auch nicht verboten. Verboten ist nur die Bestechung von Politikern."
Christoph führt die Gruppe in die Akademie der Künste am Pariser Platz. Es geht einmal quer durchs ganze Gebäude. Er bleibt vor zwei Aufzügen stehen. Vor einem liegt ein roter Teppich. Darüber ein edles Logo. Zwei Berliner Bären in asiatisch angehauchtem Design halten ein Wappen mit einem chinesischen Turm. Darunter chinesische Schriftzeichen.
Besonderer Treffpunkt für einen exklusiven Kreis
"Ja, hier sind wir beim Aufgang zum China Club. Der China Club ist ein Business und Social Club; im Jahr 2003 gegründet von der Immobilienunternehmerfamilie Jagdfeld. War schon mal jemand hier drin?"
... fragt Christoph. Kopfschütteln bei der Gruppe. Das ist auch kein Wunder. Denn in den China Club darf nicht jeder. Auf der Homepage heißt es: "Unmittelbar neben dem Hotel Adlon verfügt ein exklusiver Kreis ausgesuchter Mitglieder über einen ganz besonderen Treffpunkt mit Blick auf den Reichstag und den Pariser Platz." 10.000 Euro soll allein die Aufnahmegebühr kosten. Für Lobbyisten ein interessanter Ort, erzählt Christoph:
"Natürlich ist es zum einen so, dass man schon ein bisschen aus dieser Masse von 5.000 Lobbyisten heraussticht, wenn man sagt, ich bin im China Club Mitglied, sollen wir uns mal zum Abendessen da treffen. Zum anderen ist es natürlich sehr praktisch, weil was da drin besprochen wird, bleibt auch da drin."
Der China Club zeige zum einen, sagt Christoph, wie ausschlaggebend Geld sein kann. Da gebe es ein Ungleichgewicht. Denn mehr Geld bedeute oft eben auch mehr Einfluss.
"Und zum anderen dieses Gemauschel im Dunkel. Dass Lobbyismus eben am besten abseits der Öffentlichkeit funktioniert."
Ein anderer dieser Orte, an denen sich trifft, wer etwas miteinander zu besprechen hat, ist das Café Einstein. An der Ecke Unter den Linden und Glinkastraße. Nicht so exklusiv wie der China-Club, aber eine Institution im Berliner Politikbetrieb. Von weitem erkennbar an den goldenen Buchstaben auf dunkelrotem Grund.
Dirk Pangritz: "Also mit Geheimtreffen kann ich überhaupt nicht dienen. Die finden nun tatsächlich überhaupt nicht statt. Im Gegenteil, wir sitzen so auf dem Präsentierteller."
Es wäre ein Leichtes für Dirk Pangritz, seinen Gast im "Einstein" zu empfangen. Denn sein Büro liegt genau über dem Café. Dort, im ersten Stock hat der DZV seinen Sitz. Der Deutsche Zigarettenverband. Der studierte Chemiker ist hier Geschäftsführer.
Dirk Pangritz: "Jeder Lobbyist träumt natürlich davon, dass seine Ideen, seine Informationen direkten Eingang finden in Positionspapiere der Parteien, der Regierung. Vielleicht sogar in Gesetze. Vielleicht sogar in ein Koalitionspapier. Diese Hoffnung, diese Träume muss jeder haben, weil das ist letztendlich der Anstoß, der Antrieb für die eigene Tätigkeit. Wie weit das immer realisiert werden kann, das ist natürlich fraglich. Und häufig ist es dann auch schon ausreichend, wenn man kleine Elemente davon nachher wiederfindet."
Der Mittsechziger trägt an diesem Nachmittag Jeans und ein blauweiß-kariertes Hemd mit kurzen Ärmeln. Während des Interviews am großen hölzernen Konferenztisch steht zwar ein Feuerzeug vor Pangritz, doch der Raum riecht nicht so, als habe hier kürzlich jemand geraucht. Nur einmal kommt ein Päckchen Zigaretten auf den Tisch. Ungeöffnet. Darauf zu sehen: links eine gesunde, helle - rechts eine Raucherlunge, bräunlichschwarz und teerverklebt. Es ist deutlich zu erkennen: Der oberste Interessenvertreter des Zigarettenverbandes ärgert sich darüber:
"Im allgemeinen Sprachgebrauch heißt das: Schockbilder."
Und was hat der Verband getan, um die Europäische Tabakrichtlinie zu verhindern, die dafür sorgen soll, dass künftig weniger Menschen rauchen? Dass ab 2016 mindestens 65 Prozent der Packung mit Warnhinweisen und Schockbildern bedeckt sein müssen? Die Richtlinie, die ab 2020 das Verbot von Menthol-Zigaretten vorsieht. Und das Ende von aromatisierten Zigaretten und den Begriffen "Mild" und "light"?
Dirk Pangritz: "Also da kann ich durchaus sagen, dass wir monatlich doch unsere vier, fünf, sechs, sieben Treffen hatten, die dort zu einem Informationsaustausch führten."
Informationsaustausch? Und was noch, wird mancher sich jetzt fragen. Nichts weiter, sagt der Tabaklobbyist:
"Wir können immer nur mit Informationen dienen. Und wir müssen darauf hoffen, dass die Informationen so verarbeitet werden, so umgesetzt werden, dass sie unseren Wünschen, unseren Zielen gerecht werden. Druckmittel haben wir in keiner Form."
Unterstützer für politische Anliegen finden
Bei Politikberatung und Interessenvertretung geht es auch darum, dass diejenigen, die von einem Gesetz betroffen sind, den Politikern mögliche Konsequenzen ihres Handelns aufzeigen, sagt Sergius Seebohm. Er ist stellvertretender Vorsitzender der degepol, der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung. Im Hauptberuf ist Seebohm für change.org tätig. Eine Nichtregierungsorganisation. Eine Internetplattform, die Menschen hilft, Unterstützer für ihre politischen Anliegen zu finden: sei es den Kampf um die Zukunft der Hebammen, sei es für das mittlerweile erfolgreiche Projekt, dass eine deutsche Messegesellschaft eine Tabakmesse in Indonesien absagt.
Sergius Seebohm: "Es ist auch nicht so, dass NGOs, Kirchen, Gewerkschaften gar keine eigenen Interessen hätten. Das muss man fairerweise auch sagen. Auf der anderen Seite ist es auch so, ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in Deutschland glücklich wären, wenn Industriepolitik ohne die Perspektive der deutschen Industrie gemacht wird. Also jeder würde doch sagen, gut, das macht schon Sinn, sich anzuhören, was die wollen. Und es ist auch nicht immer alles von vorneherein falsch, was die vorschlagen."
Interessenvertretung, sagt der Politikwissenschaftler Rudolph Speht, habe es auch in Bonn zuhauf gegeben. Nur sei sie da noch etwas anders organisiert gewesen. Damals waren es vor allem Verbände, die eine ganze Branche vertraten:
"Wenn man heute Verbände fragt, also gerade im Sozialbereich, würden die Verbände sagen: Naja gut, bei den Gesetzen, die haben wir alle damals selbst geschrieben."
Dafür hätten die Verbände, deren Mitgliederzahlen und Einfluss noch enorm hoch waren, auch dafür gesorgt, dass sich ihre Mitglieder, also die Bürger, an die aufgestellten Regeln hielten:
"Weil das Teil der Abmachung war. Ihr dürft mitmachen bei der Gesetzgebung, wenn ihr auch bei der Umsetzung der Gesetze mitmacht."
Auch seien viele Bundestagsabgeordnete aus den Verbänden gekommen. Das habe zu einer Nähe zwischen den Parteien und den Verbänden und Gewerkschaften geführt, die heute so nicht mehr existiere. Mit dem Wechsel von Bonn nach Berlin hätte sich auch die Abgeordnetenstruktur verändert. Viele Mitglieder des Bundestages arbeiteten schon früh an professionellen Politikerkarrieren. Per Studium. Viel weniger Abgeordnete als früher hätten die Ochsentour durch Lokalpolitik und Verbände hinter sich. Das habe aber auch zu einer Professionalisierung der Politik geführt.
Lobby Control: "Jetzt wechseln wir ein bisschen die Perspektive. Davor haben wir uns ganz viel mit den Lobbyisten beschäftigt. Jetzt ein bisschen mit den Zielen der Lobbyisten. Das sind neben den Ministerialbeamten vor allem Abgeordnete. In diesem Fall des Bundestages."
... erklärt Arne, der zweite Stadtführer von Lobby Control. Die Gruppe steht vor einem grauen Bau. Arne deutet ein Stück die Straße runter. Dort erhebt sich links und rechts der Dorotheenstraße, die weiterführt Richtung Reichstagsgebäude ein moderner Bau mit viel Glas, Beton und ein bisschen Holz.
Arne: "Wir sind hier vor einem Verwaltungsgebäude. Aber dort ist das Jakob-Kaiser-Haus. Das ist der größte Parlamentsneubau hier im Regierungsviertel. Etwa 60 Prozent der Abgeordneten haben hier ihre Büros."
Auch Michael Hartmann, der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Er blickt auf einen der grünen Innenhöfe. Leider scheine hier die Sonne nie direkt rein, sagt der 50-Jährige, der seit 2002 im Bundestag sitzt. Hinter seinem dunklen Schreibtisch steht ein Halter mit Pfeifen. Das Sakko hat er abgelegt, bevor er in einem der schwarzen Lederstühle Platz nimmt. Das Thema Lobbyismus und Beeinflussung von Abgeordneten beschäftigt den Mainzer Abgeordneten seit vielen Jahren. Per se empfindet er Lobbyismus aber nicht als etwas Schlechtes:
"Lobbyismus gehört dazu. Jeder von uns handelt intentional. Es ist bereits jeder Lobbyist seines Wahlkreises. Und natürlich gehört es zu einer ausdifferenzierten Gesellschaft, dass die verschiedensten Interessen sich äußern, wahrgenommen werden. Aber wahrnehmen heißt nicht Wünsche erfüllen."
Als Druck empfindet Hartmann es nicht, dass er Briefe und Einladungen zu parlamentarischen Abenden oder Besuch von Lobbyisten bekommt – Input von außen ist aus Sicht des Innenpolitikers sogar manchmal hilfreich. Aber nicht alle Abgeordneten gehen, so empfindet es zumindest Hartmann, gleich mit dem Thema Lobbyismus um:
"Es gibt vier Kategorien: manche interessiert das gar nicht. Wieder andere halten das für einen Popanz, der aufgebaut wird, ein Problem hochgeredet. Wieder andere sagen, die können kommen, wie sie wollen, ich entscheide das als frei gewählter Abgeordneter, wie nahe die mir tatsächlich kommen. Und dann gibt es eine Gruppe, die aber nicht klein ist, die sagt: Alleine um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, manipuliert zu sein, müssen wir für Transparenz sorgen."
Die gesetzlichen Regelungen könnten deshalb aus der Sicht von Hartmann noch weitergehend sein:
"Wir haben die Abgeordnetenbestechung jetzt neu geregelt – endlich. Wir werden bei den Externen in den Ministerien strenger werden. Und es muss, ich finde im Sinne einer Selbstverpflichtung auch so etwas für Abkühlregeln für ausgeschiedene Politiker geben. Wer in einem Bereich war, der dann später auch Teil seiner neuen Berufstätigkeit in der gewerblichen Wirtschaft wird, der soll nicht eins zu eins wechseln können, sondern sich erst mal Zeit lassen, bevor er sein ganzes Fachwissen mitnimmt und woanders hingeht."
Vieles davon deckt sich mit den Forderungen von Lobby Control. Zum Beispiel die nach der Karenzzeit für ausscheidende Top-Politiker – die manchmal schneller, als man Bundestagswahl sagen kann, nach dem Ende der Legislaturperiode in die Wirtschaft wechseln. Drehtüreffekt oder Seitenwechsel wird das genannt. Aktueller Fall: Der ehemalige Kanzleramtschef Ronald Pofalla, dessen geplanter Wechsel zur Bahn für Wirbel gesorgt hat. Lobby Control fordert deshalb für Top-Politiker eine Abkühlzeit von drei Jahren.
"Es wird ein großes Zerrbild gezeichnet"
Manche Abgeordnete sehen hingegen keinen Handlungsbedarf bei dem gesetzlichen Rahmen für Lobbyismus. So empfindet es Bernhard Kaster, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion als nicht ganz so dramatisch. Bevor er sich an den Tisch in seinem Büro setzt, zieht er sein Sakko an. Neben seinem Schreibtisch stehen in einem Ständer eine Europa- und eine Deutschlandfahne, mannshoch, wie man sie von Staatsempfängen kennt. Im Regal hat der CDU-Politiker aus Trier ein Bild von Helmut Kohl mit einer Widmung:
"Also ich möchte mal sagen, dass bei dem Thema Lobbyismus und wie es sich auch abspielt, doch in der letzten Zeit ein großes Zerrbild gezeichnet wird."
Tatsache ist jedoch: Es gibt diese Beispiele aus der Politik, die sich in einem Graubereich bewegen. 2010 holte sich der damalige Gesundheitsminister Philipp Rösler, FDP, einen einflussreichen Lobbyisten in sein Ministerium: Christian Weber wechselte direkt vom Stuhl des stellvertretenden Direktors des Verbandes der privaten Krankenversicherung, PKV, auf den Posten eines Abteilungsleiters im Gesundheitsministerium. Eine Stelle, die direkt mit der Erarbeitung einer Gesundheitsreform zu tun hatte.
Anderes Beispiel – selbes Ministerium. Dort war ein Mitarbeiter beschäftigt, der vom Verband der Ersatzkrankenkassen sozusagen ausgeliehen worden war - das ist für einen bestimmten Zeitraum erlaubt und nicht unüblich in Ministerien, um einen, wie es heißt, Wissenstransfer, zu ermöglichen. 2011 soll dieser sogenannte "Leihbeamte" an einem Entwurf des Versorgungsgesetzes mitgearbeitet haben. Laut einer Verwaltungsvorschrift zur Beschäftigung externer Mitarbeiter in Ministerien, die es seit 2008 gibt, ist das wiederum nicht erlaubt.
Nichtsdestotrotz, Kaster sagt, er vertraue auf die Integrität der Abgeordneten:
"Aber auch will ich sagen, dass die Fraktionen, aber vor allem der einzelnen Abgeordnete schon weiß damit umzugehen. Man weiß, wer der Gesprächspartner ist. Man weiß, mit wem man sich unterhält. Es ist meistens so, wenn ein Gesetzgebungsverfahren ansteht, dass Interessensvertreter verschiedener Interessen aufeinandertreffen und das Gespräch suchen."
Bernhard Kaster (CDU)
Bernhard Kaster (CDU)© dpa / picture alliance / Thomas Frey
Kaster selbst ist, wie viele Abgeordnete auch, nicht nur Mitglied des Bundestages. Unter anderem ist er Mitglied im Präsidium des deutschen Städte- und Gemeindebundes. Als Interessenskonflikt empfindet er das nicht:
"Man kann mich auch bösartigerweise als Lobbyist der Kommunen bezeichnen, aber das ist auch eine Aufgabenstellung die ich sehe. Oder wenn jemand aus einem Wahlkreis kommt, in dem eine bestimmte Industriebranche eine große Rolle spielt, dann hat er natürlich auch Gespräche mit Vertretern einer bestimmten Branche, wenn beispielsweise Gesetzesänderungen vorgesehen sind. Das ist auch die Aufgabe eines Abgeordneten."
Wie viele Lobbyisten tatsächlich in Berlin aktiv sind, darüber gibt es keine belastbaren Zahlen. Lobby Control geht von rund 5.000 Interessensvertretern aus. Warum die Zahl so schwer zu fassen ist, erklärt Christoph von Lobby Control bei der Stadtführung. Die Gruppe ist mittlerweile in der Vertretung der Europäischen Kommission am Pariser Platz angekommen:
"Es gibt von Lobby Control schon sehr lange die Forderung, dass es unbedingt ein verpflichtendes Register braucht in Deutschland, in dem sich die Lobbyisten eben mit Namen eintragen, ähnliche Angaben machen, wie in dem Register in den USA. Es gibt seit langem aber auch schon den vehementen politischen Widerstand gegen dieses Register. Vor allem die Unionsfraktion und die FDP haben sich stark dagegen gesträubt. Und es gab in der Regel immer zwei Argumente, warum das keinen Sinn macht. Das erste Argument war: So etwas haben wir schon und das zweite Argument war: Da ist ein bürokratisches Monster."
Natürlich sei es ein bürokratischer Aufwand, sagt Christoph, aber das Beispiel USA zeige, dass es umzusetzen sei. Und dass es schon ein solches Register gebe, sei gezielte Desinformation. Denn die Liste, die momentan existiere, sei ein reines Adressbuch der Verbände und Unternehmen, sagt der Lobby Control-Guide. Diese "Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertretern", wie sie heißt, ist für jeden öffentlich einsehbar. Der Eintrag ist freiwillig.
Auf der aktuellen Liste, Stand 7. März 2014, sind 2.149 Verbände verzeichnet. Bundestagsausweise für Interessensvertreter wurden im vergangenen Jahr laut Bundestagsverwaltung 2.040 ausgegeben. Im Jahr 2011 waren es noch 2.700.
Ausweis gibt keine Auskunft über Lobbytätigkeiten
Dass die Zahl gesunken ist, liegt vor allem daran, dass die Vergabepraxis für Ausweise geändert wurde. Mittlerweile muss ein Interessenvertreter sich dafür die Unterschrift eines parlamentarischen Geschäftsführers einer Fraktion besorgen. Aber die Ausweise oder die Verbände-Liste allein geben noch keine Auskunft über Lobbytätigkeiten. Das sei in den USA anders geregelt, erzählt Lobby Control-Guide Christoph:
"Da gibt es seit Mitte der 90er-Jahre ein Gesetz, das Lobbyisten dazu verpflichtet, sich zu registrieren und einmal pro Quartal einen kurzen Bericht, das ist ein Formular, auszufüllen, zu den Lobbyaktivitäten. Da steht drin für wen man Lobbyarbeit macht, wieviel Geld man damit verdient, wieviel Geld man dafür ausgibt, in welchen Bereichen man Lobbyismus betreibt. Es gibt abschreckende Sanktionen, also hohe Geldbußen, wenn man da falsche Angeben macht, oder keine Angaben macht."
Für Deutschland wäre aus Sicht von SPD-Mann Michael Hartmann ein Register nach Vorbild der Vereinigten Staaten durchaus sinnvoll:
"Ich bin unbedingt dafür, ein Lobbyisten-Register einzuführen, weil das diese Untugend stoppt, dass getarnte Verbände hier sind."
Wer sauber arbeite, sollte, so Hartmann, kein Problem damit haben, sich zu registrieren. Dazu gibt es aber auch andere Ansichten. Unions-Politiker Kaster hält nichts von einem Lobbyregister. Er verweist auf die Liste, die es schon gibt:
"Ich sage Ihnen aber ganz offen, für den einzelnen Abgeordneten spielt es gar keine Rolle. Der einzelne Abgeordnete entscheidet ganz souverän, wer sein Gesprächspartner ist. Und was man da teilweise an formalisierten Vorschlägen macht, geht vollkommen an der Wirklichkeit vorbei."
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