Demokratie in der Kirche
"Die Kirche ist keine Demokratie!" Diesen Satz bekommen manchmal diejenigen zu hören, die sich für Reformen in der Katholischen Kirche einsetzen, etwa für die stärkere Beteiligung der Gemeinden an innerkirchlichen Entscheidungen.
Damit soll die quasi natürliche Gegebenheit der hierarchischen Struktur der Kirche eingeschärft werden, die wie die Kirche als Ganze gottgewollt und damit prinzipiell unveränderlich sei.
Doch die Kirche ist entsprechend dem Kirchenverständnis des II. Vatikanischen Konzils nicht nur eine hierarchische, sondern auch synodale Gemeinschaft. Die hierarchische Verfasstheit hebt zudem weniger auf den Unterschied zwischen Klerus und Laien ab, sondern auf den Dienst des Amtes an der Einheit der Gemeinschaft "Kirche" – eine Einheit, die gerade Differenz und Vielheit einschließt. Kraft der Gabe des Geistes sind alle Getauften prinzipiell gleich. Das ist die Legitimationsbasis synodaler Strukturen auch in der katholischen Kirche.
Wenn die Kirche in ihrem Grund zwar nicht "von" der Welt ist, so ist sie doch in ihrer realen Gestalt mitten "in" der Welt und somit zweifelsohne historisch geworden. Die Kirche ist also in ihrer realen Gestalt unbeschadet ihres Grundes im Zeugnis Jesu eine von Menschen gemachte Institution. Genau das entspricht ja dem Gedanken der Menschwerdung Gottes: Wie sich Gott ganz zum Teil der Geschichte gemacht hat, so ist auch die Kirche als Ausdruck und Gestalt der Gegenwart Gottes und seiner Heilszusage in der Geschichte "inkarniert".
Es stellt sich dann aber die Frage, ob sich in der Kirche als Teil demokratischer Gesellschaften nicht auch das Demokratieprinzip verstärkt widerspiegeln muss. Und das auch deshalb, weil die Demokratie der Überzeugung von der Würde und der Gleichheit jeder einzelnen Person und der ihr zukommenden unveräußerlichen Rechte entspricht, die auch das christliche Verständnis des Menschen ausmacht.
Das tut dem besonderen Auftrag des Amtes keinerlei Abbruch, denn recht verstanden ist es ja in seinem Dienst auf das ganze Volk Gottes bezogen. Dieser Auftrag gestaltet sich als Verantwortung für dieses Volk, und dazu gehört auch, es an allen Entscheidungen, die es betreffen, zu beteiligen.
Ein weiteres kommt hinzu: Ringt sich die Kirche in absehbarer Zeit nicht zur Reform ihrer Beteiligungsstrukturen durch, wird es zu noch größeren Akzeptanzverlusten kommen. Schon jetzt ist Kritik von Seiten laizistischer Kreise zu hören, die fragen, wieso die Kirchen durch den demokratischen Staat rechtlich privilegiert werden.
Diese Kritik könnte noch schärfer werden, und sie könnte auch diejenigen Teile der Gesellschaft erfassen, die alles andere als strikt religionskritisch oder laizistisch eingestellt sind. Zieht sich die Kirche aber in Reaktion darauf von ihrer Funktion als zivilgesellschaftliche Akteurin in den geschützten Raum einer kleinen Kontrastgesellschaft zurück, wird sie kaum noch ihrem Auftrag gerecht werden können, das Evangelium Jesu Christi öffentlich zu bezeugen.
Braucht es aber eine neue Synode, um neue Beteiligungsstrukturen in der Kirche durchzusetzen? Vielleicht braucht es eine Synode, um einen tragfähigen Konsens herbeizuführen, um möglichst viele mitzunehmen. Und vielleicht braucht es eine neue Synode, die die "Zeichen der Zeit" heute deutet, zentrale Felder kirchlicher Praxis beleuchtet und daraufhin Entscheidungen fällt.
Doch genau besehen liegen ja konkrete Reformvorschläge schon lange auf dem Tisch. Allein harrt es immer noch der Umsetzung. Was es braucht, ist daher vor allem das Engagement der Gemeinden für die Erneuerung der Kirche und ein klares Signal des Aufbruchs auch durch die Kirchenleitung. Denn viele Katholikinnen und Katholiken halten es mittlerweile mit Goethe: "Der Worte sind genug gewechselt. Lasst mich auch endlich Taten sehn!"
Saskia Wendel, katholische Theologin, geboren 1964 in Ludwigshafen am Rhein, hat katholische Theologie, Philosophie und Germanistik studiert.
Sie habilitierte sich als Assistentin am Seminar für Philosophische Grundfragen der Theologie der Universität Münster, lehrte als Professorin für Systematische Philosophie und Fundamentaltheologie an der Universität Tilburg in den Niederlanden und war Fellow am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt. Derzeit ist sie Professorin für systematische Theologie der Universität zu Köln sowie Vorsitzende von AGENDA,
einem Forum Katholischer Theologinnen e.V.
Forschungsschwerpunkte: Religiosität und Religion in spätmoderner Gesellschaft, Verhältnis Glaube-Vernunft, theologische Anthropologie, theologische Gotteslehre, Christliche Mystik, Religion und "gender".
Doch die Kirche ist entsprechend dem Kirchenverständnis des II. Vatikanischen Konzils nicht nur eine hierarchische, sondern auch synodale Gemeinschaft. Die hierarchische Verfasstheit hebt zudem weniger auf den Unterschied zwischen Klerus und Laien ab, sondern auf den Dienst des Amtes an der Einheit der Gemeinschaft "Kirche" – eine Einheit, die gerade Differenz und Vielheit einschließt. Kraft der Gabe des Geistes sind alle Getauften prinzipiell gleich. Das ist die Legitimationsbasis synodaler Strukturen auch in der katholischen Kirche.
Wenn die Kirche in ihrem Grund zwar nicht "von" der Welt ist, so ist sie doch in ihrer realen Gestalt mitten "in" der Welt und somit zweifelsohne historisch geworden. Die Kirche ist also in ihrer realen Gestalt unbeschadet ihres Grundes im Zeugnis Jesu eine von Menschen gemachte Institution. Genau das entspricht ja dem Gedanken der Menschwerdung Gottes: Wie sich Gott ganz zum Teil der Geschichte gemacht hat, so ist auch die Kirche als Ausdruck und Gestalt der Gegenwart Gottes und seiner Heilszusage in der Geschichte "inkarniert".
Es stellt sich dann aber die Frage, ob sich in der Kirche als Teil demokratischer Gesellschaften nicht auch das Demokratieprinzip verstärkt widerspiegeln muss. Und das auch deshalb, weil die Demokratie der Überzeugung von der Würde und der Gleichheit jeder einzelnen Person und der ihr zukommenden unveräußerlichen Rechte entspricht, die auch das christliche Verständnis des Menschen ausmacht.
Das tut dem besonderen Auftrag des Amtes keinerlei Abbruch, denn recht verstanden ist es ja in seinem Dienst auf das ganze Volk Gottes bezogen. Dieser Auftrag gestaltet sich als Verantwortung für dieses Volk, und dazu gehört auch, es an allen Entscheidungen, die es betreffen, zu beteiligen.
Ein weiteres kommt hinzu: Ringt sich die Kirche in absehbarer Zeit nicht zur Reform ihrer Beteiligungsstrukturen durch, wird es zu noch größeren Akzeptanzverlusten kommen. Schon jetzt ist Kritik von Seiten laizistischer Kreise zu hören, die fragen, wieso die Kirchen durch den demokratischen Staat rechtlich privilegiert werden.
Diese Kritik könnte noch schärfer werden, und sie könnte auch diejenigen Teile der Gesellschaft erfassen, die alles andere als strikt religionskritisch oder laizistisch eingestellt sind. Zieht sich die Kirche aber in Reaktion darauf von ihrer Funktion als zivilgesellschaftliche Akteurin in den geschützten Raum einer kleinen Kontrastgesellschaft zurück, wird sie kaum noch ihrem Auftrag gerecht werden können, das Evangelium Jesu Christi öffentlich zu bezeugen.
Braucht es aber eine neue Synode, um neue Beteiligungsstrukturen in der Kirche durchzusetzen? Vielleicht braucht es eine Synode, um einen tragfähigen Konsens herbeizuführen, um möglichst viele mitzunehmen. Und vielleicht braucht es eine neue Synode, die die "Zeichen der Zeit" heute deutet, zentrale Felder kirchlicher Praxis beleuchtet und daraufhin Entscheidungen fällt.
Doch genau besehen liegen ja konkrete Reformvorschläge schon lange auf dem Tisch. Allein harrt es immer noch der Umsetzung. Was es braucht, ist daher vor allem das Engagement der Gemeinden für die Erneuerung der Kirche und ein klares Signal des Aufbruchs auch durch die Kirchenleitung. Denn viele Katholikinnen und Katholiken halten es mittlerweile mit Goethe: "Der Worte sind genug gewechselt. Lasst mich auch endlich Taten sehn!"
Saskia Wendel, katholische Theologin, geboren 1964 in Ludwigshafen am Rhein, hat katholische Theologie, Philosophie und Germanistik studiert.
Sie habilitierte sich als Assistentin am Seminar für Philosophische Grundfragen der Theologie der Universität Münster, lehrte als Professorin für Systematische Philosophie und Fundamentaltheologie an der Universität Tilburg in den Niederlanden und war Fellow am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt. Derzeit ist sie Professorin für systematische Theologie der Universität zu Köln sowie Vorsitzende von AGENDA,
einem Forum Katholischer Theologinnen e.V.
Forschungsschwerpunkte: Religiosität und Religion in spätmoderner Gesellschaft, Verhältnis Glaube-Vernunft, theologische Anthropologie, theologische Gotteslehre, Christliche Mystik, Religion und "gender".

Saskia Wendel© privat