Demografischer Wandel in den USA

Die Zukunft ist bunt

Menschen verschiedener Hautfarbe legen ihre Hände übereinander
Menschen verschiedener Hautfarbe legen ihre Hände übereinander © Imago
Von Nana Brink · 14.11.2018
Donald Trump setzt in seinen Wahlkämpfen ganz auf "weißen Nationalismus". Viel Zukunft dürfte dieser Strategie nicht beschieden sein, denn der demografische Wandel in den USA verändert die Zusammensetzung der Gesellschaft. Schon bei den Midterms war das zu spüren.
Mark Herring, Generalstaatsanwalt in Virginia und bekennender Demokrat, wusste bei der letzten Veranstaltung vor den Midterms: Wenn wir unsere Wähler mobilisieren, dann können wir auch gewinnen. Mit einer "blauen Welle" im "roten Meer" allerdings hatte er nicht gerechnet.
Das rote Virgina, traditionell republikanisch geprägt, hat seit den Zwischenwahlen viele blaue, demokratische Inseln. Allein im Speckgürtel von Washington verloren drei republikanische Kongress-Kandidaten ihren Wahlbezirk an ihre demokratischen Herausforderer. Mehr als die Partei erwartet hatte. Auch der demokratische Senator von Virginia, Tim Kaine, konnte seinen Sitz verteidigen: mit einem sensationellen Vorsprung von zehn Prozent.
Bei den Midterm Elections in Virginia stehen Wähler vor einem Wahllokal in Vienna, Virginia, Schlange. (Archivbild von 2014).
Noch ist die Mehrheit weiß, aber das könnte sich bald ändern.© picture alliance / dpa / Jim Lo Scalzo
Für Carroll Doherty vom renommierten Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center, liegt die Erklärung auf der Hand:
"Der demografische Faktor spielt eine große Rolle. Wir wissen, dass die junge Generation, die so genannten Millenials, die liberalste Generation ist, die wir je gesehen haben und das ist keine gute Nachricht für die Republikaner."

Nach Mexiko das zweitgrößte spanisch sprechende Land

Virginia ist ein gutes Beispiel für die demografische Veränderung in den Vereinigten Staaten. Einst vor allem ländlich geprägt, haben sich im Umkreis von 200 Kilometern westlich und nördlich der Hauptstadt viele kleine Städte mit sehr gemischter Bevölkerung entwickelt. Chesterfield liegt im 7. Wahlbezirk von Virginia. Die Einwohnerzahl ist zwischen 2000 und 2016 um 25 Prozent gestiegen. Die meisten neuen Einwohner sind afro-amerikanische und hispanische Familien aus bürgerlichen Aufsteigerschichten. Zwar ist Chesterfield immer noch mehrheitlich weiß, aber das könnte sich innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte ändern, wie der Politikwissenschaftler Michael Werz vom liberalen Thinktank "Center for American Progress" erklärt:
"Wir haben bereits jetzt 57 Millionen Hispanics in den Vereinigten Staaten, sind das zweitgrößte spanisch sprechende Land nach Mexiko. Diese Zahl wird im Jahr 2050 auf 100 Millionen ansteigen, und das bedeutet, hier sind politische und auch ökonomische Prozesse im Gange, die die Gesellschaft der Vereinigten Staaten nachhaltig verändern werden."
Das Center for American Progress in Washington, für das der Demografie-Experte Michael Werz arbeitet, bringt zusammen mit anderen bekannten Denkfabriken die Studie "States of Changes" heraus. Basierend auf den Zahlen des staatlichen Zensus-Büros beschreibt die Studie den Abschied vom weißen Amerika. War die Bevölkerung der USA im Jahr 1980 noch zu 80 Prozent weiß, ist ihr Anteil auf heute 62 Prozent gesunken. Schon 2044 könnten die Weißen in Amerika in der Minderheit sein. Der Anteil der Latinos hingegen wird kontinuierlich steigen, von jetzt 17 Prozent auf knapp 30 Prozent in den nächsten Jahrzehnten. Sie werden auch die Schwarzen überholen, deren Anteil bei rund 12 Prozent stagniert.

Die Baby Boomer wählen republikanisch

Diese demografischen Veränderungen werden Konsequenzen auf die Wahlergebnisse haben. Die Frage ist: Wer profitiert mehr davon, die Demokraten oder die Republikaner?
"Der klassische Trump-Wähler ist weiß, männlich und ohne Hochschul-Abschluss. Das ist die Basis der Basis im Mittleren Westen. Viele von ihnen hatten nie gewählt", sagt Meinungsforscher Carroll Doherty. Aber dank Donald Trumps aggressivem Wahlkampf konnten die Republikaner – auch bei diesen Midterms – ihre Kern-Wählerschaft mobilisieren: "Die Republikaner haben sich gut geschlagen bei den Baby Boomers, der so genannten stillen Generation, die nun zwischen 70 und 80 ist."
Eine Frau fotografiert Donald Trump bei einer Wahlkampf-Veranstaltung mit ihrem Smartphone.
Eine Frau fotografiert Donald Trump bei einer Wahlkampf-Veranstaltung mit ihrem Smartphone.© Brendan Smialowski / AFP
Der Erfolg von Donald Trump ist oft analysiert worden. Geschickt nutzt er die Ängste vieler weißer konservativer US-Bürger vor der demografischen Entwicklung aus. Seine "America first"-Politik könnte auch unter dem Logo "Make America white again" firmieren. Oder besser: weiß und christlich. Aber auch dieses Bild stimmt nicht mehr: 2016 waren 43 Prozent der Amerikaner weiße Christen. 2008 waren es noch fast 55 Prozent.
"Die republikanische Partei hat sich unter Trump komplett von den Minderheiten in den Vereinigten Staaten entfremdet", sagt Michael Werz. "Das gilt für Muslime, das gilt für Juden, das gilt für Hispanics und das gilt auch für die meisten Asiaten. Unter all diesen Gruppen ist die Wahlunterstützung für die demokratische Partei zwischen 60, bei Juden und Muslimen bei 80 Prozent, und das ist ein strukturelles Problem, das die republikanische Partei mit der Strategie des weißen Nationalismus von Donald Trump sich zunehmend von der Zukunft Amerikas entfremdet und damit längerfristig in ein politisches Abseits begibt."

Asiaten, Latinos und Afroamerikaner wählen eher blau

Noch allerdings – und dies könnte auch für die Präsidentschaftswahlen 2020 gelten – bildet die weiße konservative Wählerschaft eine potenzielle Mehrheit, sofern sie zur Wahl geht. Langfristig gesehen aber könnte die demografische Entwicklung der demokratischen Partei in die Hände spielen, meint Carroll Doherty vom Pew Research Center:
"Die Milleniums-Generation ist ethnisch sehr verschieden. 40 Prozent sind nicht-weiß und das wird sich fortsetzen. Natürlich gibt es in Bezug auf die politischen Überzeugungen Unterschiede zwischen Asiaten, Latinos und Afro-Amerikanern, aber als Ganzes gesehen, sind sie eher demokratisch."
Bleibt die republikanische Partei bei ihrer Bindung an weiße evangelikale Wähler, sieht Demografie-Experte Michael Werz die demografische Partei besser gerüstet.
"Weil die demokratische Partei eine ganz heterogene Partei ist, die schwarze Landbevölkerung, metropolitane weiße Eliten, universitär Gebildete, lateinamerikanische Arbeiterklasse, Juden, Muslime, Frauen, alleinerziehende Mütter, sozusagen eine ganze Bandbreite von gesellschaftlichen Gruppen, die wenig gemeinsam ökonomische oder auch Herkunftstraditionen haben, ausgedehnt auf die kontinentale Größe der Vereinigten Staaten, zusammenbringen muss."
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