Dem Zeitgeist hinterher

Von Anna Bilger · 03.07.2013
Kommunikation, dafür interessiert sich der Medienkünstler Simon Denny. Und dafür, wie sie sich verändert - rasend schnell. Der gebürtige Neuseeländer zeigt, wie das, was eben noch brandneu war, morgen schon wieder überholt ist.
"Hi Anna! Schön, Sie zu sehen!"

Höflich ist er, sehr aufgeräumt und freundlich. Typisch angelsächsisch wirkt das, und doch scheinen es nicht nur Floskeln zu sein. Simon Denny, Medienkünstler, 30 Jahre jung, ist nett – und hat Lust, über seine Kunst zu reden.

"Hier entsteht – es ist eine sehr große Baustelle – ein Ort, der 'Factory', also Fabrik heißt. Es wird ein Zentrum für verschiedene Start-Ups in Berlin."

Berlin-Prenzlauer Berg, an der Ecke Brunnenstrasse/Bernauer Strasse: Hier manifestiert sich etwas, das Simon Denny fasziniert, und das Teil seiner neuen Ausstellung wird: der Start-Up-Boom in Berlin. Zwei große Gebäude, 5 Stockwerke hoch, werden hier gebaut. Für Internet-Unternehmen, die kürzlich gegründet wurden oder noch recht jung sind.

"Ich bin ein Künstler, der viele Arbeiten darüber macht, wie Kommunikation sich verändert. Und hier in Berlin passieren gerade drastische Veränderungen. Die Start-Up-Welt ist sehr dynamisch, sehr schnell, was gerade noch wichtig erscheint, ist im nächsten Jahr total egal."

Mittendrin in der Start-Up-Szene
Simon Denny interessiert sich dafür, wie Technologie unsere Kommunikation bestimmt. Wie wir Informationen aufnehmen, wie sie beschaffen sind und wie sie zirkulieren. Und weil Apps für das Smartphone und Social-Media-Anwendungen wie Facebook und Twitter wesentlich sind für unsere Kommunikation, beschäftigt sich der 30-Jährige nun also mit jenen Firmen, die diese Anwendungen hervorbringen. Er trifft jede Menge Start-Up-Gründer und ihre Finanziers. Mit seinen gescheitelten dunkelblonden Haaren, dem schwarzen Hemd und der Stoffhose passt er gut hinein in diese hippe Gründer-Szene. Seine Begegnungen und Recherchen filmt er, einen Zusammenschnitt präsentiert er dann in der Ausstellung.

"Einer meiner Schlüsselbegriffe ist die Obsolesenz, also das 'Veralten' - und ich dokumentiere, wie schnell das geht. Das zeigt sich natürlich gut an diesen ganzen technologischen Sachen, die so schnell überholt sind. Schwer zu glauben, dass Sachen, die zwei Jahre alt sind, heute komplett bescheuert aussehen. Und wenn man über Veralten auf einem universellen Level nachdenkt, ist man schnell bei sich selbst, unseren Ideen, unserer Existenz."

Er ist neben drei anderen Künstlerinnen nominiert für den Preis der Nationalgalerie für junge Kunst. Die Künstler dürfen eine Gruppenausstellung in Berlins Museum für Gegenwartskunst, dem Hamburger Bahnhof, gestalten. Einer der vier wird am Ende zum Preisträger gekürt. Schon wieder eine große Ausstellung, eine die viel Aufmerksamkeit bringt. Gerade erst ist Simon Denny von der Biennale in Venedig zurückgekommen.

"Ja, ich mache viele Ausstellungen... ein Unglück kommt selten allein! Wenn ein Künstler viele Ausstellungen macht, sind viele Leute interessiert. Und oft willst Du diese Angebote nicht ablehnen, weil es so großartige Gelegenheiten sind. Also ist mein Zeitplan enger als ich mir das idealerweise wünschen würde."

Der neuseeländische Künstler sagt es mit einem Lächeln und einem Schulterzucken. Druck? Ach na ja, hat nicht jeder ein bisschen Druck? Seit sechs Jahren ist er in Deutschland und war bereits in über 40 Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen. Wohl weil seine Themen sehr zeitgeistig sind. Und weil er sich und seine Kunst nicht so ernst nimmt.

Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart, Berlin-Tiergarten
Der Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart, in Berlin.© Staatliche Museen zu Berlin - Maximilian Meisse
Es scheint sich alles mühelos zu fügen
In Venedig hat er sich etwa mit dem Ende des analogen Zeitalters auseinandergesetzt und dafür neue Röhrenfernseher aus China importiert, da sie in Europa nicht mehr hergestellt werden. Hat Fotos der Fernseher gemacht, diese geschrumpft und zusammengeschoben.

"Ich habe also buchstäblich aus den alten Fernsehern einen Flatscreen gemacht. Und so ist es ja auch mit Hardware rund um uns herum. Telefone und andere Dinge, alles soll flacher werden und dünner. Als Bildhauer habe ich versucht, dieses Dünnerwerden zu zeigen und aufzunehmen."

Mit Kunst beschäftigt sich Simon Denny, seit er ein Teenager ist. Schon in der Highschool malt er am liebsten, studiert schließlich Kunst in Auckland. Sein Vater druckt und gestaltet Bücher, seine Mutter ist Lehrerin. Beide haben ihn immer unterstützt.

"Ja immer sehr. Beängstigend war das manchmal. An manchen Punkten in meinen Leben, habe ich gedacht, die sollten mal was anderes sagen, weil Kunst... ist doch auch risikoreich."

Dabei klingt es ziemlich mühelos, wenn Simon Denny von seinem Leben erzählt. Als würde es sich eben immer alles ganz gut fügen. Nach seinem Abschluss in Neuseeland wird er zu einer Ausstellung nach Deutschland eingeladen. Dort sieht ein Professor der Frankfurter Städelschule seine Arbeiten. Simon Denny wird Meisterschüler. Und geht nach dem abgeschlossen Studium 2009 nach Berlin, weil eben alle nach Berlin gehen. Hier lernt er seine Freundin kennen, eine Italienerin, die Germanistik studiert.

Seine Projekte entstehen auf Partys, am Computer, in seinem Kopf , weil er etwas liest oder hört, das ihn interessiert. Zum Arbeiten braucht er eigentlich nur seinen Rechner und sein iPhone, das immer dabei ist.

Und dann muss Simon Denny los, checkt im Gehen seine Mails und eilt davon. Dem Zeitgeist hinterher und der nächsten Ausstellung entgegen.
Ein alter Röhrenfernseher liegt zerstört auf der Straße
Ein alter Röhrenfernseher liegt zerstört auf der Straße© Deutschlandradio - Julia Rosch