Dem Gemeinwohl verpflichtet
Stiftungen erleben in Deutschland einen Boom. Über 14.000 sind in Deutschland eingetragen, davon wurden allein 900 im letzten Jahr gegründet. Rief man Stiftungen früher vor allem aus religiösen Gründen ins Leben, haben sich die Stiftungszwecke heute verweltlicht.
"Wir stehen hier auf der Seite der Kirche, nicht direkt an der Straße, und hier in der Südwand ist ein für Lübeck ganz ungewöhnliches, nämlich aus Kalkstein gearbeitetes Portal zu sehen mit kleinen lilienförmigen Vorsprüngen in die Portalöffnung hinein, so wie man es auf Gotland in der Zeit kurz vor und um 1300 häufig ausführte ... wir gehen davon aus, dass dieses Portal eine Stiftung darstellt, vielleicht von einer der Familien, die in diesen Jahren aus Visby auf Gotland zurückkehrten, jedenfalls scheint es eine Auftragsarbeit zu sein, die von einem gotländischen Steinmetzen dort für die Anbringung in Lübeck geliefert wurde."
Das Heiligen-Geist-Hospital in Lübeck ist eine der ältesten Stiftungen in Deutschland. Den Grundstein zu dem Bau im Stil der Backsteingotik legten reiche Lübecker Kaufleute 1286. Als Ausdruck christlicher Nächstenliebe, aber auch als Zeichen aufkeimenden bürgerlichen Selbstbewusstseins. Das Hospital, das die Kaufleute mit spitzen Giebeln und hohen Türmchen errichten ließen, symbolisierte ihre neue Rolle als autonome Stadtbürger, die sich zunehmend von weltlichen und kirchlichen Obrigkeiten loszusagen begannen.
Ein Hospital im 13. Jahrhundert erfüllte umfangreichere Aufgaben als ein Krankenhaus heute. Der Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Jens Christian Holst:
"Ein Hospital ist eine Einrichtung, um Menschen zu helfen, die sich selbst nicht helfen können. ... weil sie krank geworden sind ... zu alt waren ... weil sie immer schon behindert waren ... weil sie fremd waren ... Das konnten Stadtbürger sein ... die ... verarmt waren, in der Regel sind es aber eher Menschen gewesen, die ... aus armen Verhältnissen stammten ... Man traf in den Hospitälern der Frühzeit ... ebenso den Pilger, der nur ... für eine Nacht hier übernachtete, den Obdachlosen, der ... im Strome der vielen Menschen, die von Stadt zu Stadt unterwegs waren, sich treiben ließ, um hier sein Glück zu versuchen. Also es waren sowohl langjährige Insassen als auch ganz kurzfristige Gäste in den Hospitälern der Frühzeit anzutreffen."
Im Heiligen-Geist-Hospital wohnten Kranke wie Gesunde in einer großen Langhalle. Zum Kirchenbau stand sie offen, sodass auch bettlägerige Bewohner an Messen und Andachten teilhaben konnten. Die Insassen lebten nach Geschlecht getrennt. Die Halle durchzog ein Frauen- und ein Männergang. Vorhänge und Bretterwände trennten die einzelnen Bettstellen. Ein spartanisches Leben, das die Obrigkeit schon früh nach der Hospitalgründung den klösterlichen Regeln der Armut, Keuschheit und des Gehorsams unterwarf.
"... durch diese Regeln ... errangen (die Menschen, die in das Hospital eintreten) nicht nur in kirchlichen Augen ein Ansehen, dass sie wohl auch ... geeigneter machte als zuvor Fürbitte für Wohltäter zu leisten ... Wir sehen das beispielsweise an dem Grundriss ... dieser Anlage, der eine Innovation bildet, indem die Siechenhalle, also die Halle, in der Kranke, Arme, Alte ihre Bettstellen hatten hier ... in der Position eines Chores an die Kirche angefügt wurde ... Was damit korrespondiert, dass von nun an immer deutlicher in Testamenten der Bürger ... mit Zuwendungen an das Hospital der Wunsch deutlich wird, dass die Hospitalsinsassen für ihre Wohltäter beten möchten."
Daran zeigten die Lübecker Kaufleute großes Interesse. Sie kannten die Bibelstelle von dem Kamel und dem Nadelöhr und dass Reiche kaum Chancen hatten, in den Himmel zu kommen. Was konnte ihnen Besseres passieren, als das Arme und Bedürftige, die gottesfürchtig lebten, für ihre Wohltäter beteten? Zumal in einer Halle, die einem Kirchenschiff glich. Kein Wunder, dass die Kaufleute stifteten. Eine bessere Investition in das eigene Seelenheil war kaum vorstellbar.
Dass sie Seelenheil erlangen würden, davon waren die Kaufleute in Lübeck überzeugt. Ein Wandbild im Vorraum des Hospitals zeigt einen segnenden Christus. Um ihn herumgruppiert sind zwölf runde Medaillons: Die Porträts der Stifter. Selbstbewusst drängen sie sich an Christus heran. Die Darstellung muss im 13. Jahrhundert auf fromme Gemüter provozierend gewirkt haben und ist auch heute noch erstaunlich. Zudem die Ratsherren mit ihren Wappen abgebildet sind. So färbte die Nähe zur Göttlichkeit auch auf die weltliche Stellung ihrer Familien ab und überhöhte sie. Die Kaufleute wussten schon, dass sich Stiften lohnte und rechnete.
Wohlhabende Stadtbürger konnten sich in die Hospitalstiftungen des Mittelalters auch einkaufen und so eine Art Kranken- und Altenpflegeversicherung abschließen.
"Andere Versicherungen gab es ... noch nicht, und viele Familien waren daran interessiert, älterwerdende, verwitwete, schwächere, unverheiratete Familienmitglieder, die sonst ... hätten zuhause versorgt werden müssen ... auszugliedern und gegen einen ... berechenbaren Beitrag diese Pflicht loszuwerden ... Die Insassen waren doch in zwei Klassen deutlich geteilt. Zum einen sind es die Mittellosen, Armen, Kranken, die aus den Zuwendungen für das Hospital versorgt wurden, zum anderen waren es Menschen, die sich aus eigenem Vermögen einen Platz im Spital eingekauft hatten ... diese genossen wohl etwas mehr Zuwendung und konnten sich auch in vielen Fällen einen eigenen Raum leisten, der von der großen Halle abgeteilt war, sodass sich die Unterteilung der städtischen Gesellschaft in die kaufmännische, ratsfähige ... Oberschicht und das übrige Volk auch im Inneren des Hospitals deutlich widerspiegelte."
Es waren vor allem wohltätige Stiftungen, die im Mittelalter gegründet wurden. Stifteten zunächst Adlige und reiche Kaufleute, so kamen später Städte und einzelne Personengruppen dazu, etwa die Zünfte. 1341 zum Beispiel errichteten Rat und Gemeinde von Halle das heute noch bestehende Hospital St. Cyriaci et Antonii für Sieche, Kranke und Notleidende. Die Mittel dafür kamen von der Stadt und von einzelnen wohlhabenden Bürgern.
Stiften ist in Deutschland oft kritisch gesehen worden. Gründete sich eine kirchliche Stiftung, wurde sie von staatlichen Behörden oft argwöhnisch beäugt; die Beamten fürchteten um ihren Einfluss. Misstrauisch zeigten sich Staat und Kirche auch bürgerlichen Stiftungen gegenüber: Auch hier sahen sie ihre Interessen gefährdet. Neustiftungen unterlagen deshalb oft einem komplizierten Genehmigungsverfahren. Ein Recht auf Stiftung, wie es dem Bürger heute von staatlicher Seite zugestanden wird, existierte nicht.
Die meisten Stiftungen gründeten sich in Deutschland in Städten, dort wo das Geld verdient wurde und ein freierer Geist herrschte als anderswo. In Kaufmannsstädten wie Hamburg, Lübeck oder Frankfurt. In Berlin dagegen hielt sich die Stiftungsfreude in Grenzen.
Der Aufstieg des Bürgertums im 19. Jahrhundert vitalisierte das Stiftungswesen in Deutschland. Hans Fleisch, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen:
"Es war für das Bürgertum eine Möglichkeit, politisch sich einzubringen ... zu gestalten, aber auch ihre gesellschaftliche Stellung zu manifestieren ... In dieser Zeit wurden zunehmend auch jüdische Stiftungen gegründet. Deutschland hatte ... am Anfang des 20. Jahrhunderts ... 100.000 Stiftungen überwiegend ... von dem aufstrebenden und wirtschaftlich erfolgreichen Bürgertum errichtet. Das war eine besondere Wachstumsphase. ... dass die Zahl heute so viel niedriger ist ... als zur Jahrhundertwende, liegt … an den beiden Weltkriegen, der Inflation, aber in erster Linie ... an der Nazi-Diktatur. Diktaturen wissen, Stiften ist ein Ausdruck bürgerlicher Entfaltung, bürgerlicher Freiheit und ist deswegen im Totalitarismus nicht wohlgelitten, das heißt, es wurden nicht nur jüdische Stiftungen kassiert, sondern viele andere Stiftungen auch zugrundegerichtet."
Vom Stiftungsglanz vergangener Zeit ist nur wenig übrig geblieben. Etwa 30.000 Stiftungen gibt es heute in Deutschland. Doch ihre Zahl wächst rasant. Zwischen 2001 und 2005 wurden 2000 Neustiftungen registriert, eine Verdoppelung zum gleichen Zeitraum zehn Jahre zuvor. Liefe der Trend so weiter, könnte sich die Zahl der Stiftungen in zwei Jahrzehnten mehr als verdoppeln.
Die Gründe für den Stiftungsaufschwung in Deutschland sind vielfältig. Die lange Friedenszeit seit dem Zweiten Weltkrieg war dem Vermögensaufbau förderlich. In den letzten Jahren haben sich auch die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert. Stiften ist einfacher geworden. Steuerliche Freibeträge wurden erhöht. Stiften ist zwar nach wie vor kein Steuersparmodell, weil immer mehr Geld weggeben wird als steuerlich berücksichtigt werden kann. Doch fühlen sich Stiftungsgründer heute wertgeschätzter als früher, weil der Staat zumindest das Geld nicht mehr antastet, das in eine Stiftung fließen soll. Auch die demographische Situation in Deutschland sorgt für ein stiftungsfreundliches Klima.
"40 Prozent der Stifter sind kinderlos. Je mehr Kinderlose es gibt, je mehr Ältere es auch mit wenigen Kindern gibt, um so höher die Wahrscheinlichkeit, dass gestiftet wird, und außerdem hat sich in der letzten Zeit sicherlich das Klima verändert, nach dem Freiwilligensurvey, einer sehr großen Untersuchung zu diesem Thema ... sind immer mehr Menschen der Auffassung, dass der Staat und zwar nicht aus finanziellen Gründen ... nicht alle Gemeinwohlbelange alleine regeln und hinbekommen kann. Man muss selbst etwas tun, und das motiviert die Menschen zum Stiften. Außerdem, je mehr Stiftungen es gibt, um so mehr sind auch sichtbar und das wiederum steckt dann andere Leute an."
Nicht nur schwerreiche Menschen stiften heute, wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung herausgefunden hat. Zwei Drittel der Stifter beziffern ihr Privatvermögen auf weniger als zwei Millionen Euro, ein Drittel besitzt weniger als 250.000 Euro. Vielen Stiftern ist es wichtig, der Nachwelt etwas Bleibendes zu hinterlassen. Es könne niemand etwas mitnehmen ins Grab wird ein Stifter zitiert. Der Wunsch, sich selbst ein Denkmal zu setzen, spielt eine geringere Rolle als vielfach angenommen wird. Jedem zweiten Stifter ist es wichtig, dass er selbst entscheiden kann, wie sein Geld verwendet wird. Eine Stiftungsgründung ist meist von verschiedenen Motiven geprägt.
"Es kommen mehrere Sachen zusammen. Eine Phase im Leben, wo man über längerfristige Fragen nachdenkt, wo mehr Mehr in finanzieller Hinsicht einem nichts mehr bringt, auch kein Ziel ist, wo man schon viel erreicht hat, wo man nicht mehr nur nach vorne blickt, sondern auch schon ein bisschen zurückblickt und mehr Sinnfragen ... im Kopfe wälzt und in diesem Zusammenhang ist ein wesentliches Motiv Dankbarkeit, etwas zurückgeben, ein weiteres Motiv ist gestalten wollen ... und ein drittes ist auch die Überlegung zu bleiben, alles, was man macht, und wenn man noch so viel erreicht, ist irgendwann wieder weg und eine Stiftung hat eine hohe Dauerwahrscheinlichkeit, man selbst lebt fort mit der Stiftung und etwas zu machen, was garantiert bleibt ... das ist eine ... attraktive Perspektive für Menschen, die sonst schon sehr viel erreicht haben."
Im vergangenen Jahrzehnt sind besonders Bürgerstiftungen beliebt geworden. Das sind Gemeinschaftsstiftungen von Menschen, die sich für soziale und kulturelle Projekte in ihrer Region engagieren wollen. Das Eintrittsgeld für diese Stiftungen ist erschwinglich: Man stiftet mit "kleinem Geld" – etwa mit 1000-Euro-Beträgen – und ist an der Stiftung und ihren Projekten beteiligt. Bürgerstiftungen fördern Kinder- und Jugendarbeit, sind im Umwelt- und Naturschutz tätig, unterstützen Generationen übergreifende Projekte. Sie sind offen für Zukunftsthemen und zeichnen sich durch wenig Bürokratie aus. Meist kann man mit ihnen etwas bewegen, was sich von einem Engagement in der Kommunalpolitik – eine mögliche Alternative zur Stiftungsgründung - nicht unbedingt behaupten lässt. Für Hans Fleisch sind Bürgerstiftungen eine wichtige Ergänzung zum staatlichen Handeln:
"Sie können Familienfreundlichkeit nicht ... allein staatlich hinbekommen. Dafür brauchen sie Unternehmen, dafür brauchen Sie die Bürger, brauchen Sie ... Geist, brauchen Sie die Medien, brauchen Sie Aktivitäten vor Ort. Sie können Integration von Menschen mit Migrationshintergrund nicht staatlich alleine organisieren. Diese aktuellen Herausforderungen sind einer der Gründe, warum Bürgerinnen und Bürger sagen, man muss auch selber etwas tun ... Das bezieht sich ja nicht nur aufs Stiften, sondern, dass ist ein Trend insgesamt ... der Staat kann nicht das Allgemeinwohl allein organisieren, er wäre damit qualitativ überlastet. ... Das ist ein Erkenntnisprozess nach einer gewissen Staatsgläubigkeit in den 70er Jahren, wahrscheinlich aus Erfahrung, dass man sieht, mehr Staat bedeutet nicht mehr Gemeinwohl, und wir brauchen das Mittun der Bürger, wir brauchen auch Gemeinsinn. Unsere Gesellschaft wird am Ende nicht nur von staatlicher Infrastruktur ... zusammengehalten, ... sondern ... vom Engagement, das freiwillig ist und von freiwilliger Solidarität."
Die "Loucas de Pedra", die völlig Verrückten, sind ein brasilianisches Straßentheater von neun Schauspielerinnen. Mit ihrem unterhaltsamen, witzigen Spiel thematisieren sie Missstände in der Gesellschaft und prangern Gewalt gegen Frauen an. In dem Stück " A cor do sangue", die "Farbe des Blutes" wird rassistisches Verhalten lächerlich gemacht. Schwerverletzt liegt ein Weißer nach einem Unfall auf der Straße. Er braucht eine seltene Blutgruppe. Eine farbige Frau meldet sich. Doch der Weiße zögert. Soll er wirklich Blut von dieser Frau nehmen?
Die Theatergruppe wird von der ASW, der "Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt" gefördert, einer entwicklungspolitischen Organisation in Berlin. Wahrscheinlich wird sie in Zukunft solche Projekte stärker fördern können. Das liegt vor allem an Ekkart Wollner, der der ASW vor zwei Jahren 120.000 Euro stiftete Der Ruheständler und Mathematiker, der früher bei der Telekom gearbeitet hat, lernte die Arbeit der ASW auf einer Veranstaltung in Darmstadt kennen.
"Da war ´ne Fotoausstellung und es kamen ... Aktivistinnen von der brasilianischen ... Landarbeitergewerkschaft ... und die persönliche Begegnung mit denen und auch deren klare, sachliche Vortragsweise über die Dinge, die nun mal in dem Land sind, das war für mich sehr beeindruckend, weil's ... einfach nicht jetzt war, ich soll irgendeine Patenschaft übernehmen ... da finde ich also so was ... es sind keine Brunnen in dem Dorf, und die Frauen müssen fünf Kilometer das Wasser herbeitragen, und das liegt daran, weil ... Obstplantagen ... das Wasser vollkommen für ... die Felder dieser Konzerne gebraucht wird und für die Dörfer dieser Arbeiter bleibt ... überhaupt nichts übrig. Was mir an der ASW ... da ... besonders gefallen hat ... dass sie Vernetzungen unterstützen, verschiedene Gruppen zusammenbringen ... nicht jetzt mit irgendwelchen besseren Ideen ... in diese Länder gehen und sagen: Wir richten es euch schon, sondern ... Initiativen dort unterstützen ... das finde ich schon sehr gut."
2003 stand Ekkart Wollner plötzlich mit einer größeren Geldsumme da. Seine Frau war bei einem Badeunfall gestorben, eine Versicherung zahlte die Lebensversicherung aus. Schnell wurde ihm klar, dass er sich davon keine größeren Reisen oder andere Luxuskäufe leisten würde. Das hätte ihn zu wenig befriedigt, sagt er. So kam die ASW ins Spiel und die Stiftung "Solidarische Welt" wurde gegründet. Eine sogenannte unselbständige Stiftung, die von der ASW treuhänderisch für Ekkart Wollner verwaltet wird. Benjamin Nölting, Vorstandsvorsitzender der ASW, ist des Lobes voll über den Stifter.
"Dass er ... gesagt hat, dieses Geld brauche ich nicht, ich bin versorgt und wie er es ... geschafft hat, den Schmerz konstruktiv zu wenden und ... gesagt hat, ich gebe das Geld für Projekte, um anderen Menschen eine Zukunftsperspektive zu eröffnen, das hat mich sehr beeindruckt. Weil man ... gerade ... in Entwicklungsprojekten ... das ist jetzt nichts ... wo man dann nach dreißig Jahren ... zurückblicken kann und sagen kann: Hier steht immer noch das Naturschutzgebiet oder hier ist immer noch das Bild in der Kunstgalerie, was wir gestiftet haben, sondern das sind Menschen überall auf der Welt, die eine Chance bekommen haben ... Und das ist was, wo sehr viel Vertrauen dazugehört, aber auch sehr viel Optimismus drin steckt anderen Leuten eine Möglichkeit zu eröffnen."
Der Vorstandsvorsitzende der ASW schätzt Ekkart Wollner auch aus Gründen, die näher liegen.
"Er ist einer unserer allerbesten Werber für Zustiftungen, weil er sehr überzeugend anderen vermitteln kann, ... warum er soviel Geld an die ASW weitergegeben hat. ... Das wirkt ... überzeugender, als wenn wir sagen: Gebt uns Euer Geld, wir machen eine ... gute Arbeit."
Inzwischen hat sich das ursprüngliche Stiftungskapital von 120.000 Euro durch Zustiftungen mehr als verdreifacht. Spender der ASW haben die Möglichkeit ergriffen, es Ekkart Wollner gleichzutun. Statt größere Summen der ASW zu spenden, haben sie sie zugestiftet. Und dabei manchmal tiefer in die Taschen gegriffen als geplant war. Denn auch Großspender der ASW schätzen an der Stiftung, dass sie einen größeren Bestand hat als eine Spende und die Arbeit der ASW vor allem auf Dauer fördert und unterstützt.
Das Stiftungskapital ist in festverzinslichen Anleihen angelegt, die – auf ausdrücklichen Wunsch des Stifters – nach sozialen und ökologischen Kriterien ausgesucht wurden. Die Zinserträge fließen in Frauenprojekte der ASW.
Die historischen Wurzeln des deutschen Stiftungswesens zeigen sich auch heute noch bei Neustiftungen. Die Motive, die einst die Lübecker Kaufleute bewogen, ihre Geldbörse für gute Zwecke zu öffnen, sind nach wie vor aktuell. Zum einen sucht auch der Stifter von heute als Individuum Selbstentfaltung. Zum anderen denkt er natürlich an das eigene Seelenheil. Das will er allerdings heutzutage nicht erst im Jenseits finden, sondern schon zu eigenen Lebzeiten, im Diesseits. Hans Fleisch vom Bundesverband Deutscher Stiftungen:
"Menschen, die etwas Gutes tun, tun es immer für sich selbst. ... wenn sie an amnesty 100 Euro spenden, dann sind sie kein Heiliger, sie tun das für sich, und das hat einen guten Effekt für politische Gefangene, aber sie fühlen sich gut, wenn sie das gemacht haben und darum spenden sie. ... In der Bibel heißt es: Willst du gute Tage sehen, dann tue Gutes. ... Und das haben Menschen immer so gemacht, das ist auch heute noch so, egal, ob sie stiften oder spenden oder ´ner alten Dame über die Straße helfen. ... Stiften macht ... Freude, sofort, wenn ich stifte, tue ich mir selbst sofort etwas Gutes, habe ich eins schöneres Leben, auch mehr Anerkennung ... und es tut auch der Gesellschaft gut ... das ist das Schöne daran, es ist eine Win-win-Situation."
Ekkart Wollner kann das nur bestätigen:
"... natürlich fasziniert mich das, ... weil ich aktiv geworden bin ... sich das Kapital schon verdreifacht hat ... das gibt ein tolles Gefühl - für mich und mich ganz allein ... wie soll man sagen, das ist eine private Geschichte, ..., die mich wärmt ... weniger Genugtuung würde mir ein äußeres Lob geben, das ich ... ´nen Orden krieg oder ´ne Belobigung. Ich setze mir meine Maßstäbe lieber selber und kann mich dann allerdings auch über eine gelungene Sache sehr freuen."
Wurde früher meist für wohltätige Zwecke gestiftet, haben sich die Stiftungsziele heute aufgefächert, widmen sich eher individuellen Aufgaben, wollen Völkerverständigung fördern oder heimatliches Brauchtum. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Stiften immer mehr auch zu einer Frauenangelegenheit geworden ist. In die Szene haben Stiftungsgründerinnen neuen Schwung gebracht. Die Altherrenclubs traditioneller Stiftungen jedenfalls verlieren in der deutschen Stiftungslandschaft an Einfluss.
Bei manchen Stiftungen sieht Hans Fleisch Reformbedarf. Sie müssten sich stärker professionalisieren, meint er, und sich mit ihren Aufgaben weniger verzetteln. Unternehmerisches Denken sei gefragt und die Fokussierung auf eine Kernaufgabe. Auch ist ihm wichtig, dass sich Stiftungen stärker vernetzen, Kooperationen mit anderen Stiftungen eingehen, um die Wirksamkeit ihrer Arbeit zu erhöhen. Stiftungen sollten zudem ihre Arbeit besser nach außen darstellen. Viele stellten ihr Licht zu sehr unter den Scheffel. Den Nutzen von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit würden manche Stiftungen noch zu wenig erkennen. Eine Stiftung ist für den Generalsekretär dann erfolgreich, wenn sie eine Gemeinwohlwirkung erzielt, die größer ist als die eingesetzten Mittel.
"Das kann auf unterschiedliche Art und Weise sein. ... Sie kann im Einzelfall helfen ... sie kann ein gesellschaftliches Problem auf die Tagesordnung setzen, sie kann Modellprojekte schaffen, die andere animieren, entsprechende Lösungen zu suchen, sie kann Forschung fördern, dort, wo Nischen unterbelichtet sind, sie kann neue Modelle im Wissenschaftsbereich anschieben, auch private Universitäten, eine Stiftung kann eigentlich ganz vieles machen, es kommt darauf an, dass sie sich konzentriert auf einige wenige Dinge, die sie wirklich gut machen kann und aus der Konzentration erwächst eine Qualität und aus der qualitativen so ´ne Art Marktführung zu einem Thema erwächst eine Themenführung und dann ein Einfluss, der dann wirklich gesellschaftlichen Wandel vorantreibt."
Bei solchen Äußerungen melden sich gerne Stiftungskritiker zu Wort. Ihr Blick richtet sich dann häufig auf amerikanische Megastiftungen, zum Beispiel auf die "Bill und Melinda Gates Foundation", die – mit 27 Milliarden Dollar Kapital ausgestattet – die Krankheiten dieser Welt vom Planeten tilgen will: Malaria, Aids oder Tuberkulose. Erst im letzten Jahr hat Warren Buffet, der legendäre amerikanische Investor, den Großteil seines Vermögens - etwa 30 Milliarden Dollar -, hinzugestiftet.
Kritiker bemängeln zum einen die Herkunft des Geldes. Die Rieseneinkommen der Stifter würden auf Kosten wirtschaftlicher Ungleichheit erzielt. Gäbe es diese nicht, herrschten möglicherweise auch nicht so viel Krankheit, Not und Elend auf der Welt.
Zum andern wird der politische Einfluss von Großstiftungen auf Politik und Gesellschaft kritisiert. Demokratisch legitimiert sei der nicht. Während sich die Gates-Stiftung noch offen und transparent gibt, zeigen sich andere Stiftungen verschwiegener, wirken im Stillen als politische Weichensteller. Für den Historiker Kevin Philipps ist das um sich greifende amerikanische Stiftungswesen schon Ausdruck einer Plutokratie, einer wachsenden Macht des Geldes und einer schwindenden Macht des Staates.
Auch in Deutschland üben Großstiftungen zunehmend Einfluss auf Politik und Gesellschaft aus. Es erstaunt schon, welch gerngesehene Gäste Stiftungsvertreter im Kanzleramt und Ministerien sind. Die Grauzone, in der sie ihre Lobbyarbeit betreiben – im Englischen wird sie treffend als "political engineering" bezeichnet – weitet sich aus.
Verblüfft schaut man sich in Berlin auch Repräsentanzen von Großstiftungen an. Die prächtigen Gebäude wirken wie Botschaften einer fremden Macht. Selbstbewusst sucht hier das Geld die Nähe zur politischen Elite. Leicht drängen sich Erinnerungen an die Lübecker Kaufleute und ihr Wandbild in der Heiligen-Geist-Kirche auf.
Nein, Fürbitte für ihre Stifter legen die heutigen Bewohner des Heiligen-Geist-Hospitals in Lübeck, das nach wie vor eine Heimstatt für Alte und Bedürftige ist, wohl kaum noch ein. Das hätten die alten Kaufleute auch nicht mehr nötig. Sicherlich haben die meisten nach ihrem Tod den Sprung in den Himmel geschafft. Bestimmt werden die Handelsherren vom Himmel aber wohlgefällig ihr Werk betrachten und sich freuen, dass es über die Jahrhunderte Bestand gehabt hat. Jens Christian Holst, Kunsthistoriker und Denkmalpfleger aus Lübeck:
"Das Hospital hat im Laufe des Mittelalters und zwar gerade schon in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens ... umfangreiche Schenkungen erhalten, sei es in Form von Nachlässen, von Geldzuwendungen, aber auch in Form von Ländereien, die dann durch eine kluge Vermögenspolitik arrondiert wurden, so dass zum Ausgang des Mittelalters zahlreiche Dörfer und Gutshöfe, Wälder ... Spitalsbesitz waren, auch durch die Reformation ... unangetastet erhalten blieben bis in das 20. Jahrhundert, wobei zu Zeiten der DDR über das Eigentum in Mecklenburg nicht verfügt werden konnte, das dann nach der Wende in die Hospitalsverfügung zurückgekehrt ist."
Die Heiligen-Geist-Stiftung in Lübeck ist eine wohlhabende Stiftung. 100.000 Euro werden jährlich aus dem Stiftungsvermögen ausgeschüttet. Eine schöne Kapitalrendite. Selbst im Himmel wird den Kaufleuten deshalb das Herz vor Freude noch hüpfen und springen.
Das Heiligen-Geist-Hospital in Lübeck ist eine der ältesten Stiftungen in Deutschland. Den Grundstein zu dem Bau im Stil der Backsteingotik legten reiche Lübecker Kaufleute 1286. Als Ausdruck christlicher Nächstenliebe, aber auch als Zeichen aufkeimenden bürgerlichen Selbstbewusstseins. Das Hospital, das die Kaufleute mit spitzen Giebeln und hohen Türmchen errichten ließen, symbolisierte ihre neue Rolle als autonome Stadtbürger, die sich zunehmend von weltlichen und kirchlichen Obrigkeiten loszusagen begannen.
Ein Hospital im 13. Jahrhundert erfüllte umfangreichere Aufgaben als ein Krankenhaus heute. Der Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Jens Christian Holst:
"Ein Hospital ist eine Einrichtung, um Menschen zu helfen, die sich selbst nicht helfen können. ... weil sie krank geworden sind ... zu alt waren ... weil sie immer schon behindert waren ... weil sie fremd waren ... Das konnten Stadtbürger sein ... die ... verarmt waren, in der Regel sind es aber eher Menschen gewesen, die ... aus armen Verhältnissen stammten ... Man traf in den Hospitälern der Frühzeit ... ebenso den Pilger, der nur ... für eine Nacht hier übernachtete, den Obdachlosen, der ... im Strome der vielen Menschen, die von Stadt zu Stadt unterwegs waren, sich treiben ließ, um hier sein Glück zu versuchen. Also es waren sowohl langjährige Insassen als auch ganz kurzfristige Gäste in den Hospitälern der Frühzeit anzutreffen."
Im Heiligen-Geist-Hospital wohnten Kranke wie Gesunde in einer großen Langhalle. Zum Kirchenbau stand sie offen, sodass auch bettlägerige Bewohner an Messen und Andachten teilhaben konnten. Die Insassen lebten nach Geschlecht getrennt. Die Halle durchzog ein Frauen- und ein Männergang. Vorhänge und Bretterwände trennten die einzelnen Bettstellen. Ein spartanisches Leben, das die Obrigkeit schon früh nach der Hospitalgründung den klösterlichen Regeln der Armut, Keuschheit und des Gehorsams unterwarf.
"... durch diese Regeln ... errangen (die Menschen, die in das Hospital eintreten) nicht nur in kirchlichen Augen ein Ansehen, dass sie wohl auch ... geeigneter machte als zuvor Fürbitte für Wohltäter zu leisten ... Wir sehen das beispielsweise an dem Grundriss ... dieser Anlage, der eine Innovation bildet, indem die Siechenhalle, also die Halle, in der Kranke, Arme, Alte ihre Bettstellen hatten hier ... in der Position eines Chores an die Kirche angefügt wurde ... Was damit korrespondiert, dass von nun an immer deutlicher in Testamenten der Bürger ... mit Zuwendungen an das Hospital der Wunsch deutlich wird, dass die Hospitalsinsassen für ihre Wohltäter beten möchten."
Daran zeigten die Lübecker Kaufleute großes Interesse. Sie kannten die Bibelstelle von dem Kamel und dem Nadelöhr und dass Reiche kaum Chancen hatten, in den Himmel zu kommen. Was konnte ihnen Besseres passieren, als das Arme und Bedürftige, die gottesfürchtig lebten, für ihre Wohltäter beteten? Zumal in einer Halle, die einem Kirchenschiff glich. Kein Wunder, dass die Kaufleute stifteten. Eine bessere Investition in das eigene Seelenheil war kaum vorstellbar.
Dass sie Seelenheil erlangen würden, davon waren die Kaufleute in Lübeck überzeugt. Ein Wandbild im Vorraum des Hospitals zeigt einen segnenden Christus. Um ihn herumgruppiert sind zwölf runde Medaillons: Die Porträts der Stifter. Selbstbewusst drängen sie sich an Christus heran. Die Darstellung muss im 13. Jahrhundert auf fromme Gemüter provozierend gewirkt haben und ist auch heute noch erstaunlich. Zudem die Ratsherren mit ihren Wappen abgebildet sind. So färbte die Nähe zur Göttlichkeit auch auf die weltliche Stellung ihrer Familien ab und überhöhte sie. Die Kaufleute wussten schon, dass sich Stiften lohnte und rechnete.
Wohlhabende Stadtbürger konnten sich in die Hospitalstiftungen des Mittelalters auch einkaufen und so eine Art Kranken- und Altenpflegeversicherung abschließen.
"Andere Versicherungen gab es ... noch nicht, und viele Familien waren daran interessiert, älterwerdende, verwitwete, schwächere, unverheiratete Familienmitglieder, die sonst ... hätten zuhause versorgt werden müssen ... auszugliedern und gegen einen ... berechenbaren Beitrag diese Pflicht loszuwerden ... Die Insassen waren doch in zwei Klassen deutlich geteilt. Zum einen sind es die Mittellosen, Armen, Kranken, die aus den Zuwendungen für das Hospital versorgt wurden, zum anderen waren es Menschen, die sich aus eigenem Vermögen einen Platz im Spital eingekauft hatten ... diese genossen wohl etwas mehr Zuwendung und konnten sich auch in vielen Fällen einen eigenen Raum leisten, der von der großen Halle abgeteilt war, sodass sich die Unterteilung der städtischen Gesellschaft in die kaufmännische, ratsfähige ... Oberschicht und das übrige Volk auch im Inneren des Hospitals deutlich widerspiegelte."
Es waren vor allem wohltätige Stiftungen, die im Mittelalter gegründet wurden. Stifteten zunächst Adlige und reiche Kaufleute, so kamen später Städte und einzelne Personengruppen dazu, etwa die Zünfte. 1341 zum Beispiel errichteten Rat und Gemeinde von Halle das heute noch bestehende Hospital St. Cyriaci et Antonii für Sieche, Kranke und Notleidende. Die Mittel dafür kamen von der Stadt und von einzelnen wohlhabenden Bürgern.
Stiften ist in Deutschland oft kritisch gesehen worden. Gründete sich eine kirchliche Stiftung, wurde sie von staatlichen Behörden oft argwöhnisch beäugt; die Beamten fürchteten um ihren Einfluss. Misstrauisch zeigten sich Staat und Kirche auch bürgerlichen Stiftungen gegenüber: Auch hier sahen sie ihre Interessen gefährdet. Neustiftungen unterlagen deshalb oft einem komplizierten Genehmigungsverfahren. Ein Recht auf Stiftung, wie es dem Bürger heute von staatlicher Seite zugestanden wird, existierte nicht.
Die meisten Stiftungen gründeten sich in Deutschland in Städten, dort wo das Geld verdient wurde und ein freierer Geist herrschte als anderswo. In Kaufmannsstädten wie Hamburg, Lübeck oder Frankfurt. In Berlin dagegen hielt sich die Stiftungsfreude in Grenzen.
Der Aufstieg des Bürgertums im 19. Jahrhundert vitalisierte das Stiftungswesen in Deutschland. Hans Fleisch, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen:
"Es war für das Bürgertum eine Möglichkeit, politisch sich einzubringen ... zu gestalten, aber auch ihre gesellschaftliche Stellung zu manifestieren ... In dieser Zeit wurden zunehmend auch jüdische Stiftungen gegründet. Deutschland hatte ... am Anfang des 20. Jahrhunderts ... 100.000 Stiftungen überwiegend ... von dem aufstrebenden und wirtschaftlich erfolgreichen Bürgertum errichtet. Das war eine besondere Wachstumsphase. ... dass die Zahl heute so viel niedriger ist ... als zur Jahrhundertwende, liegt … an den beiden Weltkriegen, der Inflation, aber in erster Linie ... an der Nazi-Diktatur. Diktaturen wissen, Stiften ist ein Ausdruck bürgerlicher Entfaltung, bürgerlicher Freiheit und ist deswegen im Totalitarismus nicht wohlgelitten, das heißt, es wurden nicht nur jüdische Stiftungen kassiert, sondern viele andere Stiftungen auch zugrundegerichtet."
Vom Stiftungsglanz vergangener Zeit ist nur wenig übrig geblieben. Etwa 30.000 Stiftungen gibt es heute in Deutschland. Doch ihre Zahl wächst rasant. Zwischen 2001 und 2005 wurden 2000 Neustiftungen registriert, eine Verdoppelung zum gleichen Zeitraum zehn Jahre zuvor. Liefe der Trend so weiter, könnte sich die Zahl der Stiftungen in zwei Jahrzehnten mehr als verdoppeln.
Die Gründe für den Stiftungsaufschwung in Deutschland sind vielfältig. Die lange Friedenszeit seit dem Zweiten Weltkrieg war dem Vermögensaufbau förderlich. In den letzten Jahren haben sich auch die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert. Stiften ist einfacher geworden. Steuerliche Freibeträge wurden erhöht. Stiften ist zwar nach wie vor kein Steuersparmodell, weil immer mehr Geld weggeben wird als steuerlich berücksichtigt werden kann. Doch fühlen sich Stiftungsgründer heute wertgeschätzter als früher, weil der Staat zumindest das Geld nicht mehr antastet, das in eine Stiftung fließen soll. Auch die demographische Situation in Deutschland sorgt für ein stiftungsfreundliches Klima.
"40 Prozent der Stifter sind kinderlos. Je mehr Kinderlose es gibt, je mehr Ältere es auch mit wenigen Kindern gibt, um so höher die Wahrscheinlichkeit, dass gestiftet wird, und außerdem hat sich in der letzten Zeit sicherlich das Klima verändert, nach dem Freiwilligensurvey, einer sehr großen Untersuchung zu diesem Thema ... sind immer mehr Menschen der Auffassung, dass der Staat und zwar nicht aus finanziellen Gründen ... nicht alle Gemeinwohlbelange alleine regeln und hinbekommen kann. Man muss selbst etwas tun, und das motiviert die Menschen zum Stiften. Außerdem, je mehr Stiftungen es gibt, um so mehr sind auch sichtbar und das wiederum steckt dann andere Leute an."
Nicht nur schwerreiche Menschen stiften heute, wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung herausgefunden hat. Zwei Drittel der Stifter beziffern ihr Privatvermögen auf weniger als zwei Millionen Euro, ein Drittel besitzt weniger als 250.000 Euro. Vielen Stiftern ist es wichtig, der Nachwelt etwas Bleibendes zu hinterlassen. Es könne niemand etwas mitnehmen ins Grab wird ein Stifter zitiert. Der Wunsch, sich selbst ein Denkmal zu setzen, spielt eine geringere Rolle als vielfach angenommen wird. Jedem zweiten Stifter ist es wichtig, dass er selbst entscheiden kann, wie sein Geld verwendet wird. Eine Stiftungsgründung ist meist von verschiedenen Motiven geprägt.
"Es kommen mehrere Sachen zusammen. Eine Phase im Leben, wo man über längerfristige Fragen nachdenkt, wo mehr Mehr in finanzieller Hinsicht einem nichts mehr bringt, auch kein Ziel ist, wo man schon viel erreicht hat, wo man nicht mehr nur nach vorne blickt, sondern auch schon ein bisschen zurückblickt und mehr Sinnfragen ... im Kopfe wälzt und in diesem Zusammenhang ist ein wesentliches Motiv Dankbarkeit, etwas zurückgeben, ein weiteres Motiv ist gestalten wollen ... und ein drittes ist auch die Überlegung zu bleiben, alles, was man macht, und wenn man noch so viel erreicht, ist irgendwann wieder weg und eine Stiftung hat eine hohe Dauerwahrscheinlichkeit, man selbst lebt fort mit der Stiftung und etwas zu machen, was garantiert bleibt ... das ist eine ... attraktive Perspektive für Menschen, die sonst schon sehr viel erreicht haben."
Im vergangenen Jahrzehnt sind besonders Bürgerstiftungen beliebt geworden. Das sind Gemeinschaftsstiftungen von Menschen, die sich für soziale und kulturelle Projekte in ihrer Region engagieren wollen. Das Eintrittsgeld für diese Stiftungen ist erschwinglich: Man stiftet mit "kleinem Geld" – etwa mit 1000-Euro-Beträgen – und ist an der Stiftung und ihren Projekten beteiligt. Bürgerstiftungen fördern Kinder- und Jugendarbeit, sind im Umwelt- und Naturschutz tätig, unterstützen Generationen übergreifende Projekte. Sie sind offen für Zukunftsthemen und zeichnen sich durch wenig Bürokratie aus. Meist kann man mit ihnen etwas bewegen, was sich von einem Engagement in der Kommunalpolitik – eine mögliche Alternative zur Stiftungsgründung - nicht unbedingt behaupten lässt. Für Hans Fleisch sind Bürgerstiftungen eine wichtige Ergänzung zum staatlichen Handeln:
"Sie können Familienfreundlichkeit nicht ... allein staatlich hinbekommen. Dafür brauchen sie Unternehmen, dafür brauchen Sie die Bürger, brauchen Sie ... Geist, brauchen Sie die Medien, brauchen Sie Aktivitäten vor Ort. Sie können Integration von Menschen mit Migrationshintergrund nicht staatlich alleine organisieren. Diese aktuellen Herausforderungen sind einer der Gründe, warum Bürgerinnen und Bürger sagen, man muss auch selber etwas tun ... Das bezieht sich ja nicht nur aufs Stiften, sondern, dass ist ein Trend insgesamt ... der Staat kann nicht das Allgemeinwohl allein organisieren, er wäre damit qualitativ überlastet. ... Das ist ein Erkenntnisprozess nach einer gewissen Staatsgläubigkeit in den 70er Jahren, wahrscheinlich aus Erfahrung, dass man sieht, mehr Staat bedeutet nicht mehr Gemeinwohl, und wir brauchen das Mittun der Bürger, wir brauchen auch Gemeinsinn. Unsere Gesellschaft wird am Ende nicht nur von staatlicher Infrastruktur ... zusammengehalten, ... sondern ... vom Engagement, das freiwillig ist und von freiwilliger Solidarität."
Die "Loucas de Pedra", die völlig Verrückten, sind ein brasilianisches Straßentheater von neun Schauspielerinnen. Mit ihrem unterhaltsamen, witzigen Spiel thematisieren sie Missstände in der Gesellschaft und prangern Gewalt gegen Frauen an. In dem Stück " A cor do sangue", die "Farbe des Blutes" wird rassistisches Verhalten lächerlich gemacht. Schwerverletzt liegt ein Weißer nach einem Unfall auf der Straße. Er braucht eine seltene Blutgruppe. Eine farbige Frau meldet sich. Doch der Weiße zögert. Soll er wirklich Blut von dieser Frau nehmen?
Die Theatergruppe wird von der ASW, der "Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt" gefördert, einer entwicklungspolitischen Organisation in Berlin. Wahrscheinlich wird sie in Zukunft solche Projekte stärker fördern können. Das liegt vor allem an Ekkart Wollner, der der ASW vor zwei Jahren 120.000 Euro stiftete Der Ruheständler und Mathematiker, der früher bei der Telekom gearbeitet hat, lernte die Arbeit der ASW auf einer Veranstaltung in Darmstadt kennen.
"Da war ´ne Fotoausstellung und es kamen ... Aktivistinnen von der brasilianischen ... Landarbeitergewerkschaft ... und die persönliche Begegnung mit denen und auch deren klare, sachliche Vortragsweise über die Dinge, die nun mal in dem Land sind, das war für mich sehr beeindruckend, weil's ... einfach nicht jetzt war, ich soll irgendeine Patenschaft übernehmen ... da finde ich also so was ... es sind keine Brunnen in dem Dorf, und die Frauen müssen fünf Kilometer das Wasser herbeitragen, und das liegt daran, weil ... Obstplantagen ... das Wasser vollkommen für ... die Felder dieser Konzerne gebraucht wird und für die Dörfer dieser Arbeiter bleibt ... überhaupt nichts übrig. Was mir an der ASW ... da ... besonders gefallen hat ... dass sie Vernetzungen unterstützen, verschiedene Gruppen zusammenbringen ... nicht jetzt mit irgendwelchen besseren Ideen ... in diese Länder gehen und sagen: Wir richten es euch schon, sondern ... Initiativen dort unterstützen ... das finde ich schon sehr gut."
2003 stand Ekkart Wollner plötzlich mit einer größeren Geldsumme da. Seine Frau war bei einem Badeunfall gestorben, eine Versicherung zahlte die Lebensversicherung aus. Schnell wurde ihm klar, dass er sich davon keine größeren Reisen oder andere Luxuskäufe leisten würde. Das hätte ihn zu wenig befriedigt, sagt er. So kam die ASW ins Spiel und die Stiftung "Solidarische Welt" wurde gegründet. Eine sogenannte unselbständige Stiftung, die von der ASW treuhänderisch für Ekkart Wollner verwaltet wird. Benjamin Nölting, Vorstandsvorsitzender der ASW, ist des Lobes voll über den Stifter.
"Dass er ... gesagt hat, dieses Geld brauche ich nicht, ich bin versorgt und wie er es ... geschafft hat, den Schmerz konstruktiv zu wenden und ... gesagt hat, ich gebe das Geld für Projekte, um anderen Menschen eine Zukunftsperspektive zu eröffnen, das hat mich sehr beeindruckt. Weil man ... gerade ... in Entwicklungsprojekten ... das ist jetzt nichts ... wo man dann nach dreißig Jahren ... zurückblicken kann und sagen kann: Hier steht immer noch das Naturschutzgebiet oder hier ist immer noch das Bild in der Kunstgalerie, was wir gestiftet haben, sondern das sind Menschen überall auf der Welt, die eine Chance bekommen haben ... Und das ist was, wo sehr viel Vertrauen dazugehört, aber auch sehr viel Optimismus drin steckt anderen Leuten eine Möglichkeit zu eröffnen."
Der Vorstandsvorsitzende der ASW schätzt Ekkart Wollner auch aus Gründen, die näher liegen.
"Er ist einer unserer allerbesten Werber für Zustiftungen, weil er sehr überzeugend anderen vermitteln kann, ... warum er soviel Geld an die ASW weitergegeben hat. ... Das wirkt ... überzeugender, als wenn wir sagen: Gebt uns Euer Geld, wir machen eine ... gute Arbeit."
Inzwischen hat sich das ursprüngliche Stiftungskapital von 120.000 Euro durch Zustiftungen mehr als verdreifacht. Spender der ASW haben die Möglichkeit ergriffen, es Ekkart Wollner gleichzutun. Statt größere Summen der ASW zu spenden, haben sie sie zugestiftet. Und dabei manchmal tiefer in die Taschen gegriffen als geplant war. Denn auch Großspender der ASW schätzen an der Stiftung, dass sie einen größeren Bestand hat als eine Spende und die Arbeit der ASW vor allem auf Dauer fördert und unterstützt.
Das Stiftungskapital ist in festverzinslichen Anleihen angelegt, die – auf ausdrücklichen Wunsch des Stifters – nach sozialen und ökologischen Kriterien ausgesucht wurden. Die Zinserträge fließen in Frauenprojekte der ASW.
Die historischen Wurzeln des deutschen Stiftungswesens zeigen sich auch heute noch bei Neustiftungen. Die Motive, die einst die Lübecker Kaufleute bewogen, ihre Geldbörse für gute Zwecke zu öffnen, sind nach wie vor aktuell. Zum einen sucht auch der Stifter von heute als Individuum Selbstentfaltung. Zum anderen denkt er natürlich an das eigene Seelenheil. Das will er allerdings heutzutage nicht erst im Jenseits finden, sondern schon zu eigenen Lebzeiten, im Diesseits. Hans Fleisch vom Bundesverband Deutscher Stiftungen:
"Menschen, die etwas Gutes tun, tun es immer für sich selbst. ... wenn sie an amnesty 100 Euro spenden, dann sind sie kein Heiliger, sie tun das für sich, und das hat einen guten Effekt für politische Gefangene, aber sie fühlen sich gut, wenn sie das gemacht haben und darum spenden sie. ... In der Bibel heißt es: Willst du gute Tage sehen, dann tue Gutes. ... Und das haben Menschen immer so gemacht, das ist auch heute noch so, egal, ob sie stiften oder spenden oder ´ner alten Dame über die Straße helfen. ... Stiften macht ... Freude, sofort, wenn ich stifte, tue ich mir selbst sofort etwas Gutes, habe ich eins schöneres Leben, auch mehr Anerkennung ... und es tut auch der Gesellschaft gut ... das ist das Schöne daran, es ist eine Win-win-Situation."
Ekkart Wollner kann das nur bestätigen:
"... natürlich fasziniert mich das, ... weil ich aktiv geworden bin ... sich das Kapital schon verdreifacht hat ... das gibt ein tolles Gefühl - für mich und mich ganz allein ... wie soll man sagen, das ist eine private Geschichte, ..., die mich wärmt ... weniger Genugtuung würde mir ein äußeres Lob geben, das ich ... ´nen Orden krieg oder ´ne Belobigung. Ich setze mir meine Maßstäbe lieber selber und kann mich dann allerdings auch über eine gelungene Sache sehr freuen."
Wurde früher meist für wohltätige Zwecke gestiftet, haben sich die Stiftungsziele heute aufgefächert, widmen sich eher individuellen Aufgaben, wollen Völkerverständigung fördern oder heimatliches Brauchtum. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Stiften immer mehr auch zu einer Frauenangelegenheit geworden ist. In die Szene haben Stiftungsgründerinnen neuen Schwung gebracht. Die Altherrenclubs traditioneller Stiftungen jedenfalls verlieren in der deutschen Stiftungslandschaft an Einfluss.
Bei manchen Stiftungen sieht Hans Fleisch Reformbedarf. Sie müssten sich stärker professionalisieren, meint er, und sich mit ihren Aufgaben weniger verzetteln. Unternehmerisches Denken sei gefragt und die Fokussierung auf eine Kernaufgabe. Auch ist ihm wichtig, dass sich Stiftungen stärker vernetzen, Kooperationen mit anderen Stiftungen eingehen, um die Wirksamkeit ihrer Arbeit zu erhöhen. Stiftungen sollten zudem ihre Arbeit besser nach außen darstellen. Viele stellten ihr Licht zu sehr unter den Scheffel. Den Nutzen von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit würden manche Stiftungen noch zu wenig erkennen. Eine Stiftung ist für den Generalsekretär dann erfolgreich, wenn sie eine Gemeinwohlwirkung erzielt, die größer ist als die eingesetzten Mittel.
"Das kann auf unterschiedliche Art und Weise sein. ... Sie kann im Einzelfall helfen ... sie kann ein gesellschaftliches Problem auf die Tagesordnung setzen, sie kann Modellprojekte schaffen, die andere animieren, entsprechende Lösungen zu suchen, sie kann Forschung fördern, dort, wo Nischen unterbelichtet sind, sie kann neue Modelle im Wissenschaftsbereich anschieben, auch private Universitäten, eine Stiftung kann eigentlich ganz vieles machen, es kommt darauf an, dass sie sich konzentriert auf einige wenige Dinge, die sie wirklich gut machen kann und aus der Konzentration erwächst eine Qualität und aus der qualitativen so ´ne Art Marktführung zu einem Thema erwächst eine Themenführung und dann ein Einfluss, der dann wirklich gesellschaftlichen Wandel vorantreibt."
Bei solchen Äußerungen melden sich gerne Stiftungskritiker zu Wort. Ihr Blick richtet sich dann häufig auf amerikanische Megastiftungen, zum Beispiel auf die "Bill und Melinda Gates Foundation", die – mit 27 Milliarden Dollar Kapital ausgestattet – die Krankheiten dieser Welt vom Planeten tilgen will: Malaria, Aids oder Tuberkulose. Erst im letzten Jahr hat Warren Buffet, der legendäre amerikanische Investor, den Großteil seines Vermögens - etwa 30 Milliarden Dollar -, hinzugestiftet.
Kritiker bemängeln zum einen die Herkunft des Geldes. Die Rieseneinkommen der Stifter würden auf Kosten wirtschaftlicher Ungleichheit erzielt. Gäbe es diese nicht, herrschten möglicherweise auch nicht so viel Krankheit, Not und Elend auf der Welt.
Zum andern wird der politische Einfluss von Großstiftungen auf Politik und Gesellschaft kritisiert. Demokratisch legitimiert sei der nicht. Während sich die Gates-Stiftung noch offen und transparent gibt, zeigen sich andere Stiftungen verschwiegener, wirken im Stillen als politische Weichensteller. Für den Historiker Kevin Philipps ist das um sich greifende amerikanische Stiftungswesen schon Ausdruck einer Plutokratie, einer wachsenden Macht des Geldes und einer schwindenden Macht des Staates.
Auch in Deutschland üben Großstiftungen zunehmend Einfluss auf Politik und Gesellschaft aus. Es erstaunt schon, welch gerngesehene Gäste Stiftungsvertreter im Kanzleramt und Ministerien sind. Die Grauzone, in der sie ihre Lobbyarbeit betreiben – im Englischen wird sie treffend als "political engineering" bezeichnet – weitet sich aus.
Verblüfft schaut man sich in Berlin auch Repräsentanzen von Großstiftungen an. Die prächtigen Gebäude wirken wie Botschaften einer fremden Macht. Selbstbewusst sucht hier das Geld die Nähe zur politischen Elite. Leicht drängen sich Erinnerungen an die Lübecker Kaufleute und ihr Wandbild in der Heiligen-Geist-Kirche auf.
Nein, Fürbitte für ihre Stifter legen die heutigen Bewohner des Heiligen-Geist-Hospitals in Lübeck, das nach wie vor eine Heimstatt für Alte und Bedürftige ist, wohl kaum noch ein. Das hätten die alten Kaufleute auch nicht mehr nötig. Sicherlich haben die meisten nach ihrem Tod den Sprung in den Himmel geschafft. Bestimmt werden die Handelsherren vom Himmel aber wohlgefällig ihr Werk betrachten und sich freuen, dass es über die Jahrhunderte Bestand gehabt hat. Jens Christian Holst, Kunsthistoriker und Denkmalpfleger aus Lübeck:
"Das Hospital hat im Laufe des Mittelalters und zwar gerade schon in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens ... umfangreiche Schenkungen erhalten, sei es in Form von Nachlässen, von Geldzuwendungen, aber auch in Form von Ländereien, die dann durch eine kluge Vermögenspolitik arrondiert wurden, so dass zum Ausgang des Mittelalters zahlreiche Dörfer und Gutshöfe, Wälder ... Spitalsbesitz waren, auch durch die Reformation ... unangetastet erhalten blieben bis in das 20. Jahrhundert, wobei zu Zeiten der DDR über das Eigentum in Mecklenburg nicht verfügt werden konnte, das dann nach der Wende in die Hospitalsverfügung zurückgekehrt ist."
Die Heiligen-Geist-Stiftung in Lübeck ist eine wohlhabende Stiftung. 100.000 Euro werden jährlich aus dem Stiftungsvermögen ausgeschüttet. Eine schöne Kapitalrendite. Selbst im Himmel wird den Kaufleuten deshalb das Herz vor Freude noch hüpfen und springen.