"Dem bin ich sofort verfallen"

Moderation: Matthias Hanselmann · 24.05.2013
Ohne das Schloss wäre "Verbotene Liebe" nur eine Serie wie alle anderen auch, sagt die Literaturkritikerin Elke Heidenreich. Die Ambivalenz aus Bürgerlichkeit und Adel findet Heidenreich "glänzend gemacht", "witzig", mit "einem Hauch Ironie".
Matthias Hanselmann: Frau Heidenreich, guten Tag!

Elke Heidenreich: Guten Tag!

Hanselmann: Wann und wie hat das denn angefangen mit Ihrer Sucht?

Heidenreich: Ich weiß gar nicht mehr wann, aber wie, dass alle meine Freundinnen das guckten. Und vor allem meine Freundin Leonie sagte: Wie, das guckst du nicht? Um 18 Uhr darfst du mich nicht anrufen, da gucke ich "Verbotene Liebe", und dann habe ich auch mal geguckt, und schwupp, war ich drin.

Hanselmann: Also Sie sind der Droge sozusagen sofort verfallen, oder brauchten Sie einen Gewöhnungseffekt, wie andere Abhängige?

Heidenreich: Sofort! Und zwar fand ich so schön, das muss etwa gewesen sein vor sieben, acht Jahren, schätze ich mal so, oder neun – also ich glaube, die Hälfte der Zeit bin ich dabei –, ich fand so schön, alle Soaps und Serien spielen immer in irgendwelchen Chefetagen oder Wohnküchen, also im normalen Leben. Aber hier war ein Schloss und ein Butler, und der Südflügel modert, und bei Frau Linse in der Küche treffen sich immer alle nachts und trinken Wasser. Das fand ich so komisch, diese Schlossatmosphäre, und dem bin ich sofort verfallen.

Hanselmann: Was sonst ist es, das Sie an "Verbotene Liebe" lieben?

Heidenreich: Die verrückten Dialoge, ich finde, das ist extrem gut geschrieben, gegen oft andere Soaps, und das meine ich ganz ehrlich, ich finde die Schauspieler wirklich glänzend, also Wolfram Grandezka oder Miriam Lahnstein, die ja wunderbarerweise Lahnstein heißt, wie die von Lahnsteins in der Serie, oder Martina Servatius oder Gabriele Metzger, was sind das für tolle Schauspieler alle. Das ist wirklich nicht windig und mit der linken Hand gemacht und mit der heißen Nadel gestrickt, sondern das ist richtig gut gemacht. Und das hat auch immer so einen Hauch Ironie. Also einmal saß Ansgar im Gefängnis, und seine Frau Tanja damals noch kam ihn besuchen und fragte: Ansgar, kann ich irgendetwas für dich tun? Und er sagte: Wenn du so fragst – fall tot um! Wo findet man so was schon im Vorabend?

Hanselmann: Diese genialen Dialoge loben Sie ganz besonders, auch in Ihrem hymnischen Essay für "Die Welt". Haben sie noch was anderes auf Lager?

Heidenreich: Ach, ich weiß nicht, nein, es ist alles irgendwie schön. Es ist jeden Abend so, dass ich um sechs Uhr einfach so eine Zäsur in meiner Arbeit habe, ein Glas Wein trinke oder mir einen Tee mache, mich davor setze und mich amüsiere, und es ist nie so, dass ich nicht mindestens einmal laut lache. Und das ist doch schon viel wert.

Hanselmann: Allerdings. Mit großem Tamtam wurde und wird ja der 200. Geburtstag von Richard Wagner gefeiert. Sie als Opern-Fan und Opernkennerin vergleichen "Verbotene Liebe" ja sogar mit dem "Ring der Nibelungen".

Heidenreich: Ja, klar, das ist auch eine riesige Familiengeschichte. Vater Wotan baut ein Haus, also Schloss Lahnstein, und kann das nicht bezahlen, in dem Fall heißt es Walhall, macht einen Deal mit den Riesen, betrügt die, klaut das Rheingold – das ist doch alles ganz genau wie bei den Lahnsteins! Also diese Sachen Betrug, Liebe, Eifersucht, Lüge, Vertragsbruch, das zieht sich durch die Geschichte, durch die Opern, durch die Legenden, die alten Fabeln, bis hin in unsere Soaps heute um 18 Uhr, ist doch wunderbar.

Hanselmann: Deswegen vergleichen Sie die "Verbotene Liebe" auch mit Flaubert und Tolstoi?

Heidenreich: Ja, weil es große Familiengeschichten sind. Natürlich sind Flaubert und Tolstoi Erzähler ganz anderen literarischen Formats. Wir haben es mit einer Soap zu tun, wir dürfen das jetzt nicht überbewerten. Das ist eine kleine Serie, jeden Tag 50 Minuten, aber die ist glänzend gemacht, die ist witzig, und die greift auf etwas trivialere Art die großen Topoi der Weltliteratur durchaus ernst zu nehmend auf.

Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit der Schriftstellerin, Literaturkritikerin, Kabarettistin, Moderatorin, Journalistin, Opernlibrettistin, Synchronsprecherin habe ich vergessen … Schauspielerin?

Heidenreich: Ja!

Hanselmann: Was habe ich vergessen, Frau Heidenreich.

Heidenreich: Ja, das ist ein Ding, ne? Ich habe damals aus Spaß in diesem Artikel in der "Welt" geschrieben: Ach, wenn ich da einmal mitspielen dürfte. Und dann haben die mir sofort eine Mail geschickt und gesagt: Ja, wenn Sie wollen! Und dann durfte ich. Ich war eine Privatdetektivin, von Ansgar engagiert für krumme Dinger und hieß Felicitas Haverdorn und durfte schon zweimal auftreten, das hat mir Riesenspaß gemacht. Und da habe ich die auch alle persönlich kennengelernt, und es sind unglaublich nette Menschen. Die Stimmung am Set ist gut, es ist alles sehr freundschaftlich und fröhlich – ich war ganz glücklich, da mitmachen zu dürfen.

Hanselmann: Durften Sie sich den Namen Felicitas Haverdorn selber ausdenken?

Heidenreich: Natürlich nicht, ich kriegte alles vorgeschrieben: Meine Texte, mein Outfit, ich kriegte einen Coach, der mir beibrachte, wie ich zu gehen und zu lächeln habe, das war sehr, sehr streng, da durfte gar nichts irgendwie improvisiert sein.

Hanselmann: Also Ihre Sicht auf "Verbotene Liebe" hat sich nicht grundlegend verändert, sondern höchstens noch verbessert?

Heidenreich: Verbessert – weil es sehr schön war, die alle wirklich mal zu sehen. Und ich musste mich immer zusammennehmen, die nicht mit ihrem falschen Namen anzusprechen, und ich habe zu Herrn Wolf gesagt: Guten Tag, Herr Wolf! Und dann hat er gesagt: Ich bin nicht Herr Wolf, ich bin Till Demtrøder! Und der Name ist schwierig, und beim nächsten mal, als ich ihn wiedersah, habe ich – morgens um acht! – wie aus der Pistole geschossen gesagt: Guten Morgen, Herr Demtrøder! Und da r sich sehr gefreut.

Hanselmann: Vorbildlich! Schauen Sie eigentlich auch andere Serien?

Heidenreich: Selten. Ich habe "Homeland" geguckt, in Sat1 lief das sonntags abends, diese amerikanische Terroristenserie, kann man sagen.

Hanselmann: Hochgelobt, ja.

Heidenreich: Das fand ich ganz, ganz großartig. Sonst tu ich mir Serien eigentlich nicht an, weil ich viel reise und gar nicht so die Zeit habe. Für "Verbotene Liebe" um 18 Uhr reicht es immer, da ist man noch nicht weg, am Abend, man ist zu Hause, man ist, wenn man eine Lesung um acht hat, auch schon im Hotel und kann noch schnell gucken. Das unterhält mich eigentlich immer, und andere Serien, das würde mich zu sehr einengen.

Hanselmann: Wenn Sie aber mal vergleichen: Was macht "Verbotene Liebe" aus Ihrer Sicht zu einer besonderen Serie, zum Beispiel im Vergleich zur "Lindenstraße"?

Heidenreich: Na ja, eben das Schloss. Und ich habe jetzt in letzter Zeit so ein bisschen Angst. Ich sehe zum Beispiel, Dana und Jessica sind gerade in die WG zurückgezogen. Christian ist nach London entschwunden, die Grafen Ludwig und Hagen sind tot, Ansgar ist jetzt Alleinerbe, und ich denke, der wird die alle vom Schloss jagen. Und ich habe so ein ungutes Gefühl, als würden die das Schloss einstellen wollen, und das fände ich sehr, sehr schade. Denn diese Ambivalenz, einerseits WG mit diesen ganzen dummen Kindern und die bürgerliche Familie Wolf, und andererseits das Schloss mit dem Butler, der sagt, entschuldigen Sie, Graf Lahnstein, aber ich glaube, im Südflügel modert es, das ist gerade so lustig. Und wenn das Schloss weg wäre, wäre es eine Serie wie alle anderen auch, das würde ich sehr bedauern.

Hanselmann: Wird Felicitas Haverdorn in absehbarer Zeit wieder auftauchen?

Heidenreich: Ich weiß von nichts, aber wenn die mich fragen, bin ich immer dabei. Ich bin stolz und glücklich und mache das sehr gerne und finde das einen herrlichen Spaß.

Hanselmann: Die werden das hier hören und Ihnen sofort eine Rolle reinschreiben, glaube ich.

Heidenreich: Oh, dann sehe ich meinen Ansgar wieder, ich bin natürlich total verliebt in den Bösewicht, der Interessanteste ist immer der Böseste: Ansgar von Lahnstein.

Hanselmann: Zum Schluss eine Frage, die sich wahrscheinlich erübrigt: Was machen Sie heute von 17:50 Uhr bis 18:30 Uhr?

Heidenreich: Das fragen Sie mich nicht im Ernst, oder?

Hanselmann: Nein!

Heidenreich: Da mache ich meine Tüte Chips auf, trinke mein erstes Glas Rosé, sitze da und gucke, was aus der Trauerfeier für die armen Verschollenen wird.

Hanselmann: Elke Heidenreich, der wahrscheinlich größte Fan von "Verbotene Liebe" auf Gottes Erden. Vielen Dank für das Gespräch!

Heidenreich: Danke Ihnen, dass Sie sich für so etwas Schönes interessieren im Kulturradio!


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