Dekolonialisierung in Kolumbien

Warum Kolumbus vom Sockel geholt wurde

06:20 Minuten
Demonstranten stehen jubelnd neben einer gestürzten Kolumbus-Statur im kolumbianischen Barranquilla.
Mit dem kolonialen Erbe brechen: Jugendliche haben am 29. Juni in Barranquilla ein Denkmal für Christoph Kolumbus gestürzt. © AFP / Mery Grandos Herrera
Burkhard Birke im Gespräch mit Gesa Ufer · 19.07.2021
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Der Schatten des Kolonialismus ist in Kolumbien lang: Armut und Marginalisierung der Indigenen sind Alltag in dem Land. Nun brachten Jugendliche eine Statue von Christoph Kolumbus zu Fall. Die Aktion ist eine von vielen, erläutert Burkhard Birke.
Und dann stürzte das Denkmal von Christoph Kolumbus: In der kolumbianischen Küstenstadt Barranquilla haben junge Menschen die Statue des vermeintlichen Entdeckers Amerikas zu Fall gebracht, zerlegt und anschließend den Kopf durch die Stadt geschleift. Ereignet haben sich die Szenen in der Hafenstadt am 29. Juni, wie Deutschlandradio-Lateinamerika-Experte Burkhard Birke berichtet.
Die Aktion reiht sich ein in andere, ähnliche Taten andernorts in Süd- und Mittelamerika, bei denen gegen das Gedenken an ehemalige Kolonisatoren protestiert wurde: Bereits im vergangenen Jahr ist in Mexiko-Stadt ein Kolumbus-Denkmal aus der Öffentlichkeit entfernt worden; am 7. Mai diesen Jahres haben indigene Gruppen auch in Kolumbiens Hauptstadt Santafé de Bogotá eine Statue des Stadtgründers und Konquistadoren Gonzalo Jiménez de Quesada niedergerissen; auch in Cali weiter südlich im Land wurde das Denkmal für Sebastián de Belalcázar zu Fall gebracht, dem spanischen Offizier, der diese Stadt im 16 Jahrhundert gegründet hat.

Indigene und Jugendliche protestieren

In Barranquilla seien vor allem Jugendliche an dem Denkmalssturm beteiligt gewesen, die auch bei den derzeitigen Protesten gegen die kolumbianische Regierung von Präsident Iván Duque sehr aktiv seien, erläutert Birke. "Die Jugend sieht keine Zukunft mehr und will aber auch mit dem kolonialen Erben abschließen."
Doch auch indigene Gruppen spielten eine wichtige Rolle bei den Demonstrationen. Die Indigenen würden vom Staat und von der Gesellschaft weiterhin marginalisiert, berichtet der Journalist. "Das zeigen die Armutsindizes – dass gerade die indigenen Bevölkerungsteile in Kolumbien, aber auch in anderswo in Lateinamerikas ganz besonders betroffen sind von der Ungleichheit, von der Haltung der Oligarchien in Südamerika, nicht teilen zu wollen und den Ureinwohnern nicht ihre Rechte zu geben."

Politische Morde

Ebenso wie die afro-kolumbianische Community und die Jugendlichen verlangten die Indigenen tiefgreifende und am Gemeinwohl orientierte Reformen. Außerdem forderten sie die Einhaltung von Menschenrechten, einen Dialogprozess für ein menschenwürdiges Leben und die Umsetzung des bereits 2016 geschlossenen Friedenabkommens zwischen der Regierung und der Guerilla FARC.
Die letzte Forderung verweise darauf, dass Ex-FARC-Guerrilleros, Menschenrechtsaktivisten und indigene Führer in den letzten Jahren ermordet würden, so Birke.
(rzr)
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