"Dein Tag, dein Style"

Von Johannes Nichelmann |
In Ostdeutschland ist die Jugendweihe nach wie vor beliebt. Für Jugendliche markiert die Feier den Schritt ins Erwachsenenleben - und dabei spielt das Outfit eine wesentliche Rolle. In speziellen Jugendweihe-Modeschauen werden die aktuellen Trends präsentiert.
"Aufgeregt?"
Stefan: "Marc, Du guckst so? Was ist los?"
Marc: "Ich guck nur, wegen meinen Mitläuferinnen."
Stefan: "Ach so."
Marc: "Muss noch mal die Choreo durchgehen."

Marc, 13 Jahre alt, sitzt mit seinem besten Freund Stefan auf einer Holzbank. Um sie herum wuseln Hunderte Menschen, die auf die vielen Geschäfte links und rechts zusteuern. Samstagvormittag in einem großen Shoppingcenter in Berlin-Marzahn.

Die Körpersprache des zierlichen Jungen mit den etwas abstehenden Ohren verrät, dass er extrem aufgeregt ist. In einer Stunde steht er auf der Bühne, die extra für den heutigen Tag im Einkaufscenter aufgebaut worden ist. Es wird eine Modenschau für Jugendweihemoden geben. Festliche Klamotten, die sonst eher selten von 13-Jährigen getragen werden. Marc ist eines der Models. In ein paar Wochen, erzählt der Realschüler, wird er selbst endlich seine Jugendweihe feiern können. Wie schon seine zwei großen Schwestern vor ihm.

Marc: "Ich fand‘s auch ein bisschen blöd, dass ich noch zu klein war für die Jugendweihe. Aber dann hab ich mich wieder darauf gefreut, dass ich in ein paar Jahren die auch habe. Die ganzen Geschenke, die ganzen Leute, die sich denn da versammeln ..."

Seine ganze Familie wird ihn einen Tag lang feiern, denn Marc tritt symbolisch in die Welt der Erwachsenen über. Gemeinsam werden sie essen gehen und dann noch bei Marc und seiner Familie zu Hause Kaffee trinken. An einer offiziellen Zeremonie, wie sie zahlreich dieser Tage angeboten werden, möchte Marc nicht teilnehmen. Zu unpersönlich, findet er.

Marc: "Mein erstes Geschenk habe ich schon. Das ist mein neues Zimmer. Alles, was alt war, wurde rausgeschmissen. Ich hab ein neues Bett bekommen. Eigenen PC, dann neue Möbel. Nur zur Jugendweihe. Endlich mehr Platz!"

Schäfer: "Diese Mode erleben Sie hier heute auf dem Laufsteg! Dazu haben wir 30 Models aus Berlin und Brandenburg zu Gast. Das sind keine Berufsmodels! Sondern ganz normale Kinder, Jugendliche und Eltern."

Jörg Schäfer steht bereits auf der großen runden Bühne, hält in der Hand ein Mikrofon. Werbung machen, für die große Modenschau. Ein paar Leute, bepackt mit schweren Tüten, bleiben stehen. Eine Frau lässt für einen kurzen Moment von ihrer Eistüte ab. Schäfer ist Leiter eines Jugendklubs in Marzahn und hat die Modenschau mitorganisiert. Seit einem Dreiviertel Jahr schon plant er am heutigen Tag.

Schäfer: "Wenn wir schon heute hier sind und die Modenschau präsentieren, steckt natürlich auch eine Wirtschaftskraft dahinter. Weil mit dem Familienfest dann am Nachmittag, erwarten natürlich die Jugendlichen dann auch kleine Geschenke und das wird dann irgendwann umgesetzt, in den Einkaufs- und Shoppingcentern. Das war früher, genauso wie heute."

Seine eigene Jugendweihe hatte Jörg Schäfer 1968. Damals gab es von seinen Eltern Geld für eine Zahnbehandlung. Nichts, was mit einem teuren Smartphone zu vergleichen wäre, sagt er und lächelt. Aber im Grunde zählten schon immer die Geschenke. Wenn auch nicht offiziell. Heute ist das alles ja freiwillig, meint der Chef des Jugendklubs. Das zumindest war früher in der DDR anders.

Schäfer: "Lässt man jetzt das politische Schwänzchen weg, in der DDR wurde natürlich mehr ... politische Dinge standen da mehr im Mittelpunkt. Dass man dem Staat treu ist, auf den Staat schwört."

"Los geht's!"
Frau: "Bereit? Habt Ihr Spaß? Seid Ihr aufgeregt?"
Menge: "Ja ... Nein ..."
Frau: "Schön lächeln, ja? Ganz viel Spaß haben, auch wenn ich jetzt gerade ein bisschen gestresst war. Jetzt, ruhig!"
Mädchen: "Ruhe dahinten!"
Frau: "Guuuuuut! Dann!"
Mädchen: "Ich hab noch eine Frage!"
Frau: "Zu spät!"

Marc - er trägt inzwischen einen schwarzen Anzug und einen orangenen Schal - macht sich mit den anderen Models auf den Weg zur Bühne. Alle laufen in einer Reihe. Mädchen in bunten Opernballroben oder dem "kurzen Schwarzen". Dazu: aufwendige Frisuren. Jungs in Anzügen des Typs "Bankkaufmann" oder eher lässig mit Jeans, Weste und Halstuch. Kurz bevor es losgeht, hinter der Bühne: Marc kommt mit einem anderen Jungen ins Gespräch. Der ist schon 14 und hatte seine Jugendweihe im letzten Jahr.

Junge: "Du kommst zu den Erwachsenen. Sagen wir es mal so. Und man fühlt sich halt ein bisschen mehr erwachsener, find ich. Ja, genau. Also meine Jugendweihe war echt gut. Freust Du Dich auf Deine Jugendweihe?"
Marc: "Ja!"
Junge: "Ja?"

Von allen Etagen aus blicken Menschen auf die Modenschau im Erdgeschoss. Von den Sitz- und Stehplätzen vor der Bühne ist nichts mehr frei. Um die 400 Menschen sind gekommen, um zu erfahren, was gerade so gefragt ist. Marc, der vor einer Stunde noch Angst hatte, seine Choreografie zu vergessen, läuft lässig mit einer Hand in der Hose auf und ab. Bleibt kurz stehen, lächelt und stellt sich an das hintere Ende der Bühne, wo ebenfalls zwei Mädchen ihre Kleider präsentieren. Die Moderatorin kommt auf ihn zu.

Moderatorin: "Und natürlich auch der Marc! Finde ich auch klasse hier, mal ganz mutig. So ein bisschen mit einem Tuch kombiniert das ganze. Und ich sehe, sag mal Marc, so ein ganz bisschen Make-up hast Du auch dran. Warum sollen sich die Jungs nicht auch mal ein bisschen stylen? Also, ich find's okay. Dankeschön Ihr drei!"

Nach zwei Minuten ist schon wieder alles vorbei. Marc ist mit sich zufrieden, freut sich den orangenen Schal ablegen zu dürfen. Zu seiner Jugendweihe will er lässig, sportlich auftreten. Das ist mehr so sein Style, findet er.