Dehnen beim Sport

Immer schön geschmeidig bleiben

05:47 Minuten
Ein Mann dehnt sich auf einem Sportplatz
Richtiges Dehnen will gelernt sein, nur dann hat es positive Auswirkungen. © picture alliance / dpa / Christin Klose
Von Elmar Krämer  · 31.10.2021
Audio herunterladen
Im Gegensatz zu Profis vernachlässigen Hobbysportler oft das Dehnen. Um zu wissen, wie viel man, wann tun soll, muss man zwischen Körpertypen und Sportarten unterscheiden und sollte keine Zeit mit uneffektiven Bewegungen verschwenden.
Bevor es beim Kampfsport ans Kämpfen oder um das Trainieren spektakulärer Tritte geht, ist völlig klar: Erst einmal muss die Muskulatur aufgewärmt und gedehnt werden. Beim Fußball, beim Joggen: Immer wieder sieht man auf Sportplätzen oder in Parks Menschen mit rundem Rücken in Richtung eines hochgelegten, aber oft nicht gestreckten Beines federn - ein bisschen Stretching muss schon sein. Oder doch nicht?

Gelenkigkeit und Dehnfähigkeit unterscheiden

Dr. Daniel Gärtner, Sportwissenschaftler an der TU München plädiert für ein ganzheitliches Training mit Sinn und Verstand. Wer weiß, was und wie man trainiert, kann nicht nur Verletzungen vermeiden, sondern auch das Körpergefühl verbessern und die Beweglichkeit steigern. Apropos Beweglichkeit:
"Die unterteilt sich in die Gelenkigkeit, und die können wir bewusst gar nicht so beeinflussen. Das ist einfach die typische Gelenkstellung der Knochen, die in einem bestimmten Winkel zueinanderstehen, so wie wir geboren werden. Dann gibt es die Dehnfähigkeit. Da geht es darum, wie dehnfähig ist die Muskulatur, wie dehnfähig sind die Sehnen und die Bänder. Und die können wir durch Training selbstverständlich beeinflussen", sagt Gärtner.

Um die Leistungsfähigkeit des Körpers zu erhalten, ist es wichtig, geschmeidig zu bleiben oder zu werden. Die Wissenschaft unterscheidet in Bezug auf die Beweglichkeit von Muskeln, Sehnen, Bändern und Faszien den Cleopatra- und den Wikingertyp. Letzterer sollte dehnen.

Auf die Sportart kommt es an

"Ist man eher der steife Typ, der Wikingertyp, und auch immer wieder mal verspannt, dann macht das Dehnen tatsächlich Sinn. Bei jemandem, der von Haus aus ganz locker und entspannt ist, da braucht es nicht so viel Dehnung", so Gärtner. Um keine Zeit mit uneffektiven Bewegungen zu verschwenden, sollte man bewusst und bewegungsspezifisch dehnen und sein Ziel vor Augen haben.
"Wenn eine Sportart große Bewegungsamplituden erfordert, zu Beispiel der Kampfsport, das Turnen, das Tanzen oder gewisse Übungen in der Leichtathletik, man denke da an den Hürdenlauf oder auch an das Schwimmen, an den Kraulstoß, in dem ich den Ellenbogen wirklich weit nach hinten führen muss. Da braucht es eine sehr, sehr hohe Bewegungsamplitude. Und da ist ein richtiges Beweglichkeitstraining absolut notwendig."
Dabei geht es nicht nur um passives Dehnen, also das Halten einer Dehnposition oder um federndes Dehnen, sondern darum, das Zusammenspiel der streckenden- und beugenden Muskeln zu verbessern, die sogenannte intermuskuläre Koordination. Das spielt zum Beispiel auch bei Yoga oder Pilates eine Rolle. "Es geht darum, dass wir das Dehnen auch funktionell gestalten."

Hilfreiche Methoden aus der Physiotherapie

Heutzutage bedient man sich sogenannter PNF-Methoden aus der Physiotherapie - "Propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation". Dabei wird mit der Sensorik des Muskel-Sehnen-Komplexes gearbeitet, zum Beispiel bei der CR-Methode, Contract and Relax, erklärt Gärtner:
"Wenn ich meinen Beinbeuger dehnen möchte, also die Oberschenkelrückseite, und ich mit dem Oberkörper nach vorne gehe, auf das gestreckte Bein, dann spüre ich eine Dehnung im Beinbeuger, und dann spanne ich das Bein an, indem ich zum Beispiel die Ferse nach unten in den Boden drücke, lasse dann locker und dadurch entsteht eine gewisse Entspannung, und ich kann tiefer dehnen."
Bei einer weiteren Methode, der AR Methode - Antagonist Contract - wird der Gegenspieler des Beinbeugers, der Beinstrecker, angespannt. Das Bein wird also nur durch Muskelkraft angehoben und kurz gehalten, dann wieder gedehnt. Diese Methoden lassen sich auch kombinieren: "Dadurch entsteht eine neuromuskuläre Entwicklung der Koordination und die Bewegungsqualität verbessert sich. Man wird feinmotorischer und kann sich viel ökonomischer und ästhetischer bewegen."

Alltagsbewusstsein für die Bewegungen entwickeln

Genauso wichtig wie richtiges Dehnen ist es auch, Bewegungen über den vollen Bewegungsumfang auszuführen, das bedeutet bei Kniebeugen beispielsweise bis zum Boden runter zu gehen. Vor allem aber ist es wichtig, auch im Alltag ein Bewusstsein für die eigenen Bewegungen zu entwickeln, immer wieder aufzustehen und gezielt zu dehnen.
"Jeder Mensch, der einfach nur dehnt und die Position zum Beispiel 30 Sekunden hält, der braucht keine Angst zu haben, dass er da irgendwelche negativen Wirkungen hätte. Nein, das Gegenteil ist der Fall. Man ist entspannter, man lernt seinen Körper besser kennen, und man hat letzten Endes nur positive Wirkungen", sagt Gärtner.
Mehr zum Thema