Degenerierte Russen
Vor knapp über 50 Jahren, im Dezember 1962, besuchte der sowjetische Regierungschef Chruschtschow eine Ausstellung zeitgenössischer Künstler in der Manege, dem großen Moskauer Ausstellungskomplex. Sein Urteil: All das sei degenerierte Kunst, Schmierereien.
Chruschtschows Empörung füllt den kleinen Ausstellungsraum. Gut ein Dutzend Bilder sind übrig geblieben von der skandalumwitterten Ausstellung, damals, 1962, als abstrakte Kunst in der Sowjetunion noch Seltenheitswert hatte. 40 Künstler präsentierten in der Manege ihre Werke, alles sogenannte Abstraktionisten. Aus heutiger Sicht eher harmlose Werke, eben kein heroischer sozialistischer Realismus, sondern farbenfrohe, stilisierte Bilder aus dem alltäglichen Leben.
Vera Preobraschenskaja war eine der Künstlerinnen, die vor 50 Jahren zu dieser Ausstellung eingeladen waren. Sie erinnert sich noch gut daran, wie Chruschtschow auf den für ihn offenbar äußerst ungewohnten Anblick reagierte. Gleich das erste Bild, ein Porträt einer jungen Frau, erregte den Unmut des Regierungschefs.
„Das war so ein kleines Porträt, eine sehr schöne Malerei von Rossal, in gelb, wissen Sie, so künstlerisch und hübsch – Rossal war ein guter Künstler, wissen Sie. Um das Bild ausdrucksvoller zu machen, hat er diese Frau nur mit einem Auge gemalt.
Und diese Sache hat Chruschtschow angezogen, und er hat gefragt, was ist das? – Wir haben ihm geantwortet, das sei das Porträt einer jungen Frau. Da hat er seine Verärgerung geäußert, und gesagt, dass wir alle noch nicht einmal eine Frau malen könnten, und dass wir alle Päderasten sind!“
Auch die anderen Gemälde missfielen dem Kritiker aus dem Kreml. Der Mensch werde in diesen Bildern entstellt und gedemütigt, schimpfte Chruschtschow. Das seien doch nur Schmierereien, und noch viel Schlimmeres. In seiner Erregung verstieg sich der Regierungschef sogar zu völlig haltlosen Vorwürfen:
„Das ist Päderastie in der Kunst! Wenn die Päderasten zehn Jahre Haft bekommen, sollen wir dann etwa die ‚Künstler‘ mit Orden auszeichnen? Von wegen! Lassen wir uns die Frage stellen, welche Gefühle das bei uns auslöst!“
Im Gefängnis landete vor 50 Jahren keiner der Künstler, Folgen hatte die Chruschtschow-Kritik allerdings dennoch, erinnert sich Vera Preobraschenskaja. Sie arbeitete damals in einem Buchverlag. Kurz nach der Ausstellung kam der künstlerische Leiter des Verlags zu ihr.
„Er hat gesagt, ‚Wissen Sie, Wera Iwanowna, ich hatte Ihretwegen Besuch; es existiert eine geheime Vereinbarung, nämlich diesen Künstlern, die an dieser Ausstellung teilgenommen haben, keine Stelle anzubieten!‘“
Vera Preobraschenskaja konnte weiter arbeiten, brachte ihre Familie durch mit Buchillustrationen. Andere Künstlerkollegen entschieden sich dafür, auszuwandern, in den Westen, wo sie ihre künstlerischen Ideen frei entfalten konnten. Die Ausstellung nahm nach der prominenten Kritik ein jähes Ende, viele der Bilder verschwanden spurlos. Auch eines von Vera Preobraschenskaja, erzählt ihre Tochter Olga.
„Leider wissen wir nicht, wo dieses Bild jetzt ist. Das war ein Landschaftsgemälde von Wolgograd. Es sieht so aus, als ob das Kulturministerium dieses Bild gekauft hätte.“
Chruschtschow selbst versöhnte sich offenbar kurz vor seinem Tod 1971 noch mit der modernen Kunst. Auf seinen eigenen Wunsch gestaltete der Bildhauer Ernst Neiswestny eine Skulptur für sein Grab auf dem Moskauer Nowodewitschi-Friedhof – der Bildhauer, den der Kremlchef bei der Ausstellung 1962 noch als degenerierten Künstler bezeichnet hatte.
Vera Preobraschenskaja war eine der Künstlerinnen, die vor 50 Jahren zu dieser Ausstellung eingeladen waren. Sie erinnert sich noch gut daran, wie Chruschtschow auf den für ihn offenbar äußerst ungewohnten Anblick reagierte. Gleich das erste Bild, ein Porträt einer jungen Frau, erregte den Unmut des Regierungschefs.
„Das war so ein kleines Porträt, eine sehr schöne Malerei von Rossal, in gelb, wissen Sie, so künstlerisch und hübsch – Rossal war ein guter Künstler, wissen Sie. Um das Bild ausdrucksvoller zu machen, hat er diese Frau nur mit einem Auge gemalt.
Und diese Sache hat Chruschtschow angezogen, und er hat gefragt, was ist das? – Wir haben ihm geantwortet, das sei das Porträt einer jungen Frau. Da hat er seine Verärgerung geäußert, und gesagt, dass wir alle noch nicht einmal eine Frau malen könnten, und dass wir alle Päderasten sind!“
Auch die anderen Gemälde missfielen dem Kritiker aus dem Kreml. Der Mensch werde in diesen Bildern entstellt und gedemütigt, schimpfte Chruschtschow. Das seien doch nur Schmierereien, und noch viel Schlimmeres. In seiner Erregung verstieg sich der Regierungschef sogar zu völlig haltlosen Vorwürfen:
„Das ist Päderastie in der Kunst! Wenn die Päderasten zehn Jahre Haft bekommen, sollen wir dann etwa die ‚Künstler‘ mit Orden auszeichnen? Von wegen! Lassen wir uns die Frage stellen, welche Gefühle das bei uns auslöst!“
Im Gefängnis landete vor 50 Jahren keiner der Künstler, Folgen hatte die Chruschtschow-Kritik allerdings dennoch, erinnert sich Vera Preobraschenskaja. Sie arbeitete damals in einem Buchverlag. Kurz nach der Ausstellung kam der künstlerische Leiter des Verlags zu ihr.
„Er hat gesagt, ‚Wissen Sie, Wera Iwanowna, ich hatte Ihretwegen Besuch; es existiert eine geheime Vereinbarung, nämlich diesen Künstlern, die an dieser Ausstellung teilgenommen haben, keine Stelle anzubieten!‘“
Vera Preobraschenskaja konnte weiter arbeiten, brachte ihre Familie durch mit Buchillustrationen. Andere Künstlerkollegen entschieden sich dafür, auszuwandern, in den Westen, wo sie ihre künstlerischen Ideen frei entfalten konnten. Die Ausstellung nahm nach der prominenten Kritik ein jähes Ende, viele der Bilder verschwanden spurlos. Auch eines von Vera Preobraschenskaja, erzählt ihre Tochter Olga.
„Leider wissen wir nicht, wo dieses Bild jetzt ist. Das war ein Landschaftsgemälde von Wolgograd. Es sieht so aus, als ob das Kulturministerium dieses Bild gekauft hätte.“
Chruschtschow selbst versöhnte sich offenbar kurz vor seinem Tod 1971 noch mit der modernen Kunst. Auf seinen eigenen Wunsch gestaltete der Bildhauer Ernst Neiswestny eine Skulptur für sein Grab auf dem Moskauer Nowodewitschi-Friedhof – der Bildhauer, den der Kremlchef bei der Ausstellung 1962 noch als degenerierten Künstler bezeichnet hatte.