Debütalbum der Band Whitney

Sie nennen es Un-Rock 'n' Roll

Max Kakacek
Whitney-Mitglied Max Kakacek, hier noch als Gitarrist der Indie-Pop-Gruppe Smith Westerns 2011 in Austin, Texas. © imago/ZUMA Press
Von Vanessa Wohlrath · 02.06.2016
Die Band Whitney aus Chicago gibt sich auf ihrem ersten Album "Light Upon the Lake" hoffnungslos romantisch. Mit dem wehmütigen Gesang über Liebe und Verlust klingen die Songs wie Soul- und Country-Musik aus den 70er-Jahren.
Sanfte Rhodes-Keyboards, elegante Trompeten und wehmütiger Gesang – die Band Whitney aus Chicago gibt sich in ihrer ersten Single "No Woman" hoffnungslos romantisch. Ein Song über die große Liebe und das Verlassen-Werden – klingt wie ein verlorener Klassiker aus der Soul- und Country-Musikszene der 70er-Jahre.
Tatsächlich liegt das Durchschnittsalter der sieben Bandmitglieder allerdings bei 23. Alte Soul-Größen wie Curtis Mayfield und Al Green musste die Gruppe erst noch für sich entdecken. Julien Ehrlich und Max Kakacek, die beiden Frontmänner von Whitney, kennen sich noch aus der gemeinsamen Zeit bei der Indie-Pop-Gruppe Smith Westerns, die sich durch schrammelige E-Gitarren und den Einsatz von Synthesizern auszeichnete. Dass Whitney jetzt den Weg zum eher sanften Country und Soul einschlagen, ist der beiläufigen Auseinandersetzung mit diesen Genres zuzuschreiben, wie Kakacek erklärt:
"Als ich klein war, spielte mir mein Vater immer so lustige Cowboy-Songs vor. Ich glaube jetzt nicht, dass das unser Album im Wesentlichen beeinflusste, aber das war meine erste Erfahrung mit Country-Musik. Später, als Julien dann bei den Smith Westerns einstieg, und wir gute Freunde wurden – wir zogen zusammen in eine Wohnung – fingen wir beide an, uns alte, etwas verrückte Bands anzuhören, wie zum Beispiel die Gruppe Amenaza aus Zambia. Von dort aus kam dann alles wie von selbst ins Rollen; wir entdeckten alte Country- und Soul-Songs für uns, während wir gleichzeitig an unserer eigenen Musik schrieben."

Entdeckten den nostalgischen Sunshine-Pop

Dabei war der natürliche Weg zum eigenen, zeitlosen Klang kein leichter. Sich spontan an ein Keyboard zu setzen und ziellos vor sich hin zu spielen bedeutet nicht gleich, dass dabei auch eine Linie entsteht. Erst im Laufe der Arbeiten an dem Debütalbum "Light Upon The Lake" entdeckten Whitney den nostalgischen Sunshine-Pop für sich und auch der Falsett-Gesang von Sänger Julien Ehrlich entwickelte sich in diesem Prozess.
Um sich den Übergang von ihrer alten Band, den Smith Westerns, zum neuen Projekt zu erleichtern, erfanden die beiden Singer/Songwriter kurzerhand einen fiktiven Charakter, der die Rolle des Mentors übernahm: Whitney. Warum gerade eine weibliche Figur in ihrer Musik den Ton angab, scheint laut Ehrlich irrelevant.
"Wir hatten dieses Konzept einer Person in unserem Kopf – ob nun männlich oder weiblich – die für uns Songs schrieb. Eine Person, in der sozusagen unsere beiden Köpfe, unsere Ideen zu einer Einheit verschmolzen. Dieses Konzept nutzten wir als Ausgangspunkt für unsere ersten Songs. Als dann aber mit der Zeit klar wurde, dass das Album sehr persönlich wird, trennten wir uns von der Idee dieses Charakters."
Vermutlich war es dann auch der Charakter "Whitney" – eine trotz allem weibliche Figur – der ausschlaggebend war für den Sound der Band. Der die Mutterrolle übernahm und empfänglich war für die verletzlichen Seiten der jungen Männer. Hohe Stimme, softer Country-Pop und herzerweichende Songtexte spiegeln folglich die Sehnsucht nach Sicherheit und Wärme wider – das Gefühl, nicht erwachsen werden zu wollen, doch zu müssen.
Ernst wurde das Projekt unter anderem erst mit dem Tod von Ehrlichs Großvater. Ihm ist der letzte, melancholisch-beschwingte Song auf dem Album gewidmet: "Follow".
"Wir waren keine seriösen Typen, die seriöse Songs schrieben, sondern es lief eher so: ´Hey, da war doch dieses Tonbandgerät, lass uns mal eine Aufnahme machen.` Also alles eher, weil’s Spaß macht. Aber dann wurde daraus plötzlich ernst, weil mein Opa starb, der Winter kam und uns das alles ganz schön traurig stimmte. Danach wurde unser Album immer mehr zu einer Platte, die diesen Zustand dokumentiert."

Verarbeiteten persönliche Verluste

Traurige, aber hoffnungsvolle Musik, deren sehnsüchtiger Pop-Appeal beheimatet ist in der sorglosen Jugend und dem wehmütigen Erwachsenwerden. Ehrlich und Kakacek führte der Weg zum ersten Album über die Entdeckung des eigenen Sounds auch ein stückweit zu sich selbst. Sie verarbeiten persönliche Verluste, lernen, dass auch die erste Liebe nicht immer ewig währt, der Kummer daran aber schließlich vorübergeht. Tiefere Erkenntnisse von Seiten der Hörerschaft fordern sie mit ihrer Musik nicht ein.
"Ich denke nicht, dass unser Album irgendeine Botschaft im moralischen Sinne vermitteln soll. Da stecken vielmehr egoistische Beweggründe dahinter: die Auflösung unserer letzten Band, meine erste Beziehung, die in die Brüche ging, und auch Max versuchte, über seine erste Liebe hinwegzukommen. Mit dem Album bekommt man also eher einen kleinen Einblick, wie wir uns fühlten. Schließlich waren wir nur die kleinen Jungs, die am See saßen und dem Licht dabei zusahen, wie es aufs Wasser fiel – ´Light Upon The Lake` – auf der Suche nach dem Glück, während all diese verrückten Dinge um uns herum passierten."
Licht, das an der Wasseroberfläche bricht – ein romantisches Bild zeichnen Whitney auf "Light Upon The Lake", das musikalisch von zeitlos schönem Charakter zeugt. Dessen Songwriting allerdings an mancher Stelle etwas zu weichgezeichnet wirkt. Liebe und Verlust sind so gewöhnliche Themen, die sich – oberflächlich behandelt – schnell abnutzen. Vielleicht brauchen Whitney für den gedanklichen Tiefgang auch einfach noch etwas Zeit, denn eines steht bereits fest: ihren souligen Melodien hört man verdammt gerne zu.