Lob der Schwermut
Sie wurden bereits mit Element of Crime und Rio Reiser verglichen: Die Band Isolation Berlin vereint auf ihrem Debütalbum "Und aus den Wolken tropft die Zeit" lakonische Texte mit zarten Melodien.
"Eigentlich ist das Leben ein ewiges Tetris-Spiel. Es gibt immer Probleme, die muss man beseitigen, und irgendwann stirbt man. Das ist eigentlich alles."
Tobias Bamborschke, Ende 20 und hat schon mit der Welt abgeschlossen. Er hält die Nase in den Februarwind, steckt die Hände in die Taschen, Elbseglermütze auf dem Kopf. Tobias ist der Sänger der Band Isolation Berlin - und versucht auf dem Debüt, die größte Herausforderung von allen zu bewältigen: die Liebe und den Kummer danach.
"Fahr weg, auf geradem Weg ins Meer, den Möwen hinterher, so weit wie es geht. Wenn dich doch hier nur alles deprimiert, und das Bett riecht noch nach ihr: Du hast nichts zu verlieren."
"Es war direkt bei dem, wie heißt es, bei dem Restaurant da. Da hinten ist ein Restaurant, da geht's zum Wasser, da liegen im Sommer immer die Leute und sonnen sich, das war der Ort."
Zuhause am Schlachtensee
Den Schlachtensee am Rand von Berlin kennt Tobias seit seinen Kindheitstagen. Seine Oma hat hier ein Haus. Früher hat er hier Ritter gespielt, später wurde der See dann für ihn zu einem Ruhepunkt, wenn er es in der Stadt nicht mehr ausgehalten hat. Zum Beispiel nach der Trennung von seiner Freundin. Auf dem Debüt hat er dem Schlachtensee einen eigenen Song gewidmet.
"Der ist genau hier, wo wir gerade laufen, ist der entstanden. Also hier ... Ich bin ... Es fiel halt Schnee, und ich bin halt in Zehlendorf ausgestiegen, S-Bahnhof, bin halt zum Schlachtensee gelaufen, und habe dann den Song geschrieben."
"Es rauscht in meinen Ohren, und es fällt schon wieder Schnee. Der Schlachtensee ist lang und auch ohne dich ganz schön."
Die lakonischen Texte haben Isolation Berlin Vergleiche mit Element of Crime eingebracht, die zarten Melodien lassen an Rio Reiser denken. Und über das Ende einer Liebe könnten wohl die meisten ein Lied singen. Aber was heute im Pop zählt, ist nicht mehr die Neuartigkeit. Worauf es ankommt, ist, dass man die Frage "Kann ich das alles glauben?" mit ja beantworten kann.
Isolation Berlin zumindest will man glauben. Etwa, wenn Tobias von den letzten fünf Jahren erzählt, in denen die Songs zur Platte entstanden sind.
"Damals ging es mir so dreckig, ich konnte gar nicht aufstehen. Ich habe den ganzen Tag gezittert und musste jeden Tag fünfmal das T-Shirt wechseln, weil ich so geschwitzt habe vor Depression. Mittlerweile habe ich vielleicht einen Hang zur Schwermut noch und manchmal habe ich so meine Phasen. Aber es ist nicht mehr so, dass man sich Sorgen machen müsste um mich, glaube ich."
"Was ist das für ein Mensch, was für ein Mensch im Spiegel? Was starrt der mich so komisch an? Was habe ich ihm denn angetan? Alles fühlt sich an wie im Wahn."
Traurig und schön
Die Depression treibt Tobias in die Kneipe und zum Therapeuten, sie lässt ihn in der U-Bahn weinen und - am Ende der Platte - sein Herz zu Stein erstarren. Als Begriff für diesen Zustand fiel ihm der Name Isolation Berlin ein. Oft kippt seine Stimme in den Songs, und manchmal kippt auch die Stimmung ins unangenehm Pathetische. Isolation Berlin lieben die Theatralik - was sicher nicht von ungefähr kommt: Tobias Bamborschke hat eine Schauspielschule besucht. Und spätestens da dämmert einem: So unbedarft, wie Isolation Berlin manchmal auf dem Debüt mit dem Namen "Und aus den Wolken tropft die Zeit" klingen, sind sie gar nicht. Die Mechanismen des Pop-Marktes, bei dem es auch immer ums Verkaufen geht, haben sie verstanden.
"Ich bin ein Produkt. Ich will, dass man mich schluckt, dass man mich konsumiert, sich in mir verliert."
Mit dem Song "Produkt" erweitern Isolation Berlin ihr Debüt um eine weitere Bedeutungsebene, die auf Albumlänge aber manchmal zu kurz kommt. Damit bleibt die Platte vor allem eines: ein überzeugendes Lob der Schwermut, ein Zeugnis, das man auch in der Traurigkeit eine Schönheit entdecken kann.
"Hermann Hesse hat mal gesagt: Etwas zu schaffen, auch inmitten von Leid, ist immer Glück. Und das scheint mir das einzige Glück zu sein, für das ich begabt bin. Das fasst es ganz gut zusammen, glaube ich."