Debatten über das Reich der Mitte
Was verbindet und was trennt die Kulturen Chinas und Deutschlands? Müssen wir Angst haben vor dem wirtschaftlichen Aufstieg der Volksrepublik? Mit diesen und weiteren Fragen befasst sich die Dialogreihe "Magnet China". Zum Auftakt in Berlin sprach unter anderem Altkanzler Helmut Schmidt.
Der Veranstaltungssaal ist voll. Weit über 500 Gäste. Viele finden nur noch einen Stehplatz oder setzen sich auf die Treppen. Ein Anlass zu kommen war für die meisten Gäste zweifelsohne Altbundeskanzler Helmut Schmidt, der heute hier auf dem Podium sitzt. Zusammen mit dem chinesischen Politikwissenschaftler Gu Xuewu, Professor am CGS, dem Centre for Global Studies der Universität Bonn.
Einen deutsch-chinesischen Dialog zu wichtigen Themen der Zukunft zu führen – das ist ein Hauptanliegen der Reihe, erklärt Malte Boecker von der mitveranstaltenden Bertelsmann-Stiftung:
"Wir versuchen, für Zukunftsthemen, die China betreffen oder China und Deutschland, jeweils ein, zwei chinesische und ein, zwei deutsche Experten zusammen ins Gespräch zu bringen, Raum zu geben für Dialog, Raum zu geben für Positionen, die ja durchaus auch sehr unterschiedlich sein können."
Um drei Themenblöcke dreht sich am heutigen Abend das Gespräch: Es geht um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Deutschland und China und den gegenseitigen Umgang miteinander. Es geht um innerchinesische Stabilität, und es geht um die Rolle Chinas in der Welt. Moderiert wird die Diskussion von Chinakorrespondent und Buchautor Frank Sieren.
"Herr Schmidt: was verbindet uns heute mit China?"
Schmidt: "Das ist eine schwierige Frage. Wenn wir diese Frage vor 50 Jahren gestellt hätten, sagen wir 1960, dann wäre die Antwort gewesen: Eigentlich gar nichts. Das hat sich sehr geändert. Inzwischen haben zum Beispiel die Betriebsräte großer deutscher Industriefirmen längst begriffen, dass ein Teil der von ihnen vertretenen Arbeitnehmer deswegen Arbeit und Brot haben, weil ihre Erzeugnisse nach China verkauft werden."
Einhellig sind die Gesprächspartner der Überzeugung, dass China längst ein ernst zu nehmender Partner ist, ein Global Player und dass wir im Westen nicht mehr darum herumkommen, uns intensiv mit dem Reich der Mitte auseinanderzusetzen.
Freilich gibt es auch einiges, was beide Länder trennt, sagt Professor Gu. Besonders hebt er hier das Thema Menschenrechte hervor:
"Aus meiner Sicht ist die Vorstellung von mehr Menschenrechten einerseits oder mehr Menschenpflichten andererseits ein Trennungspunkt. Ich will damit sagen, dass nach konfuzianischem Verständnis die Menschen mehr Pflichten für die Gesellschaft haben, also für die Familie, für die Arbeitseinheit, für die Nation mehr tun sollen als Ansprüche zu erheben gegenüber der Gesellschaft. Das ist ein Punkt, der beide Seiten trennt."
Wirklich unterschiedlich sind die Positionen der Diskutanten an diesem Abend nicht. Vielmehr ergänzen sich die Ausführungen, gespickt zuweilen mit witzigen Bemerkungen und häufig mit lehrreichen Ausflügen in die chinesische Geschichte.
Angst vor China, wie sie häufig geschürt wird, brauchen wir im Hinblick auf die zunehmende Stärke des Landes übrigens nicht zu haben, ist der ehemalige Bundeskanzler Schmidt überzeugt:
"Die bisherige chinesische Geschichte lässt nirgends erkennen, dass – ganz anders als die europäischen Staaten, ganz anders als die USA – die Chinesen den Versuch gemacht haben, in anderen Erdteilen Kolonien zu erobern. Diejenigen, die Angst vor China verbreiten, sollten sich die Geschichte ihres eigenen Kolonialismus zu Gemüte führen. Sie schließen in Wirklichkeit von sich auf andere. Sie schließen von der eigenen Geschichte auf die chinesische Zukunft, und es spricht nichts dafür, dass sie recht haben. Ich will aber einräumen, dass es die Versuchung für chinesische Führer durchaus geben könnte."
Neun weitere Podiumsdiskussionen sieht die Dialogreihe im Laufe des Jahres vor. Die nächste soll Ende März in Hamburg sein. Der Titel der Veranstaltungsreihe "Magnet China" ist übrigens Programm, erklärt Malte Boecker von der Bertelsmann-Stiftung.
"Wir wollten Zukunftsthemen zu China beleuchten und wollten schauen, in welche Richtung geht es mit China. Und Magneten haben ja die Eigenschaft, sowohl anzuziehen als auch abzustoßen. Und wir haben diesen Titel ohne Fragezeichen, ohne Anführungszeichen gesetzt, um eben diese Doppelbödigkeit anzudeuten: China ist ein Land, das faszinieren kann, das aber genauso auch irritieren kann. Und wenn wir es schaffen, mit unserer Dialogreihe diese verschiedenen Facetten mindestens anzureißen oder zumindest neugierig zu machen, sich damit weiter auseinanderzusetzen, dann, denke ich, haben wir als Stiftungen erstmal einen kleinen Beitrag zur Debatte um den Aufstieg Chinas geleistet."
Einen deutsch-chinesischen Dialog zu wichtigen Themen der Zukunft zu führen – das ist ein Hauptanliegen der Reihe, erklärt Malte Boecker von der mitveranstaltenden Bertelsmann-Stiftung:
"Wir versuchen, für Zukunftsthemen, die China betreffen oder China und Deutschland, jeweils ein, zwei chinesische und ein, zwei deutsche Experten zusammen ins Gespräch zu bringen, Raum zu geben für Dialog, Raum zu geben für Positionen, die ja durchaus auch sehr unterschiedlich sein können."
Um drei Themenblöcke dreht sich am heutigen Abend das Gespräch: Es geht um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Deutschland und China und den gegenseitigen Umgang miteinander. Es geht um innerchinesische Stabilität, und es geht um die Rolle Chinas in der Welt. Moderiert wird die Diskussion von Chinakorrespondent und Buchautor Frank Sieren.
"Herr Schmidt: was verbindet uns heute mit China?"
Schmidt: "Das ist eine schwierige Frage. Wenn wir diese Frage vor 50 Jahren gestellt hätten, sagen wir 1960, dann wäre die Antwort gewesen: Eigentlich gar nichts. Das hat sich sehr geändert. Inzwischen haben zum Beispiel die Betriebsräte großer deutscher Industriefirmen längst begriffen, dass ein Teil der von ihnen vertretenen Arbeitnehmer deswegen Arbeit und Brot haben, weil ihre Erzeugnisse nach China verkauft werden."
Einhellig sind die Gesprächspartner der Überzeugung, dass China längst ein ernst zu nehmender Partner ist, ein Global Player und dass wir im Westen nicht mehr darum herumkommen, uns intensiv mit dem Reich der Mitte auseinanderzusetzen.
Freilich gibt es auch einiges, was beide Länder trennt, sagt Professor Gu. Besonders hebt er hier das Thema Menschenrechte hervor:
"Aus meiner Sicht ist die Vorstellung von mehr Menschenrechten einerseits oder mehr Menschenpflichten andererseits ein Trennungspunkt. Ich will damit sagen, dass nach konfuzianischem Verständnis die Menschen mehr Pflichten für die Gesellschaft haben, also für die Familie, für die Arbeitseinheit, für die Nation mehr tun sollen als Ansprüche zu erheben gegenüber der Gesellschaft. Das ist ein Punkt, der beide Seiten trennt."
Wirklich unterschiedlich sind die Positionen der Diskutanten an diesem Abend nicht. Vielmehr ergänzen sich die Ausführungen, gespickt zuweilen mit witzigen Bemerkungen und häufig mit lehrreichen Ausflügen in die chinesische Geschichte.
Angst vor China, wie sie häufig geschürt wird, brauchen wir im Hinblick auf die zunehmende Stärke des Landes übrigens nicht zu haben, ist der ehemalige Bundeskanzler Schmidt überzeugt:
"Die bisherige chinesische Geschichte lässt nirgends erkennen, dass – ganz anders als die europäischen Staaten, ganz anders als die USA – die Chinesen den Versuch gemacht haben, in anderen Erdteilen Kolonien zu erobern. Diejenigen, die Angst vor China verbreiten, sollten sich die Geschichte ihres eigenen Kolonialismus zu Gemüte führen. Sie schließen in Wirklichkeit von sich auf andere. Sie schließen von der eigenen Geschichte auf die chinesische Zukunft, und es spricht nichts dafür, dass sie recht haben. Ich will aber einräumen, dass es die Versuchung für chinesische Führer durchaus geben könnte."
Neun weitere Podiumsdiskussionen sieht die Dialogreihe im Laufe des Jahres vor. Die nächste soll Ende März in Hamburg sein. Der Titel der Veranstaltungsreihe "Magnet China" ist übrigens Programm, erklärt Malte Boecker von der Bertelsmann-Stiftung.
"Wir wollten Zukunftsthemen zu China beleuchten und wollten schauen, in welche Richtung geht es mit China. Und Magneten haben ja die Eigenschaft, sowohl anzuziehen als auch abzustoßen. Und wir haben diesen Titel ohne Fragezeichen, ohne Anführungszeichen gesetzt, um eben diese Doppelbödigkeit anzudeuten: China ist ein Land, das faszinieren kann, das aber genauso auch irritieren kann. Und wenn wir es schaffen, mit unserer Dialogreihe diese verschiedenen Facetten mindestens anzureißen oder zumindest neugierig zu machen, sich damit weiter auseinanderzusetzen, dann, denke ich, haben wir als Stiftungen erstmal einen kleinen Beitrag zur Debatte um den Aufstieg Chinas geleistet."