Debatte um Wiederaufbau der Ulrichskirche

Von Ita Niehaus |
Vor 51 Jahren, am 5. April 1956, wurde die Magdeburger Ulrichskirche gesprengt. Nun machen sie sich für den Wiederaufbau stark. Am Reformationstag gründen sie das "Kuratorium Ulrichskirche - Die Gesellschaft zur Förderung des Wiederaufbaus der Ulrichskirche zu Magedeburg".
Verkehrslärm

Der Ulrichplatz in Magdeburg - auf den ersten Blick ein Platz wie viele andere auch. Grünanlagen, Bänke, ein Café, ein großer Brunnen - mitten im Großstadtlärm.

Straßenlärm

Zurzeit erinnert nur ein kleines Modell aus Bronze daran, dass hier bis zum 5. April 1956 die Ulrichskirche stand, die zweitälteste Pfarrkirche Magdeburgs. Das soll sich ändern. Die Kirche soll originalgetreu wieder aufgebaut werden. Die Idee dazu hatte der in der Nähe von Magdeburg aufgewachsene Chirurg Tobias Köppe.

Köppe: "Primär, weil ich sehr heimatverbunden bin. Die Ulrichskirche ist mir ins Auge gefallen, als ich mich mit ostfälischer Baukunst beschäftigt habe. Dabei ist mir die Ulrichskirche als ein besonders schönes Beispiel aufgefallen. Und dann habe ich mich mit ihrer Geschichte beschäftigt und war entsetzt, was für ein Schicksal sie erleiden musste."
Reiner Riegg, Kuratorium Johanniskirche e.V.: "Ich habe die Sprengung der Kirche miterlebt, und das war besonders bewegend, wie dieses Bauwerk, was völlig noch in Ordnung war, das heißt den damaligen Vorstellungen entsprechend. Die Stadt war ja völlig zerbombt/aus politischen Gründen gelegt wurde."

Auch Reiner Riegg engagiert sich für die Ulrichskirche. Der Magdeburger Unternehmer hat bereits Erfahrung mit solchen Großprojekten. Er hat nämlich mitgeholfen, die Johanniskirche, die heutige Stadthalle von Magdeburg, wiederaufzubauen.
Unter den Magdeburger Bürgern ist das neue Projekt allerdings umstritten

Umfrage Magdeburger
"Haben wir nicht schon genug Kirchen? Sind schon so viele restauriert/Und es muss auch in Ordnung gehalten werden, und da fehlt das Geld…viele Arbeitslose, schlimm/ Das eine gute Sache/ein Stück Kultur/in der Stadt/dass hier auch etwas getan wird/Nein, weil damit das hier, was architektonisch aus, kann man sagen Stalinzeit existiert, das geht wieder kaputt/ Warum nicht?/Wäre auch wieder wünschenswert/Sie ist gesprengt worden, das hat ja damals niemand verstanden/Na ja, wir wollen hoffen, dass es gelingt."

Und das hängt nicht zuletzt vom Geld ab: 25-30 Millionen, so erste Schätzungen, kostet der Wiederaufbau. Tobias Köppe und seine Mitstreiter sind optimistisch, das Geld durch Spendenaktionen, wie sie zur Finanzierung der Dresdener Frauenkirche initiiert wurden, zusammenzubekommen. Finanziell wird der Kirchenkreis Magdeburg nichts dazu beisteuern können. Doch Superintendent Michael Seils ist sehr angetan von der Idee.

Seils: "Das heißt, da ist ein ganzes Stück Magdeburger Identität, also, was Magdeburg vom Stadtbild her, aber auch innerlich, geistig geprägt hat, verloren gegangen ist. Und wenn ein kleines Stück davon, zunächst einmal symbolisch, dann auch gefüllt mit einem Inhalt wiederauferstehen könnte, dann denke ich, das wäre eine große Chance, die es erst einmal zu realisieren und dann zu entdecken gilt."

Aber es gibt auch innerkirchlich gewichtige Gegenstimmen. Reinhard Höppner, zum Beispiel. Der Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchtags in diesem Jahr und ehemalige Ministerpräsident von Sachsen Anhalt sieht keinen Sinn in diesem Vorhaben.

Höppner: "Dieses gesellschaftliche und bürgerliche Engagement in Dresden war einmalig und das lässt sich nicht einfach wiederholen. Und - im Übrigen - sie wird auch nicht gebraucht – weder als Versammlungsort, noch als Veranstaltungsort für die Stadt. Beides ist reichlich da, schwer auszulasten - wofür also?"

Von solchen Argumenten zeigen sich die Befürworter allerdings unbeeindruckt. Sie verweisen auf die Bedeutung der Ulrichskirche für Magdeburg. Sie galt nicht nur als schönste Pfarrkirche der Stadt, sie war auch die Taufkirche des Universalgelehrten und Magdeburger Bürgermeisters Otto von Guerickes . Für Tobias Köppe ist sie vor allem eines: das Symbol einer wichtigen Epoche der Kirchengeschichte.

Köppe: "Sachsen Anhalt war Luthers Land - darin liegt die welthistorische Bedeutung. Und die Ulrichskirche war die erste Kirche, die evangelisch wurde. In dieser Großtadt liefen quasi die Druckerpressen heiß und dieses Gedankengut würde über die ganze Welt verteilt und die Pfarrer der Ulrichskirche waren diejenigen, die diesen reformatorischen Gedanken eine Heimat boten."

Mal abgesehen vom Geld, gibt es also eigentlich keine großen Probleme. Die alten Bebauungspläne sind noch da, der Standort ist unbebaut und die Fundamente der Ulrichskirche sind sehr wahrscheinlich auch vorhanden - da ist sich Stadtplanungsamtsleiter Eckhart Peters ziemlich sicher. Aus städtebaulicher Sicht hat er keine Einwände.

Peters: "Die große Straße, die ehemalige Wilhelm-Pieck-Allee und heutige Ernst-Reutter-Allee tangiert ja den Bereich der Kirche nicht. Und es befindet sich neben der Kirche wie früher ein kleiner Platz, und es würde in die Gestaltung insgesamt wunderbar hereinpassen."

Wie die Ulrichskirche einmal genutzt werden soll, darüber wird noch diskutiert. Gedenkstätte, Konzerthalle, Museum ? Alles ist möglich.

Köppe: "Wichtig für mich…herauskristallisiert."

Tobias Köppe ist überzeugt, dass seine Vision Wirklichkeit wird. Und er weiß auch schon wann: zum 500-jährigen Jubiläum des Reformationstages.

Köppe: "Die evangelische Kirche selber hat diese Idee gegeben, so dass ich mich sehr freue, am 31. Oktober 2017 in diese Kirche einzuziehen."





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