Debatte um Schulöffnung trotz Corona

"Nur wenn das Infektionsgeschehen unter Kontrolle ist"

11:28 Minuten
Schülerinnen und Schüler nehmen mit Mund- und Nasenschutz am Unterricht teil, eine Schülerin meldet sich.
"Je mehr Infektionen in der Gesellschaft sind, desto mehr gibt es in der Schule", sagt Michael Wagner von der Uni Wien. © picture alliance/dpa | Matthias Balk
Barbara Schober und Michael Wagner im Gespräch mit Nicole Dittmer · 26.01.2021
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Lange hieß es, Schulen und Kitas würden das Infektionsgeschehen in der Pandemie nicht beeinflussen. Nun legen immer mehr wissenschaftliche Studien nahe: Das stimmt so nicht.
Kaum gehen die Infektionszahlen runter, werden die Stimmen, die Lockerungen fordern, lauter. Eine Forderung: Schulen sollten wieder öffnen. Doch immer mehr wissenschaftliche Studien legen nah, dass offene Schulen durchaus zum Infektionsgeschehen beitragen.

Schulen tragen zum Pandemiegeschehen bei

Grundschüler seien ähnlich häufig mit dem Coronavirus infiziert wie ältere Kinder oder Lehrer, sagt Michael Wagner. Er ist Virologe und hat eine Studie an 250 österreichischen Schulen geleitet. Aus mikrobiologischer Sicht leisten Schulen "einen erheblichen Beitrag zum Pandemiegeschehen", sagt er.
Man könne sich offene Schulen nur leisten, wenn das Infektionsgeschehen unter Kontrolle sei, betont Wagner: "Wir sehen einen klaren Zusammenhang zwischen der 7-Tage-Inzidenz im Bereich um die Schule herum, im Bezirk, und in der Schule drin. Je mehr Infektionen in der Gesellschaft sind, desto mehr gibt es in der Schule." Deswegen sei es am wichtigsten, die Zahlen unter Kontrolle zu bekommen und auch unter Kontrolle zu halten, bevor Schulen öffnen könnten.

Psychische Gesundheit beachten

"Man sollte die Schulen öffnen, aber nicht um jeden Preis", sagt Barbara Schober, Bildungspsychologin an der Uni Wien. Denn die Befunde, die aus dem Bereich der Psychologie vorlägen, sprächen dafür, dass Gesundheit zumindest mittelfristig auch eine Form von psychischer Gesundheit sei.
Wichtig sei die Frage, welche Maßnahmen man ergreifen könne, um ein Infektionsgeschehen an Schulen möglichst zu minimieren. Natürlich dürfe man nicht so tun, "als wäre nichts", sagt Schober. Man müsse ernsthaft über neue Konzepte wie Luftfilter, Maskenpflicht oder die konsequente Durchführung von Tests nachdenken - oder darüber, Schüler nicht alle zur gleichen Zeit kommen zu lassen, und prüfen, was das mit dem Infektionsgeschehen mache, fordert Schober.

Klare Ziele erforderlich, möglichst europaweit

Man bräuchte ein klares Ziel, sagt Wagner, am besten europaweit um "Pingpong-Effekte" zu vermeiden. Denn ansonsten habe man eine "Ziehharmonika-Bewegung", ein ständiges Öffnen und Schließen von Schulen. Gleichzeitig müsse man, sobald Schulen wieder öffnen, ein genaues Monitoring durchführen, um zu schauen, wie sich Infektionszahlen entwickeln.
Die Forderung nach einer genauen Zielsetzung stimmt auch Schober zu. "Die Schulschließung heißt nicht nur, dass die Kinder nicht mehr zur Schule gehen", sagt Schober. Ganze Familien seien betroffen, Eltern erschöpft und oftmals Mütter benachteiligt. Wichtig sei es, den Menschen eine klare Perspektive zu geben, damit sie auch längerfristig "mitziehen". Im Moment würde die Situation Familien nur verunsichern, da sie immer nur ein neues Datum genannt bekämen, so Schober.
(nho)
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