Debatte um Rassismus

Der lange Schatten des Kolonialismus

54:23 Minuten
Die Wissmanntruppe 1889 in Ostafrika, links sitzend Hermann Wissmann, deutscher Afrikaforscher und Reichskommissar für Deutsch-Ostafrika.
Rassismus in Deutschland sei im Wesentlichen auf die Kolonialzeit zurückzuführen, argumentieren die Teilnehmenden einer Berliner Podiumsdiskussion im Rahmen des DOMiD-Projekts "Meinwanderungsland". © Getty Images / Ullstein Bild
Moderation: Annette Riedel · 06.09.2020
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Deutschland hat ein Rassismusproblem, das prangerte ein UN-Bericht schon 2017 an. Bis heute gehören Anfeindungen zum Alltag von Migrantinnen und Migranten. Wie stark hat die Abwehr des "Fremden" mit der deutschen Kolonialgeschichte zu tun?
Die "Black Lives Matter"-Bewegung hat neue Dynamik in die Rassismus-Debatte gebracht, doch rassistische Einstellungen bleiben weit verbreitet in Deutschland. Im Wesentlichen ist dies auf die Kolonialzeit zurückzuführen, so die Ansicht der Teilnehmenden einer Podiumsdiskussion in Berlin. Sie fand im Rahmen des DOMiD-Projekts "Meinwanderungsland" zum Sendeschwerpunkt "Dekolonialisiert euch!" statt.

Die Diskutantinnen und Diskutanten sehen Rassismus als koloniales Erbe und fragen: Warum gibt es so wenig kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte? Und inwiefern beeinflusst sie die aktuelle Migrationspolitik?

Es diskutierten:

Tahir Della – Sprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) und Mitglied von Decolonize Berlin.

Bebero LehmannDokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland e.V. (DOMiD e.V.).

Saboura NaqshbandDeutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) sowie Berlin Muslim Feminists Collective.

Wer gehört dazu – wer nicht?

Koloniale Kontinuitäten wirkten fort, sagt die afrodeutsche Historikerin und Journalistin Bebero Lehmann.

Natürlich gebe es das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz aus Kolonialzeiten nicht mehr, das Menschen aus den Kolonien von der deutschen Staatsbürgerschaft ausschloss, ihnen Besitz und Rechte verwehrte. Doch bis heute sehe sich Deutschland immer noch sehr stark als "weiße" Nation:
"Wenn ich nicht weiß aber deutsch bin – egal, ob das jetzt eine angeborene Staatsbürgerschaft ist oder eine erworbene – dann werde ich trotzdem immer wieder die Frage gestellt bekommen: Woher kommst du? Und ich werde immer wieder den Satz hören: So ganz deutsch siehst du aber nicht aus! Und das zeigt eben, wie dieses Konstrukt von 'Weißsein' weiter wirkt und wie Menschen auch Zugehörigkeit abgesprochen wird."

Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit

Kolonialismus ist in Deutschland ein verdrängtes Kapitel, auch, weil das deutsche Kolonialreich nicht so groß war wie das von Großbritannien, Frankreich oder Spanien.
Doch es gibt sie, unsere koloniale Vergangenheit. Und um zu begreifen, wie stark sie mit dem strukturellen Rassismus von heute in Beziehung steht, sind neue Lernorte hilfreich. Einer entsteht gerade in Köln – das Museum für Migrationsgeschichte.

Bebero Lehmann meint dazu: "Was nicht nur für die Migrantinnen und Migranten, sondern gesamtgesellschaftlich relevant ist und ganz klar zeigt: Migration ist der Normalfall und auch Deutschland war schon immer eine Einwanderungsgesellschaft. Und das ist unser aller Geschichte."
(tif)
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