Debatte um ÖPNV-Finanzierung

Tübingens OB plädiert für ein Kostenlos-Ticket

Tübinger OB Boris Palmer in Hybrid-Doppelgelenkbus
Tübinger OB Boris Palmer in Hybrid-Doppelgelenkbus © dpa / Marijan Murat
Boris Palmer im Gespräch mit Vladimir Balzer und Axel Rahmlow · 26.02.2018
Flächendeckend kostenlos mit dem ÖPNV - das wollte die Bundesregierung in fünf Städten modellhaft testen. Doch die Städte selbst halten eine Kostenlos-Regelung für unrealistisch. Tübingens Bürgermeister Boris Palmer aber ist anderer Meinung. Er fordert: Lasst die Städte selbst entscheiden!
Die Bundesregierung will in fünf Städten testen, ob und wie Bus und Bahn attraktiver werden könnten - etwa wenn sie kostenlos genutzt werden könnten. Doch die fünf für diesen Test vorgesehenen Städte wussten gar nichts von diesem Versuch. Am Montag nun trafen sich die Rathauschefs dieser Modellstädte mit Vertretern der Bundesregierung, um über die Möglichkeiten solch eines kostenlosen Nahverkehrs zu beraten und sie kamen zu einem recht einmütigen Fazit: Im Moment unrealistisch!

Den Verkehr solidarisch finanzieren

Bonn und Essen aus Nordrhein-Westfalen und Mannheim, Reutlingen und Herrenberg aus Baden-Württemberg sind die ausgewählten Modellstädte. Boris Palmer (Grüne), Oberbürgermeister von Tübingen, aber widerspricht. Er hält fest an dieser Idee einer grüneren Stadt dank eines kostenlosen Nahverkehrs. Und Palmer sagt, dies müsse solidarisch finanziert werden, "teilweise aus dem städtischen Haushalt und teilweise über eine Bürgerumlage": "Dafür würden 15 Euro pro Monat und Kopf ausreichen." Und begründen ließe sich die Einführung eines solchen Finanzierungsinstruments durchaus, so Palmer:
"Die Stauprobleme, die Luftreinhalteprobleme, die Klimaschutzprobleme, Lärm, Dreck aller Art bekommen wir in den Städten nicht mehr in den Griff ohne innovative Instrumente."
Eines dieser innovatien Instrumente sei eine solidarische Finanzierung des Nahverkehrs. Palmer schlägt hier vor, dass die Städte über eine kommunale Abgabe solch einen kostenlosen Nahverkehr finanzieren. Die Voraussetzung für die Erhebung solch einer Abgabe sei allerdings eine bislang fehlende Rechtsgrundlage. "Wir bräuchten vom Bund oder vom Land die Erlaubnis, eine solche Abgabe einzuführen. Dies wurde in den 90ern schon einmal diskutiert, das nannte sich 'Nahverkehrsabgabe'. Und ich glaube, dass der Zeitpunkt gekommen ist, so etwas einzuführen."

Einführung des Studententickets als Vorlage

Wichtig sei bei der Debatte um so eine Abgabe auch, dass eben nicht nur die Nutzer des öffentlichen Personen-Nahverkehrs (ÖPNV) davon profitierten, sondern natürlich auch die Autofahrer, denn die ständen dann nicht mehr im Stau, so Palmer. Als Beispiel nannte Palmer das Studententicket, dass viele Universitätsstädte und Hochschulkommunen heute haben. Hier sei lange und viel diskutiert worden in den 90er Jahren, heute aber sei solch ein Ticket an den meisten Hochschulstandorten die Regel - und alle profitierten.
Palmer schränkte allerdings seine Empfehlung auch ein und sagte, dass die Kommunen hier auch Handlungsfreiheit bräuchten, wie und ob sie solch eine Abgabe einführten, denn die Voraussetzungen seien in den Städten ganz unterschiedlich. Palmer rechnet für den Fall der Einführung eines kosenlosen ÖPNV finanziert mit einer kommunalen Abgabe der Bürger der Gemeinde mit einem Zuwachs an Fahrgästen von rund einem Drittel.
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