Debatte um NPD-Verbotsverfahren ist eine "Katastrophe"
Die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, hat ein Ende der Debatte über ein neues NPD-Verbotsverfahren gefordert. Solange sich die Parteien nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen könnten, stärke dies die Rechtsextremen nur, sagte Lemke. Sie plädierte stattdessen für entschiedenere Maßnahmen gegen lokale Gruppierungen und mehr Unterstützung für Initiativen gegen Rechts.
Hanns Ostermann: Wie kann der "braune Sumpf" bei uns trockengelegt werden? Den Innenministern der Länder fällt es nach wie vor schwer, sich auf eine gemeinsame Linie für ein NPD-Verbotsverfahren zu einigen. Immerhin einer Forderung kommt jetzt die Bundesregierung nach: Extremistischen Vereinen und Stiftungen wird der Geldhahn zugedreht. Der Entwurf für das Jahressteuergesetz 2009 sieht eine entsprechende Klarstellung vor. Wer der NPD nahe steht, der darf keine Steuergelder erhalten. – Am Telefon von Deutschlandradio Kultur die Bundesgeschäftsführerin von Bündnis 90/Die, Grünen Steffi Lemke. Guten Morgen Frau Lemke!
Steffi Lemke: Schönen guten Morgen!
Ostermann: Wie überfällig war dieser Schritt, von dem das Finanzministerium sagt, wir haben schon immer so verfahren?
Lemke: Dieser Schritt war überfällig, weil eine Klarstellung vor allem für die lokalen Behörden sehr, sehr wichtig ist und dieses Zeichen auch für die Initiativen, die gegen Rechtsextremisten vor Ort arbeiten, wichtig ist – eine Klarstellung darüber, dass dort keine Gemeinnützigkeit, dass dort keine Möglichkeiten zur Steuererleichterung gegeben werden.
Ostermann: Aber ist eigentlich bekannt, wie viele gemeinnützige extremistische Vereinigungen es bei uns überhaupt gibt, das heißt, wie groß jetzt die Chance ist, Rechtsextremen den Geldhahn wirklich zuzudrehen?
Lemke: Mir ist keine Übersicht darüber auf Bundesebene bekannt. Es gibt eine Vielzahl von kleinen lokalen Splittergruppen, von denen aber eben nicht bekannt ist, wie gut organisiert sie sind und ob sie auf solche Möglichkeiten bisher zugegriffen haben. Hier ist das Bundesfinanzministerium gemeinsam mit dem Innenministerium gefordert, klare Vorschläge zu machen, wie darüber Erkenntnisse gefördert werden können, damit dann auch gegen solche Initiativen vor Ort vorgegangen werden kann – auch auf der finanziellen Seite.
Ostermann: Den Innenministern ist es ja bislang nicht gelungen, sich auf eine gemeinsame Vorgehensweise für ein NPD-Verbotsverfahren zu einigen. Wie überzeugend ist das Argument, dass noch zu viele V-Leute der Geheimdienste die NPD abschöpfen?
Lemke: Ich halte die gesamte Debatte über das NPD-Verbotsverfahren, die wir jetzt seit Jahren erleben, für eine Katastrophe, weil es in der Endkonsequenz die Rechtsextremisten stärkt. Wenn es hier nicht zu einem gemeinsamen Vorgehen kommen kann, dann muss die Konsequenz gerade ein Jahr vor den Bundestagswahlen sein, von diesem NPD-Verbotsverfahren jetzt die Finger zu lassen, weil es den Rechtsextremisten mehr Aufmerksamkeit verschafft und sie in der Endkonsequenz stärkt. Wir brauchen mehr Vorgehen gegen die lokalen Initiativen vor Ort und dafür braucht es vor allem mehr Unterstützung für die vielen, vielen Initiativen, die seit Jahren, seit Jahrzehnten gegen Nazis vor Ort arbeiten.
Ostermann: So wichtig die Initiativen sind – wir kommen gleich noch mal darauf zurück -, ist ein NPD-Verbotsverfahren, das ja auch am Wochenende von vielen wieder einmal gefordert wurde, nötig, um ich sage einfach mal dem Ausland gegenüber deutlich und klar zu zeigen, hier werden Grenzen gezogen?
Lemke: Ich glaube, dass es dafür wesentlich bessere Möglichkeiten gibt, diese Grenzen zu ziehen. Dieses NPD-Verbotsverfahren, so wie es gegenwärtig diskutiert wird, ist eine Farce in meinen Augen und es führt wie ich sagte zur Stärkung der Rechtsextremen. Ich nehme es gerade vor Ort in den Diskussionen häufig auch als eine Ablenkungsdebatte wahr, weil viele Lokalpolitiker in der CDU, teilweise auch in der SPD die mühselige Arbeit vor Ort, die Jahre erfordert, die Jahrzehnte brauchen wird, scheuen und lieber schnell auf ein NPD-Verbotsverfahren aufspringen, um diesen anstrengenden anderen Weg nicht wirklich verfolgen zu müssen.
Ostermann: Die inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Rechten, sage ich einfach mal, mit den Neonazis fällt ja auch deshalb schwer, weil viele von ihnen inzwischen doch offensichtlich in der Mitte der Gesellschaft angelangt sind.
Lemke: Ich hoffe, dass sie dort nicht angelangt sind, aber sie versuchen zumindest, sich dort einzunisten. Auch gerade deshalb ist es aus meiner Sicht fatal, wenn in Thüringen Ministerpräsident Althaus wirklich an der Ernennung von Herrn Krause zum Kultusminister festhalten will. Das wäre ein weiterer Schritt, die Abgrenzung zwischen den demokratischen Parteien und rechtsextremen Parteien und rechtsextremem Gedankengut weiter erodieren zu lassen.
Ostermann: Das sieht der Ministerpräsident in Thüringen natürlich völlig anders. Was ist Ihr entscheidender Vorwurf gegenüber Peter Krause, der demnächst dort Kultusminister werden soll?
Lemke: Er hat keine klare Abgrenzung von Rechtsextremen in den vergangenen Jahren vorgenommen. Ich weiß nicht, wie er selber über verschiedene rechtsextreme Denkansätze denkt, was seine eigene Position dazu ist. Aber er hat die klare Abgrenzung, die ich von einem Kultusminister in einem Bundesland der Bundesrepublik erwarte, gegenüber Nazis vermissen lassen. Er hat selber eine soziale nationale Grundstimmung in der Jugend begrüßt und ich glaube, dass er völlig ungeeignet ist, um gerade auch jungen Menschen eine klare Abgrenzung gegen Nazis mit auf den Weg geben zu können.
Ostermann: Die Grünen fordern hier ein Machtwort der Kanzlerin. Aber ist das nicht zugleich auch so etwas wie ein Armutszeugnis, denn es ist doch noch nie vorgekommen, dass ein Bundeskanzler, eine Bundeskanzlerin sozusagen in die Geschäfte eines Ministerpräsidenten hineinregiert?
Lemke: Darüber ließe sich, glaube ich, trefflich streiten, wie weit die Bundeskanzlerin sich in die Angelegenheiten ihrer CDU-Ministerpräsidenten einmischt. Ich glaube, die sehen das etwas anders. Aber hier droht Schaden für die ostdeutschen Bundesländer, für die Wirtschaft in den ostdeutschen Bundesländern, für die Ansiedlung von Wissenschaft in den neuen Bundesländern und offensichtlich ist Herr Althaus nicht mehr in der Lage, hier selber eine klare vernünftige Entscheidung zu fällen und diesen Kandidaten zurückzuziehen. Deshalb fordere ich die Kanzlerin auf, hier einzugreifen. Sie hat das im Falle von Herrn Oettinger in Baden-Württemberg ebenfalls getan, dort für eine Klarstellung gesorgt, weil Herr Oettinger ebenfalls dazu nicht mehr in der Lage war, und sie sollte das im Interesse ihres eigenen Ministerpräsidenten auch hier tun.
Steffi Lemke: Schönen guten Morgen!
Ostermann: Wie überfällig war dieser Schritt, von dem das Finanzministerium sagt, wir haben schon immer so verfahren?
Lemke: Dieser Schritt war überfällig, weil eine Klarstellung vor allem für die lokalen Behörden sehr, sehr wichtig ist und dieses Zeichen auch für die Initiativen, die gegen Rechtsextremisten vor Ort arbeiten, wichtig ist – eine Klarstellung darüber, dass dort keine Gemeinnützigkeit, dass dort keine Möglichkeiten zur Steuererleichterung gegeben werden.
Ostermann: Aber ist eigentlich bekannt, wie viele gemeinnützige extremistische Vereinigungen es bei uns überhaupt gibt, das heißt, wie groß jetzt die Chance ist, Rechtsextremen den Geldhahn wirklich zuzudrehen?
Lemke: Mir ist keine Übersicht darüber auf Bundesebene bekannt. Es gibt eine Vielzahl von kleinen lokalen Splittergruppen, von denen aber eben nicht bekannt ist, wie gut organisiert sie sind und ob sie auf solche Möglichkeiten bisher zugegriffen haben. Hier ist das Bundesfinanzministerium gemeinsam mit dem Innenministerium gefordert, klare Vorschläge zu machen, wie darüber Erkenntnisse gefördert werden können, damit dann auch gegen solche Initiativen vor Ort vorgegangen werden kann – auch auf der finanziellen Seite.
Ostermann: Den Innenministern ist es ja bislang nicht gelungen, sich auf eine gemeinsame Vorgehensweise für ein NPD-Verbotsverfahren zu einigen. Wie überzeugend ist das Argument, dass noch zu viele V-Leute der Geheimdienste die NPD abschöpfen?
Lemke: Ich halte die gesamte Debatte über das NPD-Verbotsverfahren, die wir jetzt seit Jahren erleben, für eine Katastrophe, weil es in der Endkonsequenz die Rechtsextremisten stärkt. Wenn es hier nicht zu einem gemeinsamen Vorgehen kommen kann, dann muss die Konsequenz gerade ein Jahr vor den Bundestagswahlen sein, von diesem NPD-Verbotsverfahren jetzt die Finger zu lassen, weil es den Rechtsextremisten mehr Aufmerksamkeit verschafft und sie in der Endkonsequenz stärkt. Wir brauchen mehr Vorgehen gegen die lokalen Initiativen vor Ort und dafür braucht es vor allem mehr Unterstützung für die vielen, vielen Initiativen, die seit Jahren, seit Jahrzehnten gegen Nazis vor Ort arbeiten.
Ostermann: So wichtig die Initiativen sind – wir kommen gleich noch mal darauf zurück -, ist ein NPD-Verbotsverfahren, das ja auch am Wochenende von vielen wieder einmal gefordert wurde, nötig, um ich sage einfach mal dem Ausland gegenüber deutlich und klar zu zeigen, hier werden Grenzen gezogen?
Lemke: Ich glaube, dass es dafür wesentlich bessere Möglichkeiten gibt, diese Grenzen zu ziehen. Dieses NPD-Verbotsverfahren, so wie es gegenwärtig diskutiert wird, ist eine Farce in meinen Augen und es führt wie ich sagte zur Stärkung der Rechtsextremen. Ich nehme es gerade vor Ort in den Diskussionen häufig auch als eine Ablenkungsdebatte wahr, weil viele Lokalpolitiker in der CDU, teilweise auch in der SPD die mühselige Arbeit vor Ort, die Jahre erfordert, die Jahrzehnte brauchen wird, scheuen und lieber schnell auf ein NPD-Verbotsverfahren aufspringen, um diesen anstrengenden anderen Weg nicht wirklich verfolgen zu müssen.
Ostermann: Die inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Rechten, sage ich einfach mal, mit den Neonazis fällt ja auch deshalb schwer, weil viele von ihnen inzwischen doch offensichtlich in der Mitte der Gesellschaft angelangt sind.
Lemke: Ich hoffe, dass sie dort nicht angelangt sind, aber sie versuchen zumindest, sich dort einzunisten. Auch gerade deshalb ist es aus meiner Sicht fatal, wenn in Thüringen Ministerpräsident Althaus wirklich an der Ernennung von Herrn Krause zum Kultusminister festhalten will. Das wäre ein weiterer Schritt, die Abgrenzung zwischen den demokratischen Parteien und rechtsextremen Parteien und rechtsextremem Gedankengut weiter erodieren zu lassen.
Ostermann: Das sieht der Ministerpräsident in Thüringen natürlich völlig anders. Was ist Ihr entscheidender Vorwurf gegenüber Peter Krause, der demnächst dort Kultusminister werden soll?
Lemke: Er hat keine klare Abgrenzung von Rechtsextremen in den vergangenen Jahren vorgenommen. Ich weiß nicht, wie er selber über verschiedene rechtsextreme Denkansätze denkt, was seine eigene Position dazu ist. Aber er hat die klare Abgrenzung, die ich von einem Kultusminister in einem Bundesland der Bundesrepublik erwarte, gegenüber Nazis vermissen lassen. Er hat selber eine soziale nationale Grundstimmung in der Jugend begrüßt und ich glaube, dass er völlig ungeeignet ist, um gerade auch jungen Menschen eine klare Abgrenzung gegen Nazis mit auf den Weg geben zu können.
Ostermann: Die Grünen fordern hier ein Machtwort der Kanzlerin. Aber ist das nicht zugleich auch so etwas wie ein Armutszeugnis, denn es ist doch noch nie vorgekommen, dass ein Bundeskanzler, eine Bundeskanzlerin sozusagen in die Geschäfte eines Ministerpräsidenten hineinregiert?
Lemke: Darüber ließe sich, glaube ich, trefflich streiten, wie weit die Bundeskanzlerin sich in die Angelegenheiten ihrer CDU-Ministerpräsidenten einmischt. Ich glaube, die sehen das etwas anders. Aber hier droht Schaden für die ostdeutschen Bundesländer, für die Wirtschaft in den ostdeutschen Bundesländern, für die Ansiedlung von Wissenschaft in den neuen Bundesländern und offensichtlich ist Herr Althaus nicht mehr in der Lage, hier selber eine klare vernünftige Entscheidung zu fällen und diesen Kandidaten zurückzuziehen. Deshalb fordere ich die Kanzlerin auf, hier einzugreifen. Sie hat das im Falle von Herrn Oettinger in Baden-Württemberg ebenfalls getan, dort für eine Klarstellung gesorgt, weil Herr Oettinger ebenfalls dazu nicht mehr in der Lage war, und sie sollte das im Interesse ihres eigenen Ministerpräsidenten auch hier tun.