Debatte um Jackson-Doku "Leaving Neverland"

Was tun, wenn der Lieblings-Popstar ein Täter sein soll?

06:19 Minuten
Michael Jackson 1993 auf einem Konzert.
Michael Jackson 1993 auf einem Konzert. Im gleichen Jahr erklärte ein 13-jähriger Junge in Jacksons Schlafzimmer Opfer sexueller Übergriffe geworden zu sein. © dpa / picture-alliance
Lisa Ludwig im Gespräch mit Timo Grampes · 04.03.2019
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Sieben Jahre lang sei er von Michael Jackson missbraucht worden, erzählt der Tänzer Wade Robson in einer neuen Doku. Und auch R. Kelly wird sexueller Missbrauch vorgeworfen. Wird dadurch ihr musikalisches Erbe geschmälert?
"Er war einer der nettesten, sanftesten und liebevollsten Menschen, die ich kannte. Er hat mir enorm bei meiner Karriere geholfen – und er hat mich sieben Jahre lang sexuell missbraucht", sagt Tänzer Wade Robson über Michael Jackson in dem neuen Dokumentarfilm "Leaving Neverland". Auch wenn die Missbrauchsvorwürfe gegenüber dem King of Pop nicht neu sind, schlägt Teil 1 der vierstündigen HBO-Doku große Wellen. "Man hatte das Gefühl eine Bombe sei explodiert", schreibt ein Autor des Rolling Stone.
Seit #MeToo auch die Musikbranche erreicht hat, stellt sich die Frage, wie man mit der Musik fragwürdiger Künstler umgehen sollte. Unter dem Hashtag #CancelCulture wird in den sozialen Medien gefordert, problematische Künstler und Kulturschaffende nicht mehr moralisch, finanziell oder digital zu unterstützen. Auch Vice-Kulturredakteurin Lisa Ludwig hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie man als Fan mit der Kunst der Beschuldigten umgehen sollte.
"Ich glaube, dass man für sich selbst im ersten Schritt überlegen muss: Wie kann ich jetzt damit umgehen, wenn die Person, die für mich vielleicht auch ein Idol war, von deren Kunst ich aber auf jeden Fall jahrelang profitiert habe, die ich geliebt habe, plötzlich für mich nicht mehr liebenswert sein kann, weil plötzlich ganz schreckliche Dinge über diese Person ans Licht kommen?", sagt Lisa Ludwig im Deutschlandfunk Kultur.

Unterscheidung zwischen Künstler und Kunst

Einfach die Musik nicht mehr hören? Ganz so einfach sei es nicht, meint Ludwig. Denn nur weil man erfahre, dass jemand etwas Schlimmes getan habe, sei ja die Musik, die man jahrelang gehört habe, nicht schlechter. Es sei zum Beispiel möglich zwischen dem Künstler und seiner Kunst zu unterscheiden und so an den positiven Erinnerungen, die man mit bestimmten Songs verbinde, festzuhalten.
Unproblematisch sei das aber nicht. Denn wer die Songs via Spotify streamt, erklärt Ludwig, unterstütze den jeweiligen Künstler damit finanziell. Fans stecken also in einem echten Dilemma. Lisa Ludwig empfiehlt einen realistischen und ehrlichen Umgang mit der Situation:
"Ich glaube, dass es extrem wichtig ist, da wirklich offen darüber zu sprechen und auch nicht für sich selbst so zu tun, als könnte man sich von jetzt auf gleich von etwas abwenden. Weil das natürlich unehrlich wäre. Aber man muss sich selbstverständlich kritisch damit auseinandersetzen: Wen unterstütze ich mit meinem Konsum? Welchem Künstler gebe ich meine Liebe und warum?"
(mw)
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