Debatte um BDS-Bewegung

Antisemitische Stimmungsmache oder legitime Kritik?

Aktivisten der BDS-Bewegung in Berlin
Aktivisten der BDS-Bewegung in Berlin © imago stock&people / Christian Ditsch
Moderation Max Oppel · 22.09.2017
Ist popkultureller Boykott zulässig? - Darüber debattieren im Streitgespräch die beiden Autoren Jonas Engelmann und Daniel Bax. Anlass sind die Aktionen von BDS-Aktivisten, die Künstler dazu aufrufen, Veranstaltungen abzusagen, die von Israel unterstützt oder mitfinanziert werden.
Nachdem Kate Tempest ein Berlin-Konzert abgesagt hat, geht das Gespenst der Boykottspirale um. Künstler boykottieren Israel, indem sie dort nicht auftreten und ihre Teilnahme absagen bei Festivals, die von Israel unterstützt werden.
Organisiert und vehement propagiert wird das von der BDS-Initiative. BDS steht für "Boykott", "Desinvestitionen" und "Sanktionen" und richtet sich gegen Einrichtungen und Privatpersonen, denen eine Nähe und die Unterstützung Israels vorgeworfen wird.

Wieviel Israelhass und Antisemitismus steckt in dieser Kampagne? Und wie könnten Reaktionen und Antworten auf diese Boykotte aussehen - sollte man andererseits zum Boykott von Israel-Boykotteuren aufrufen? Einer der aktuellen Anlässe für diese Debatte um die BDS-Initiative ist Kate Tempests Auftrittsabsage für das von der Volksbühne organisierte Konzert. Tempest hatte vor dem Konzert nach eigenen Angaben Drohungen von BDS-Gegnern erhalten.

Israel-Kritiker der BDS-Bewegung schaffen "Doppelstandards"

Der Publizist Jonas Engelmann sieht in den Boykotten der BDS-Bewegung eine Art Kulturzensur, die im Namen der Freiheit für Palästinenser auf andere Druck ausübt. Der BDS sei mit seiner Haltung und seiner Politik strukturell antisemitisch, erklärt er im Deutschlandfunk Kultur:
"Das Grundproblem dieser BDS-Bewegung ist ja, dass sie sich diesen einen Staat Israel ausgesucht haben und sich auf ihn einschießen, und den anders als andere Staaten behandeln. Sie kritisieren dort Dinge, die sie bei anderen Staaten völlig ignorieren: Menschenrechtsverletzungen gibt es ja weltweit."
Und der BDS setze Menschen unter Druck, die sich nicht den Forderungen des BDS anschlössen und fordere diese damit auf, sich doch bitte auch gegen Israel zu positionieren. Engelmann nennt das einen "Doppelstandard".

"Taz"-Autor Daniel Bax widerspricht:
"Man macht es sich zu einfach, wenn man die Motive [der BDS-Bewegung - A.d.R.] vom Tisch wischt und sagt: 'Das ist ein Doppelstandard!'"
Beide Seiten müssten hier Beachtung finden: Sowohl die Haltung der BDS-Bewegung müsste akzeptiert werden, wie auch die Haltung von Künstlern, die dem nicht folgten.
"Man muss sehen, dass es auch Gründe gibt, warum diese Künstler Israel kritisieren. Es ist ja nicht so, dass da alles in Ordnung wäre. Die Gegenseite verklärt Israel."
Und Bax betont, in der BDS-Bewegung seien oft auch Künstler organisiert, die selbst jüdischer Herkunft sind.
"Der Autor der 'Berliner Zeitung', 'Jüdische Allgemeine', Philipp Peymann Engel, warnt hier: "Es ist zunächst einmal sehr wichtig zu sagen, dass Kritik am Staat Israel per se nicht antisemitisch ist. Das Agieren des BDS ist aber höchst problematisch, weil es legitime Kritik wirklich meilenweit überschreitet, indem sie etwa sagen: 'Israel ist ein faschistischer Staat oder ein Apartheitsstaat, die Israelis tun den Palästinensern das an, was die Nazis den Juden im dritten Reich angetan haben.'"

Alte Klischees werden wieder bedient

Auch Engelmann schließt sich dieser Warnung an:
"Die Argumente des BDS und die Form, in der er argumentiert, bedient durchaus antisemitische Ressentiments."
Zudem setze der BDS darauf, dass diese Resentiments noch vorhanden sind in der Bevölkerung und auch angenommen würden. Engelmann nennt hier das antisemitische Klischee des Kindermörders oder des Brunnenvergifters.
Bax widerspricht auch hier und betont, dass eben von der BDS-Bewegung nicht mit diesen Klischees gearbeitet werde, und dass dort konkrete aktuelle Vorwürfe gegen die Politik Israels erhoben würden:
"So wie kurdische Künstler vielleicht Schwierigkeiten haben bei einem Festival aufzutreten, wo die türkische Regierung Sponsor ist oder ein ukrainischer Künstler Schwierigkeiten hat, auf einem Festival aufzutreten, wo die russische Regierung Sponsor ist, muss man doch verstehen, dass arabische Künstler vielleicht auch ein Problem damit haben, wenn die israelische Botschaft als Sponsor auftritt."
Daniel Bax und Jonas Engelmann im Kompressor-Streitgespräch.
Mehr zum Thema