Debatte über "Impfnationalismus"

"Den globalen Norden nicht gegen den Süden ausspielen"

05:23 Minuten
Eine Gesundheitsmitarbeiterin impft eine Frau in Mumbai, Indien.
In Indien sind erst zehn Prozent der Bevölkerung geimpft, wie in vielen Ländern des globalen Südens. © picture alliance / Zumapress / Ashish Vaishnav
Ijoma Mangold im Gespräch mit Anke Schaefer  · 19.08.2021
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Der „Zeit“-Journalist Ijoma Mangold warnt davor, die Debatte über die weltweite Verteilung von Impfstoffen zu moralisierend zu führen. Es sei im Interesse aller, auch im globalen Süden mehr zu impfen, um die Corona-Pandemie zu besiegen.
Während in vielen Ländern bereits über die dritte Impfung gegen Covid-19 gesprochen wird, sind viele Menschen im globalen Süden noch gar nicht geimpft. Der Hauptgeschäftsführer des Werks für Entwicklungszusammenarbeit von Misereor, Pirmin Spiegel, klagte deshalb heute auf der Jahrespressekonferenz über die Ungleichverteilung von Impfstoffen auf der Welt. Er sprach von einem "Impfnationalismus".

Misereor kritisiert ungleiche Verteilung der Impfstoffe

Spiegel sagte, im Frühjahr hätten sich zehn reiche Länder, darunter auch Deutschland, 76 Prozent der global verfügbaren Impfstoffe gesichert. Gleichzeitig hätten Staaten des globalen Südens kaum Zugang zu Impfstoffen. "Entsprechend bleibt die Impfquote in sehr vielen Ländern des globalen Südens sehr niedrig."
Porträt von Ijoma Mangold.
Ijoma Mangold plädiert für mehr Realismus in der Debatte über die globale Verteilung von Impfstoffen. © Deutschlandradio/Christian Kruppa
Der Journalist Ijoma Mangold ist skeptisch, ob man diese Frage in so starker Weise moralisieren sollte. "Pirmin Spiegel klang so, als hätten sich diese zehn Länder diese Impfstoffe unter die Nägel gekrallt wie in einer räuberischen Aktion", sagt Mangold.
Fairer wäre es, darauf hinzuweisen, dass einige dieser Länder diese Impfstoffe auch mit erheblichem innovativen Engagement sehr schnell entwickelt hätten.

Politik der Nationalstaaten

Es sei sicher richtig, die Impfstoffe besser zu verteilen, um die Pandemie besser in den Griff zu bekommen. Dabei sollte man nicht den globalen Norden gegen den Süden ausspielen, kritisiert er.
US-Präsident Joe Biden habe ebenso wie Bundeskanzlerin Angela Merkel vor allem das Wohlergehen des eigenen Wahlvolkes im Blick. "Die Welt als Ganze ist ein metaphysischer Traum", so Mangold.
Vielleicht werde es eines Tages Institutionen geben, die einer Weltregierung ähnelten. "Aber erst mal leben wir in Nationalstaaten. Und da sind die Politiker für das Heil und das Wohlergehen ihrer Bevölkerung verantwortlich."

Ijoma Mangold, geboren 1971 in Heidelberg, ist kulturpolitischer Korrespondent im Feuilleton der Wochenzeitung "Die Zeit". Mangold arbeitete zuvor bei der "Berliner Zeitung" und der "Süddeutschen Zeitung" und studierte Literaturwissenschaft und Philosophie. Zuletzt erschien sein Buch "Der innere Stammtisch. Ein politisches Tagebuch".

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