Großbritannien

Wahl ohne klaren Favoriten

Der britische Oppositionsführer Ed Miliband (l.) und Premierminister David Cameron
Kopf-an-Kopf-Rennen: Der britische Oppositionsführer Ed Miliband (l.) und Premierminister David Cameron. © AFP / Matt Dunham
Von Jochen Spengler · 07.05.2015
Der Ausgang der Wahl in Großbritannien am Donnerstag gilt als völlig offen. Festgelegt haben sich bisher nur die Wettbüros: Sie halten eine von der SNP geduldete Labour-Minderheitsregierung für am wahrscheinlichsten.
Der Wahlkampf ist vorbei und die Umfragen signalisieren ein Kopf-an Kopf-Rennen zwischen Konservativen und Labour-Partei. Bis gestern waren die Spitzenkandidaten im ganzen Land unterwegs, um Wähler in letzter Minute für sich zu gewinnen. Nicht mehr durch persönliche Ansprache an der Haustür, sondern im sogenannten "Luftkrieg": durch möglichst vorteilhafte Fernsehbilder, die zum Beispiel den Labour-Oppositionsführer Ed Miliband im Kreis jubelnder Anhänger zeigen:
"Viele Menschen sind noch unentschieden und meine Botschaft an sie ist: Sie können weitere fünf Jahre haben mit einem Premierminister, der sich vor allem um die Reichen und Mächtigen in unserem Land kümmert, oder mich als Premier, der die arbeitenden Menschen an die erste Stelle setzt".
Eine absolute Mehrheit ist weder für die Konservativen noch für Labour realistisch
Milibands Gegenspieler Premierminister David Cameron hat die Wahlstrategie seiner Konservativen Partei in den letzten Wochen mehrfach verändert. Am Anfang setzten die Tories vor allem auf den Amtsbonus Camerons und die Wirtschaftsbilanz der Regierung mit Verweis auf Wachstum und Arbeitsplätze; später auf eine Negativkampagne gegen den Herausforderer Miliband, der sich nicht als Premier eigne. Und zum Schluss vor allem darauf, Ängste zu schüren vor einer Labour-Regierung, die abhängig sein könnte von den Stimmen der Separatisten von der Schottischen Nationalpartei SNP:
"Im besten Interesse des Landes wäre meiner Meinung nach eine absolute Mehrheit für uns Konservative. Eine handlungsfähige Regierung, die den Wirtschaftsplan weiter führt und die sicherstellt, dass wir nicht den Albtraum von Miliband bekommen, der von der SNP gestützt wird, was wirklich schlimm wäre für das Land..."
Doch eine absolute Mehrheit ist wie schon vor fünf Jahren weder für die Tories noch für Labour realistisch, was beide nur hinter vorgehaltener Hand einräumen. Dazu müssten sie nämlich 326 Sitze im Unterhaus erobern. Den Konservativen dürften rund 45 Mandate fehlen, Labour vielleicht 55. Beide Großen brauchen also zum Regieren Steigbügelhalter und beiden bietet sich dafür Nick Clegg an, der Vorsitzende der Liberaldemokraten:
"Jetzt, wo ein Parlament ohne absolute Mehrheit sicher ist, können nur die Liberaldemokraten einer Regierung mit den Konservativen ein Herz geben und einer mit Labour ein Hirn. Nur die Liberaldemokraten können für eine starke, stabile und faire Regierung sorgen, die unser Land braucht."
Das Problem: die Liberalen dürften selbst nicht genügend Sitze bekommen, um eine starke Regierung zu schaffen. Die Meinungsforscher glauben, dass sie mehr als die Hälfte ihrer derzeit 56 Mandate verlieren, so dass eine Koalition mit den LibDems weder Tories noch Labour zur Mehrheit verhilft.
Mehr als drei Sitze für UKIP sind kaum möglich
Auch die rechtspopulistische UKIP taugt nicht als Stütze für die Konservativen im Parlament. Sie wird ihnen zwar entscheidende Wählerstimmen wegnehmen und selbst vielleicht 14 Prozent einheimsen, damit aber höchstens drei Sitze erobern. Was den Parteichef und Traditionalisten Nigel Farage auf das traditionelle britische Wahlrecht schimpfen lässt:
"Wir haben die letzten Wochen damit verbracht zu diskutieren, wer mit wem ins Bett gehen könnte, damit, dass die großen Parteien erklärten, warum man nicht für die andere stimmen sollte, eine völlig negative Politik in diesem Land und ich glaube, dass es ein Ergebnis des Mehrheitswahlrechts ist. Bitte stimmt für mich, ich bin nicht ganz so schlimm wie die anderen."
Die Wettbüros halten es für am wahrscheinlichsten, dass Ed Miliband eine Labour-Minderheitsregierung bildet unter Duldung der Schottischen Nationalpartei.
Tories und konservative Presse sind aufgescheucht und sprechen bereits davon, einer solchen Regierung fehle die Legitimität. Nicht nur weil die SNP nicht ein Land mitregieren sollte, das sie auseinanderbrechen wolle; sondern auch weil die stärkste Partei den Premierminister stellen sollte und Labour vermutlich nur zweitstärkste werde.
Ed Miliband versichert zwar, er werde mit der SNP keinen Deal eingehen, doch deren charismatische Vorsitzende Nicola Sturgeon lockt mit ihrer Interpretation von Legitimität:
"Eine legitime Regierung ist jene, die das Vertrauen der Mehrheit des Parlaments hat und die auf die Unterstützung von Parteien aus ganz Großbritannien bauen kann... Wenn es am Freitagmorgen eine Anti-Tory-Mehrheit gibt im Parlament, dann wird die SNP mit anderen zusammenarbeiten, um David Cameron aus der Downing Street zu vertreiben."
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