Debatte über Bestattungsrituale

Gibt es ein falsches Trauern?

Rosen sind als Grabschmuck "RuheForst" am Schweriner See in der Nähe an der Wurzel einens Laubbaums zu sehen.
Es gebe es einen Trend zur Individualisierung auch in der Bestattungskultur, stellt Soziologe Thorsten Benkel fest. © dpa / Jens Büttner
Thorsten Benkel im Gespräch mit Dieter Kassel  · 28.06.2018
Brandenburgs Regierung wollte die Verarbeitung von Totenasche, beispielsweise zu Diamanten als Erinnerungsstücke, erlauben. Der Landtag kippte jetzt diese Pläne. Der Soziologe Thorsten Benkel glaubt, dass andere Bundesländer bald anders entscheiden könnten.
Mit knapper Mehrheit hat der Brandenburger Landtag entschieden, dass sich Angehörige auch künftig keine Erinnerungsstücke aus Totenasche fertigen dürfen. 40 Abgeordnete stimmten am Mittwoch im Landtag gegen einen Gesetzentwurf, der Hinterbliebenen erlauben sollte, aus einer geringen Menge der Asche von Verstorbenen beispielsweise Erinnerungsdiamanten pressen zu lassen.

Gewissensentscheidung in Brandenburg

Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) hatte den Regierungsentwurf damit begründet, dass sich Angehörige zunehmend solche Erinnerungen an die Verstorbenen wünschten. Dagegen erklärten Abgeordnete mehrerer Fraktionen, im Hinblick auf Respekt und Würde dürften aus toten Menschen keine Dinge gemacht werden. Die Abstimmung war von den Fraktionen freigegeben worden, weil es sich um eine Gewissensentscheidung handele.
Ein roter Streichholzkopf neben einem Diamanten auf schwarzem Filz.
Ein Diamant, der aus der Asche eines Verstorbenen hergestellt wurde.© dpa / Karl-Josef Hildenbrand
"Ich hätte allerdings auch gedacht, dass die Entscheidung ein bisschen anders ausgeht", sagte der Soziologe und Experte für Bestattungskultur, Thorsten Benkel im Deutschlandfunk Kultur. Er erwarte, dass der Umgang mit Totenasche in anderen Bundesländern demnächst anders ausgehen könnte. Diese Fragen würden neu diskutiert, weil es Menschen gebe, die sich andere Rituale der Bestattung wünschten. "Und dann ist die Frage, wer soll entscheiden wie man richtig trauert – oder gibt es überhaupt ein falsches Trauern?"

Mehr individuelle Wünsche

Seit den 1980er-Jahren gebe es einen Trend zur Individualisierung, der auch in die Bestattungskultur hinein sickere, sagte Benkel. "Da sagen Menschen dann, ich möchte auch eine Seebestattung, was vorher eigentlich nur Marine-Angehörige bekommen haben." Jemand anders wolle unter einem Baum im Wald bestattet werden. Das sei alles Schritt für Schritt in Deutschland zugelassen worden. Seit den 1990er-Jahren gebe es noch einen größeren Umbruchprozess, bei dem sich die Frage stelle, was man in der Bestattungskultur überhaupt noch verbieten soll. "Die europäischen Nachbarländer sind da sehr viel weiter als Deutschland."
(gem)
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