Debatte in der Katholischen Kirche

Gibt es bald verheiratete Priester?

Papst Franziskus zelebriert eine Messe im Petersdom in Rom.
Die Chancen auf eine Lockerung des Zölibats stehen unter Papst Franziskus so gut wie lange nicht mehr. © dpa picture alliance/ Donatella Giagnori / Eidon
Von Michael Hollenbach · 04.03.2018
Der katholischen Kirche fehlen hierzulande die Priester - einer der Gründe ist sicher der Zölibat, die Pflicht, ehelos zu leben. Deshalb mehren sich die Stimmen, die Priesterweihe von verheirateten Männern fordern. Theologische Hürden gibt es dabei kaum.
Weihbischof spricht bei einer Diakonenweihe: "Seid ihr bereit, zum Zeichen eurer Hingabe an Christus den Herrn um des Himmelreiches Willen ehelos zu leben und für immer eurem Vorsatz treu zu bleiben, in dieser Lebensform Gott und den Menschen zu dienen?"
Antwort: "Ich bin bereit."
So lautet das Versprechen, dass auch Stefan Hirblinger als junger Priesteramtskandidat vor mehr als 30 Jahren bei seiner Diakonenweihe geleistet hat: "Ich wusste, der katholische Priester legt dieses Versprechen ab, und das hat für mich dazu gehört, Es war schon immer ein Stachel im Fleisch, dass man diese Dimension Beziehung zu einer Frau, Ehe-Familie-Kinder, dass man das alles von vornherein fürs Leben schon in jungen Jahren ausklammert."
Auch Rainard Dörpinghaus musste ein Zölibatsversprechen ablegen, als er als junger Mann in den Benediktinerorden eintrat. Doch schon bald vermisste er Liebe, Nähe, Zärtlichkeit: "Man kann in der Gemeinschaft auch einsam sein. Ein Priester spürt diese Einsamkeit, denn die Gemeinde ist kein Ersatz für Familie, für die Intimität. Man hat Freunde, man hat Kumpel, aber es fehlt eine gewisse Intimität. Gott kuschelt nicht."
Rainard Dörpinghaus trat vor zehn Jahren aus seinem Orden aus; Stefan Hirblinger hat vor einem Jahr sein Priesteramt niederlegen müssen, nachdem er sich öffentlich zu seiner Freundin bekannt hatte.

Sakrament der Eucharistie nur durch geweihte Priester

Viele Priester hadern mit dem Zölibat. Eine Studie über katholische Seelsorger hat ergeben, dass nur rund ein Drittel der Priester hinter dem Zölibat steht. Der Passauer Bischof Stefan Oster verteidigt die sexuelle Enthaltsamkeit des Klerus:
"Ich muss in meinem Leben lernen, mit dem Herrn allein zu sein, und dann Begegnungsfähigkeit zu lernen. Aber wenn ich sage: Ich bin so allein, ich habe niemanden, und nicht in die geistliche Tiefe finde, dann wird es ein Problem. Aber wenn ich sehr stark lerne aus der Freundschaft mit Christus zu leben, dann ist die Regel und die Erfahrung von vielen, dass so ein Leben zufrieden und glücklich ist."
Der Zölibat, die Verpflichtung, ehelos, sexuell enthaltsam und ohne Partner oder Partnerin zu leben, hält junge Männer offenbar davon ab, Priester zu werden. In dem Pflichtzölibat sieht der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner einen der Gründe für den wachsenden Priestermangel: "Es ist einer der ganz großen Skandale in der katholischen Kirche, dass uns die Lebensform der Priester wichtiger ist als die Eucharistiefähigkeit gläubiger Gemeinschaften."
In der römisch-katholischen Kirche können nur geweihte Priester das Sakrament der Eucharistie und der Beichte spenden. Um den Priestermangel in Deutschland auszugleichen, setzen viele Bistümer auf ausländische Geistliche - vornehmlich aus Polen und Indien:
"Allerdings scheint uns das kein Königsweg zu sein, weil die Erfahrungen zeigen, dass es zum Teil große kulturelle Probleme gibt bei der Integration und die Voraussetzungen des priesterlichen Dienstes in den Ortskirchen der Welt doch sehr unterschiedlich sind", sagt der Freiburger Dogmatikprofessor Helmut Hoping. Probleme gibt es vor allem deshalb, weil die Priester nur für wenige Jahre in die deutschen Pfarreien kommen. Hoping hat mit seinem Mainzer Kollegen Philipp Müller eine alte Idee wiederbelebt, nämlich so genannte viri probati, zu Deutsch: "bewährte Männer", zu Priestern weihen zu lassen.

"Bewährte Männer" als verheiratete Priester?

Sie sollten über eine fundierte theologische Ausbildung verfügen, sollten ein Mindestalter von 50 Jahren erreicht und die Familienplanung abgeschlossen haben. Hoping und Müller denken dabei vor allem an Ständige Diakone, die sich zu verheirateten Priestern weihen lassen könnten. Der Ständige Diakonat, der nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil Mitte der 1960er Jahre wiederbelebt wurde, ist ein Weiheamt. Einzuordnen zwischen dem Pastoralreferenten und dem Priester.
Doch es gibt noch eine andere Überlegung zu den viri probati. Theologen des globalen Südens wie die emeritierten Bischöfe Fritz Lobinger aus Südafrika und Erwin Kräutler aus Brasilien favorisieren ein Modell nebenberuflicher Priester. Der Pastoraltheologe Paul Zulehner war an der Entwicklung dieses Konzepts beteiligt:
"Da würde dieses Modell dann sagen: Es muss die Gemeinschaft vor Ort eucharistisch nicht ausbluten, vor allem weil aus ihr die Gemeinschaft ja ihre Stärke bezieht, und diese ordinierten nebenberuflichen Priester, die stehen dann der sonntäglichen Eucharistiefeier vor."
Entscheidend an dem Modell: Die verheirateten Priester kämen aus der Mitte der Gemeinde: "Es müssten diese auch von der Gemeinde gewählt werden. Das ist in diesem Modell außerordentlich stark und auf diesem Weg entsteht dann ein neuer priesterlicher Weg in den Gemeinden."

Zölibat ist ein rein kirchliches Gesetz

Auch die deutschen katholischen Bischöfe öffnen sich vorsichtig der Debatte über die viri probati. Der Osnabrücker Franz Josef Bode ist stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz: "Ich kann mir gut vorstellen, dass man diese Überlegungen mal vertieft. Denn es soll ja heißen, nicht dass das Zölibat des Priesters abgeschafft wird, sondern dass es neben dem zölibatären Priester die Form gibt, dass man sein Priesteramt mit Beruf und Familie verbindet."
Anders als bei der Weihe von Frauen zu Priesterinnen ist die theologische Hürde innerhalb der römisch-katholischen Kirche beim Thema verheiratete Priester nicht sehr hoch, erläutert Thomas Schüller, Professor für Kirchenrecht an der Universität Münster:
"Es ist auf jeden Fall Platz für diese Lösung, weil das Gesetz, dass nur ein unverheirateter Mann zur Priesterweihe zugelassen werden kann, ein rein kirchliches Gesetz ist. Aber kein göttliches Recht, das auf die Bibel zurückgeführt würde. Und wir haben ja in der Geschichte der Kirche auch lange Zeit verheiratete Priester gehabt. Insofern ist das eine verhandelbare und veränderbare Materie."
Erst das Zweite Laterankonzil 1139 verabschiedete ein Gesetz zur Ehelosigkeit der Priester. Und ein vollständig eheloser Klerus existiert erst seit dem Konzil von Trient Mitte des 16. Jahrhunderts. Der Pflichtzölibat blieb weitgehend auf die römisch-katholische Kirche des Westens beschränkt:
Paul Zulehner: "Wir sollen nicht so scheinheilig tun, als hätten wir lauter ehelose Priester. Die katholische Kirche hat ja auch die griechisch-katholischen Priester, wir haben die syro-malabarischen in Indien, die um das Jahr 1000 die Tradition nicht verlassen haben, wie es im Timotheus-Brief steht, dass ins Amt nur jemand gewählt werden soll, der sich in der Familie gut bewährt hat. Und wir haben evangelische Pastoren, die konvertiert sind, wir haben anglikanische Priester, die konvertiert sind und natürlich verheiratet bleiben."

Amazonas-Synode 2019 könnte Wende bringen

Thomas Schüller warnt davor, den Zölibat theologisch zu überhöhen: "Man kommt in argumentative Schwierigkeiten, wenn man versucht, es theologisch aufzuladen. Man wird den Ostkirchen ja nicht nachsagen können, sie seien keine geistlichen Kirchen. Das ist ein Kernproblem, dass in der katholischen Bevölkerung der Zölibat gut hielt, wie das mitgetragen wurde von vielen Menschen.
Wenn aber immer mehr Gläubige sagen: Mir ist das egal, ob mein Pastor verheiratet ist oder nicht, wichtig ist, dass ich einen habe, den ich erreiche, dem ich meine Sorgen vortragen kann, dann bricht die Basis und der Resonanzboden für den Zölibat. Ich glaube, das ist das Kardinalproblem."
Paul Zulehner rechnet damit, dass bereits im kommenden Jahr der Weg zu den viri probati frei gemacht wird. Denn 2019 findet in Rom die Amazonas-Synode statt und nach gegenwärtigem Stand wird sich wohl die Mehrheit der Amazons-Bischöfe dafür aussprechen, auch verheiratete Männer zu Priestern weihen zu lassen: "Der Papst besucht die Amazonas-Synode und wie ich ihn kenne, dass er sagt: 'Der Geist Gottes wirkt nicht nur im Vatikan, sondern auch im Amazonas-Gebiet. Dann wird er sagen: Macht das bitte und ihr habt meine weltkirchliche Rückendeckung.'"
Auch der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode ist sich sicher: Ein Beschluss der Amazonas-Synode würde Kreise ziehen. "Wenn man das in einer Region der Welt tut, dann hat das weltkirchliche Konsequenz."

Unter Papst Franziskus Chancen so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr

Nach einer von der katholischen Kirche in Auftrag gegebenen Studie gaben 54 Prozent von 8600 befragten Seelsorgern an, der Zölibat sei für sie nicht erfüllend. Fast 60 Prozent vermissen eine partnerschaftliche Beziehung, körperliche Intimität und Sexualität. Und rund ein Viertel würde sich wegen des Zölibats nicht noch einmal für den Priesterberuf entscheiden.
Die Anzeichen für eine Veränderung mehren sich. Die baden-württembergische Initiative Pro Concilio hat im vergangenen Jahr 12.000 Unterschriften gesammelt für die Forderung nach viri probati und der Weihe von Frauen. Im Rheinland und in Nürnberg haben Priester in offenen Briefen vehement den Priestermangel beklagt und Reformen gefordert. Und Kardinal Beniamino Stella, Leiter der Kleruskongregation des Vatikans, empfiehlt zumindest ein Nachdenken über die Weihe verheirateter Männer.
Vor diesem Hintergrund beklagt der Theologieprofessor Helmut Hoping, der eher zu den konservativen Vertretern seiner Zunft gehört: "Man kann sich schon fragen, warum eigentlich angesichts des Priestermangels dieses Thema von den deutschen Bischöfen nicht doch etwas offensiver angegangen wird."
Dabei stehen unter Papst Franziskus die Chancen für Reformen wie beispielsweise die Weihe verheirateter Männer so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Der Pastoralsoziologe Paul Zulehner ist überzeugt: "Ich glaube, wenn heute ein deutscher Bischof das machen würde, würde er in Rom keinen Protest mehr ernten."
Mehr zum Thema