Debatte in Berlin

Soll man die Israel-Boykotteure boykottieren?

Aktivisten der BDS-Bewegung in Berlin
Aktivisten der BDS-Bewegung in Berlin © imago stock&people / Christian Ditsch
Hartwig Vens im Gespräch mit Britta Bürger · 18.01.2018
Der Nahost-Konflikt hat die deutsche Popwelt erreicht: Mitglieder der BDS-Kampagne boykottieren Veranstaltungen, an denen Israelis teilnehmen. Kulturschaffende diskutierten nun in der Berliner Volksbühne, ob man den Boykotteuren mit einem Boykott antworten sollte.
"Boycott, Divestment and Sanctions", kurz BDS, heißt eine Initiative, die sich den Boykott des Staates Israel auf die Fahnen geschrieben hat. Nicht nur Waren, sondern auch Kulturschaffende sind Ziel der BDS-Kampagnen. Popstars wie Roger Waters oder Brian Eno unterstützen den BDS und fordern jeden Musiker auf, nicht in Israel zu spielen. Hohe Wellen schlug das, als sich Radiohead trotz massiven Drucks weigerten, ihr Israel-Konzert abzusagen.
Seit letztem Sommer ist auch Deutschland betroffen. Beim Festival Pop-Kultur sagten alle arabischen und einige internationale Musiker ihre Auftritte ab. Auch hierfür hatte der BDS wieder alle Hebel in Bewegung gesetzt. Dann, ein paar Wochen später, cancelte die britische Sängerin und BDS-Unterstützerin Kate Tempest ihren Auftritt in der Volksbühne. Ihr war vorgeworfen worden, sie fördere die Delegitimierung Israels und den strukturellen Antisemitismus, den der BDS betreibe.
Sollte man deshalb die Boykotteure boykottieren? Dieser Frage diskutierten nun Kulturschaffende in der Volksbühne. Mit dabei waren unter anderem: Martin Goldschmidt vom Label Cooking Vinyl, die Musikerin Barbara Morgenstern oder Christian Morin, Leiter des Musikprogramms der Volksbühne und Kurator des "Pop-Kultur" Festival.
Unser Redakteur Hartwig Vens fand die Veranstaltung...
"... fast schon zu zivilisiert für meinen Geschmack. Vor allem, wenn man in Rechnung stellt, wie aufgeladen das Ganze war. Ein bisschen mehr Pep hätte dem Abend schon gut getan."

Diskussionsrunde ohne Boykott-Befürworter

Der Grund dafür, dass die Diskussion eher ruhig verlief, lag Vens zufolge daran, dass kein einziger Boykott-Befürworter auf der Bühne saß. Allein Martin Goldschmidt, der auch ein Musikfestival in Ramallah veranstaltet, habe ein wenig Verständnis für den BDS geäußert. Die Entscheidung der Veranstalter, keinen BDS-Befürworter zur Diskussion einzuladen, hält Hartmut Vens aber für nachvollziehbar:
"Mit Fundamentalisten kann man nicht reden. Weswegen ich es auch richtig fand, dass niemand vom BDS auf der Bühne, auf dem Podium, war."
Statt einer hitzigen Diskussion dominierten somit nachdenkliche Töne. Dass man die BDS-Bewegung selbst boykottieren solle, sei von den Diskussionsteilnehmern nicht ernsthaft in Erwägung gezogen worden. Stattdessen hätten man eher die aktuelle Situation reflektiert, so Vens:
"Was ist hier eigentlich passiert? Wie fühlen wir uns eigentlich in diesem Schlamassel? Barbara Morgenstern war da sehr offen und hat gezeigt, wie sehr sie die Macht der Boykottinitiative, die sie auch persönlich attackiert hat, beeindruckt hat."

Hilflosigkeit und Hoffnung

Mit der Boykottinitative sei der Nahostkonflikt in der Arena des deutschen Pop angekommen, so Vens. Als es um die Frage ging, wie man wieder aus der Spirale von Protest und Gegenprotest herauskomme, habe man zwar davon gesprochen, dass man eine gemeinsame Gesprächsgrundlage finden müsse; das Ganze habe aber insgesamt floskelhaft und hilflos gewirkt. Am Ende habe sich eine Mitveranstalterin des Fusion Festivals zu Wort gemeldet und davon erzählt, dass sich auf ihrem Festival israelische und arabische Musiker darauf einigen, dass sie gegen das "israelische Besatzungsregime" seien, sagt Hartmut Vens.
"Aber ob das jetzt ein Rezept ist, wo man anknüpfen kann, wo andere Festivals sich ein Beispiel nehmen können, und wo man vor allem diesen Konflikt entschärfen kann, das wage ich doch sehr zu bezweifeln."
(mw)
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