Dean Blunt: "Black Metal 2"

Das ewige Rätsel geht weiter

09:47 Minuten
Musiker Dean Blunt in rotes Licht getaucht, mit Mikrofon auf der Bühne.
Der Musiker Dean Blunt liebt das Verwirrspiel. Das ändert sich auch mit dem neuen Album nicht. © IMAGO / Gonzales Photo
Raphael Smarzoch im Gespräch mit Andreas Müller · 14.06.2021
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Vor sieben Jahren veröffentlichte Dean Blunt sein Album "Black Metal", doch Metallisches war darauf nicht zu hören. Seine ganze Karriere inszeniert Blunt als Verwirrspiel. Nun erscheint "Black Metal 2", der Musiker bleibt ein Mysterium.
Wie auf dem Vorgängeralbum gibt es auch auf "Black Metal 2" keine Metal-Sounds. Stattdessen einfach instrumentierten Kammerpop, meistens mit Gitarre, Bass und Schlagzeug arrangiert. Hin und wieder kommen Streicher und elektronische Sounds hinzu, sagt der Musikjournalist Raphael Smarzoch.

Etwas Düsteres schlummert unter der Oberfläche

"Diese Musik wirkt auf mich nicht besonders einladend. Sie ist an der Oberfläche schön, aber etwas Düsteres schlummert unter dieser Oberfläche", so Smarzoch. Obwohl die Songs alle sehr langsam seien, entspannt und nahezu schlafwandlerisch daherkämen, hafte ihnen nichts Beruhigendes an, sondern etwas Unbehagliches.
Dean Blunts Welt ist sehr kryptisch. Die tiefergehende Bedeutung seiner Songs erschließt sich nicht ohne weiteren Kontext. "Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass sie sich Außenstehenden überhaupt nicht erschließt", so Smarzoch.
Man tappe beim Hören im Dunkeln und könne lediglich versuchen, Referenzen offenzulegen. Das mache diese Songs so faszinierend, sagt Smarzoch. Der Songtitel "Semtex" bezeichnet einen Plastiksprengstoff, und "Mugu" ist westafrikanischer Slang und bedeutet "Opfer eines Betrugs".

Bezüge zum Hip-Hop

Es gebe auch Bezüge zum Hip-Hop. Blunt arbeitet immer wieder mit Loops, über die er mit seinem monotonen, lethargischen Sprechgesang singt. Aber auch inhaltlich und ikonografisch gibt es Referenzen. So benutze er das N-Wort oder bezeichne Weiße abwertend als "Cracker". Spreche von Gs, Gangstern. Da seine Texte sehr sparsam gestaltet seien, sei diese Wortwahl sicherlich kein Zufall, meint Smarzoch.
Das Cover des Vorgängeralbums "Black Metal", das vor sieben Jahren herauskam, war ganz schwarz gehalten, selbst die CD war von beiden Seiten schwarz. Das Artwork des Albums sei auch eine Hommage an Dr. Dres zweites Album "2001" gewesen, erklärt Smarzoch.

"Blunt ist ein Trickser"

Vor schwarzem Hintergrund war oben links der Name "Dr. Dre" zu lesen und unten rechts eine Cannabis-Pflanze und die Zahl 2001 zu sehen. "Auf dem Cover von "Black Metal 2" sehen wir eine riesige schwarze Fläche, auf der nur die 2 übriggeblieben ist, allerdings in die linke Ecke gewandert."
Es sei gut möglich, dass Blunt hier eine Parodie im Kopf gehabt habe, glaubt Smarzoch, denn "Blunt ist ein Trickser, ein Prankster, heute würde man wohl Troll sagen." Journalisten erzählte er einmal, er wolle aufhören, Musik zu machen und eine Laufbahn als Wrestler beginnen. Zu einer Preisverleihung schickte er dann jemanden hin, der sich als Dean Blunt ausgab. Außerdem veröffentlichte er ein Buch, in dem nur teure Rechnungen aus Luxusclubs abgedruckt waren, oder verkaufte Cannabis in Spielzeugautos auf Ebay.

Ein durch und durch postmoderner Künstler

Seine gesamte Person sei immer mit Vorsicht zu genießen, sagt Smarzoch. Das mache ihn auch zu einem durch und durch postmodernen Künstler. Man könne den von ihm ausgelegten Fährten nicht trauen.
Ansonsten gebe es aber keine direkten Verbindungen zwischen den Alben. Das Material auf den neuen Album sei deutlich gitarrenorientierter und sehr stark.
Auffällig sei, dass die Stücke des aktuellen Albums viel kürzer ausgefallen seien. Viele von ihnen überschreiten selten die Zwei-Minuten Marke. Im Gegensatz dazu hatten manche Lieder auf dem Vorgänger eine Länge von über zehn Minuten.

Spiel mit Identitäten

Dean Blunt spiele mit musikalischen Identitäten, so Smarzoch. So macht er als "Babyfather" Sounds, die dem Hip-Hop und diversen Spielarten britischer Clubmusik nahestehen. Als "Hype Williams" widmete er sich zusammen mit Inga Copeland experimentellen elektronischen Klängen.
"Identität wird aber auf 'Black Metal 2' buchstäblich auf musikalischer Ebene verhandelt", sagt Smarzoch. Dean Blunt arbeite hier nämlich mit Sounds, die hauptsächlich als weiß gelesen und vorwiegend von einem weißen Publikum gehört würden - Genres wie Indie Rock, Minimal Music oder Singer Songwriter Pop.

Blunt bleibt ein Mysterium

"Vielleicht löst das dieses schwer zu bestimmende Unbehagen aus", sagt Smarzoch. "Beim Hören seiner Musik wird einem bewusst, wie wenig schwarze Stimmen es im Indie gibt."
Blunt bleibe auch mit dem aktuellen Album ein Mysterium, sagt Smarzoch. "Es ist ein schönes, kurzweiliges Album, aber ein Meilenstein wie Black Metal 1 ist es nicht geworden."
(nis)
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