DDR-Online-Archiv "Open Memory Box"

Wie Amateurfilme zur deutschen Erinnerung beitragen

06:14 Minuten
Ein Mädchen in einem Kleid läuft über eine Wiese, im Hintergrund ist eine Allee zu sehen, typisch körnige DDR-Film_Aufnahme
415 Stunden privater Filmaufnahmen aus der DDR sind im Online-Archiv "Open Memory Box" zu sehen. © open-memory-box
Matthias Dell im Gespräch mit Gabi Wuttke · 23.09.2019
Audio herunterladen
Ob Kindergeburtstag oder 1. Mai-Kundgebung - 2.238 Schmalfilmrollen aus den Jahren 1947 bis 1990 aus der DDR umfasst das Online-Archiv "Open Memory Box". Dabei sollen tradierte Archivansätze hinterfragt werden und Stereotypen aufgebrochen werden.
Der schwedisch-argentinische Filmproduzent Alberto Herskovits und der kanadische Politikwissenschaftler Laurence McFalls haben vor sechs Jahren das Projekt "Open Memory Box" gestartet. 150 Familien haben dafür mehr als 415 Stunden privates Filmmaterial aus den Jahren 1947 bis 1990 zur Verfügung gestellt.
Die Idee war, Stereotypen bei der Bewertung der DDR-Vergangenheit aufzubrechen - sowohl schönfärberische als auch schwarzmalerische: "Wir wollen sehen, wie alte 'home movies' aus der DDR und neue Medienformen deutsch-deutsche Erinnerungsdebatten bereichern können", erklärt McFalls.

Banal und aufregend zugleich

Die Aufnahmen seien banal und aufregend zugleich, erzählt Matthias Dell. Sie zeigen Kindergeburtstage oder Urlaubsreisen, alles ohne Ton auf Schmalspurfilm. Interessanter sei das sogenannte "Anti-Archiv", hier gibt es zusammengeschnittene Zwei-Sekunden-Filme zu einem bestimmten Stichwort, zum Beispiel Trabi.
Mit Hilfe verschiedener Schlagworte könne man sich das Archiv gut erschließen, meint Matthias Dell: "Das ist dann schon interessant, wie diese Schlagworte, davon gibt es 2.700, dieses Material neu arrangieren."

Ungewöhnliche Projektgründer

Warum ausgerechnet ein schwedisch-argentinischer Filmproduzent und ein kanadischer Politikwissenschaftler dieses Projekt ins Leben gerufen haben? "Es hat bestimmt geholfen, dass wir von außen kommen. In der angespannten Lage zwischen Ost und West, die jetzt dreißig Jahre andauert, kann man verstehen, dass Leute, die manchmal fühlen, dass ihre Vergangenheit verachtet wird, nicht grade froh sind, wenn jemand kommt und ihre Sachen nimmt, wenn sie nicht wissen können, dass diese Leute sorgfältig mit dieser Vergangenheit umgehen", erklärt der kanadische Politikwissenschaftler Laurence McFalls.

Mischung aus Distanz und Kennerschaft

Ganz ohne Bezug zum Thema seien beide aber nicht gewesen, sagt Dell: McFalls habe Verwandtschaft in der DDR gehabt und Herskovits habe bereits 1990 in einem Dorf südlich von Leipzig einen Dokumentarfilm über die Wende gedreht. "Diese Mischung aus Distanz und Kennerschaft hat dazu geführt, dass sie unideologischer draufschauen", meint Matthias Dell.
(beb)
Mehr zum Thema