DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz

"Die Verbrechen der Treuhand sind nicht mehr wettzumachen"

Werner Schulz blickt nachdenklich
Werner Schulz hat das Neue Forum in der DDR mitgegründet. Später trat er Bündnis 90 / Die Grünen bei und wurde Bundestagsabgeordneter, bevor er ins Europaparlament wechselte - bis 2014. © imago / Metodi Popow
Werner Schulz im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 26.09.2018
Eine "Versöhnungskommission" soll die Arbeit der Treuhand in der früheren DDR aufarbeiten. Diesen Vorschlag hat Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping unterbreitet. Der frühere DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz ist skeptisch.
Dem Vorschlag der sächsischen Integrationsministerin Petra Köpping (SPD), die Arbeit der Treuhandanstalt durch eine "Wiedergutmachungs-" oder auch "Versöhnungskommission" aufzuarbeiten, kann Werner Schulz nichts abgewinnen: Für den früheren DDR-Bürgerrechtler klingt das nach einem "Beruhigungsmittel für Unzufriedene oder Abfindung für Enttäuschte".
Der langjährige Bundestags- und Europaabgeordnete der Grünen meint: "Es ist eigentlich verschüttete Milch, und die ist in Ost-Deutschland sauer geworden, wie man mitbekommen kann. Ich glaube nicht, dass das noch allzu viel bringt." Es habe bereits einen Treuhandausschuss und einen Untersuchungsausschuss gegeben: "Die Fehler und die Verfehlungen und die Verbrechen der Treuhand, die sind im Grunde genommen heute nicht mehr wettzumachen."

Klagemauer in den Köpfen der Ostdeutschen niederreißen

Stattdessen muss es nach Schulz' Ansicht um etwas anderes gehen: "Es geht eher darum, dass wir diese Klagemauer in den Köpfen der Ostdeutschen niederreißen. Viele Ostdeutsche haben sich ja in dieser selbst zugeschriebenen Rolle als Bürger zweiter Klasse eingerichtet. Sie sind es aber nicht. Sie hätten allen Grund, mit Selbstbewusstsein und Stolz auf das bisher Erreichte zurückzublicken und mit zupackendem Optimismus ihre Zukunft zu gestalten."
Die Linke - Schulz sagt "PDS" - habe für diese Haltung das Klischee geliefert: "Das eigentliche Verbrechen oder Verderbliche dieser Partei liegt nicht in ihren untauglichen Politikansätzen, sondern daran, dass sie diesem negativen Selbstbildnis der Ostdeutschen ständig Ausdruck verleiht und es dadurch verfestigt. Jetzt hat es die AfD übernommen. Das ist dieser allgemeine Unmut."

Weltniveau im Osten

Dabei sei vieles im Osten nach der Wende modernisiert worden, teils treffe man dort auf "Weltniveau", aus den einst grauen Städten seien "architektonische Perlen" geworden, das sei "beispielhaft für Europa".
Schulz dazu: "Ich glaube, man muss das Selbstbewusstsein der Ostdeutschen stärken; es sind die neuen Länder - und das ist ein Ausdruck, der durchaus Sinn macht." (bth)
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