David Zinman beim DSO Berlin

Absurd schwer

Der Dirigent David Zinman
Der Dirigent David Zinman © Priska Ketterer/DSO Berlin
10.04.2018
David Zinman leitet mal wieder das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin. Denkwürdig ist auch das Debüt des Pianisten Misha Dichter in Leonard Bernsteins zweiter Sinfonie. Außerdem gibt es Béla Bartóks komplette Ballettmusik "Der holzgeschnitzte Prinz".
Vor eineinhalb Jahren gelang David Zinman und dem DSO Berlin ein bemerkenswerter Triumph - mit der Erstaufführung von Samuel Barbers Oper "Vanessa" in konzertanter Form in der Berliner Philharmonie zeigte sich einmal mehr, dass eine leidenschaftliche Darbietung einen unterschätzten Klassiker aus dem nicht so renommierten Opernland USA direkt in die Herzen des Publikums pflanzen kann. Nicht weniger groß und anspruchsvoll ist das Programm, das sich David Zinman und das DSO Berlin nun am Wochenende nach Ostern vorgenommen haben: Der zweite Konzertteil bringt die komplette Ballettmusik zum Märchen "Der Holzgeschnitzte Prinz". Das ist ein recht frühes innovatives Stück, mit dem sich Bartók als individueller Geist etabliert hatte. Ausgehend von seinen Feldforschungen zur Volksmusik des Balkans konnte er einen ganz eigenen Weg einschlagen, der zwischen dem Brutismus von Strawinsky und dem schwülstigen Konservatismus von Richard Strauss verlief.
Mit 72 Jahren gibt der New Yorker Pianist Misha Dichter sein Debüt beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin. Und das gleich mit einem Werk, das er selbst als "absurd schwer" bezeichnet, der zweiten Sinfonie für Klavier und Orchester von Leonard Bernstein. Das ist ein prominenter Beitrag des DSO Berlin zum Bernstein-Jubiläumsjahr. Dessen 100. Geburtstag wird ja dieses Jahr begangen.
Misha Dichter hat mit Bernstein zusammengearbeitet, findet es aber schade, zu dessen Lebzeiten nie mit ihm die 2. Sinfonie aufgeführt zu haben. Vor allem weil er ihn direkt als quasi Nachbar in Manhattan hätte fragen können - er wäre gern zu ihm gegangen, hätte an seine Tür geklopft und gesagt: "Hier auf Seite 34 der Partitur, Lenny, hast Du Dir einen Scherz erlaubt." Wenn sich die beiden Musiker trafen, scherzte Bernstein wiederum gern mit Misha Dichters Nachnamen, den er mit Robert Schumanns "Dichterliebe" in Verbindung setzte. The Age of Anxiety - das Zeitalter der Angst, ist ein tiefernstes und komplexes Werk mit zeitlos aktuellem Inhalt - wo liegt der Platz des einzelnen Menschen auf dieser Welt, die in ihrer Unübersichtlichkeit Angst macht?
Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom 7. April 2018
Leonard Bernstein
Sinfonie Nr. 2 "The Age of Anxiety"
Béla Bartók
"Der holzgeschnitzte Prinz" (vollständige Ballettmusik)

Misha Dichter, Klavier
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: David Zinman