David Lynch der Fotografie
Der Begriff "inszenierte Fotografie" trifft auf keinen Gegenwartsfotografen so zu wie auf den Amerikaner Gregory Crewdson. Er setzt jede Menge Technik ein, um zu seinen düsteren Szenen zu gelangen. Seine Fotos, die an Film-Stills von David Lynch erinnern, zeigt der <papaya:link href="http://www.kunstverein-hannover.de/ausstellungen_aktuell.php?language_select=deu" text="Kunstverein Hannover" title="Kunstverein Hannover: Gregory Crewdson" target="_blank" />.
Irgendwo in der Ödnis steht ein verlassenes Haus, das lichterloh brennt. Am Rande der Landschaft führt ein verrotteter Schienenstrang entlang, somnambule Menschen gehen über die Schwellen, nehmen allenfalls Notiz von dem Brand, greifen aber nicht ein, wandern einfach weiter, traumversunken. Was geht hier vor? Gregory Crewdsons spektakulär inszenierte Fototableaus werfen diese Frage immer wieder auf - beantworten sie aber nicht, das Rätsel bleibt bestehen. Diese Bilder beflügeln mit ihrer unheimlichen Stimmung die Fantasie des Betrachters.
Crewdson: " Nein, ich weiß wirklich nicht, was vor dem gezeigten Augenblick passiert ist oder was danach geschieht. Im Film wäre ich ein schlechter Geschichtenerzähler. Obwohl ich mich sehr auf filmische Technik beziehe, handelt es sich doch um Fotografien, die in der Darstellung auf einen einzigen Moment beschränkt sind, und der wird eingefroren und still gestellt. "
<im_23827>"Gregory Crewdson 1985 - 2005" (ACHTUNG NUR IM ZUSAMMENHANG MIT DER AUSSTELLUNG)</im_23827>Es ist oft das ländliche Amerika, über dessen liebliche Landschaften das Unerklärliche hereinbricht: ein liegen gebliebenes Auto in einer unwirklich erscheinenden Siedlung, Polizisten untersuchen den Wagen, leuchten in den Kofferraum, die Motorhaube steht offen. Im Vordergrund hat einer der Uniformierten an einem Bordstein ein Abflussloch entdeckt, aus dem geheimnisvolles Licht dringt. Beunruhigende Fotos - als wären es Film-Stills aus Werken von David Lynch oder von Steven Spielberg oder Szenen aus den Mystery-Serien "Twilight Zone" und "Akte X".
" Das Licht ist das einzig wichtige Mittel. Meine Bilder handeln von Licht - wenn sie meine Arbeiten verfolgen, dann sehen sie, wie hier in jedem Augenblick mit Licht erzählt wird. Licht und Dunkel, davon leben meine Bilder, aus diesem Wechselspiel entsteht die Geschichte. Die Szenerie auf meinen Fotos ist mit den Innenräumen und den Landschaften ganz gewöhnlich, man erkennt sie wieder, es sind vertraute Plätze. Das Geheimnis meiner Bilder entsteht durch die Verwandlung dieser Schauplätze mittels Licht."
Manchmal fällt aus großer Höhe ein Lichtkegel auf die Landschaft. Wie überhaupt einige seiner Fotos das Wunderbare streifen: ein kleines Mädchen zum Beispiel verlässt des Nachts im Pyjama das elterliche Haus, in dem die Familie fernsieht. An der Straße wartet schon ein goldgelber Schulbus, der Fahrer ist ausgestiegen, hält eine Leuchte in der Hand.
Oft sind es auch Interieurs, die für Unruhe sorgen: mitten im Wohnzimmer wuchert ein Garten, oder es breitet sich ein See aus, oder es ist ein Loch in den Boden gerissen. Wenn auf einem Foto ein junger Mann durch dieses Loch in einen Untergrund mit Rohren und Abwasserfluten greift, so verdichtet sich hier Crewdsons Anliegen: der Künstler, dessen Vater Psychoanalytiker war, rührt an tief schlummernde Ängste.
Dabei trifft der Begriff "inszenierte Fotografie" auf keinen Gegenwartsfotografen derart zu: Crewdson lässt Scheinwerferbatterien auffahren, stellt Nebelmaschinen auf, setzt viele Techniker und Darsteller ein, um zu seinen düsteren Szenen zu gelangen. Aus den Fotos ein- und derselben Szene montiert er dann am Computer das perfekte Bild: Jedes Detail ist konturenscharf und voller Licht. Für eine Serie hat er sogar Hollywoodstars wie Julianne Moore, Gwyneth Palthrow und William H. Macy verpflichtet. Ein teures Vergnügen, könnte man meinen.
" Das ist ein Missverständnis. Eine einzige Werkgruppe habe ich mit bekannten Filmschauspielern gestaltet. Ich habe diese Künstler, die ich sehr bewundere, zur Teilnahme eingeladen. Und sie haben alle zugesagt und in ihrer Freizeit ohne Bezahlung mitgewirkt, weil es sie gereizt hat. "
Diese Stars verkörpern hilflose Existenzen, umherirrend oder gefangen in ihren Häusern. So ist der Gang durch diese Schau im hannoverschen Kunstverein zweifellos eine Art Kino, vermittelt durch suggestive Einzelbilder. Das Spektrum des fantastischen Films gehört zu Crewdsons Bildergedächtnis, er beruft sich aber auch auf andere Traditionen.
" Ich bin sehr an der Tradition künstlerischer Fotografie interessiert, wie sie von Walker Evans, William Eggleston und Robert Frank verkörpert wird oder von Cindy Sherman und Diane Arbus. Von all denen unterscheide ich mich in der Methode, wie ich meine Fotos produziere, aber nicht in der grundlegenden Absicht. Auch Walker Evans wollte die amerikanische Landschaft erforschen und zum Gegenstand seiner persönlichen Erfahrung machen. Das wollten auch Lee Freelander und die anderen. Und ich mache etwas Ähnliches."
... aber Crewdson durchmisst das amerikanische Territorium, die Seelenlandschaft, mit den Mitteln der modernen Filmikonographie. In Hannover sind all seine Serien vertreten. Auf frühen Fotos aus den achtziger Jahren deutet sich das Unheimliche bereits an, auf Gesichtern und in Interieurs.
Dann hat es Crewdson mit dokumentarischem Schwarzweiß versucht - und er hat in Farbe wie in einem naturkundlichen Museum die Flora und Fauna inszeniert: mit künstlichen Blumen und ausgestopften Tieren. Aber auch hier tut sich eine gefährliche Welt voller Rätsel auf: Falter erscheinen bedrohlich vor einem Fenster, als wollten sie die Zivilisation angreifen. Von deren Brüchigkeit erzählen die Bilder Crewdsons in dieser opulenten Ausstellung. So aufregend - theatralisch und aufwendig sind seine Fotos, dass sich am Ende eine Frage geradezu aufdrängt: Ob es ihm nicht mal Spaß machen würde, ohne große Vorbereitung zur Kamera zu greifen. Ein Foto einfach im vorüber gehen:
" Tatsächlich! Ich habe mein Baby mit einer einfachen Kamera fotografiert. Und das waren die ersten Schnappschüsse meines Lebens, für mich ein großes Vergnügen."
Service:
Die Ausstellung "Gregory Crewdson. 1985 - 2005" ist im Kunstverein Hannover vom 3. September bis 30. Oktober 2005 zu sehen.
Crewdson: " Nein, ich weiß wirklich nicht, was vor dem gezeigten Augenblick passiert ist oder was danach geschieht. Im Film wäre ich ein schlechter Geschichtenerzähler. Obwohl ich mich sehr auf filmische Technik beziehe, handelt es sich doch um Fotografien, die in der Darstellung auf einen einzigen Moment beschränkt sind, und der wird eingefroren und still gestellt. "
<im_23827>"Gregory Crewdson 1985 - 2005" (ACHTUNG NUR IM ZUSAMMENHANG MIT DER AUSSTELLUNG)</im_23827>Es ist oft das ländliche Amerika, über dessen liebliche Landschaften das Unerklärliche hereinbricht: ein liegen gebliebenes Auto in einer unwirklich erscheinenden Siedlung, Polizisten untersuchen den Wagen, leuchten in den Kofferraum, die Motorhaube steht offen. Im Vordergrund hat einer der Uniformierten an einem Bordstein ein Abflussloch entdeckt, aus dem geheimnisvolles Licht dringt. Beunruhigende Fotos - als wären es Film-Stills aus Werken von David Lynch oder von Steven Spielberg oder Szenen aus den Mystery-Serien "Twilight Zone" und "Akte X".
" Das Licht ist das einzig wichtige Mittel. Meine Bilder handeln von Licht - wenn sie meine Arbeiten verfolgen, dann sehen sie, wie hier in jedem Augenblick mit Licht erzählt wird. Licht und Dunkel, davon leben meine Bilder, aus diesem Wechselspiel entsteht die Geschichte. Die Szenerie auf meinen Fotos ist mit den Innenräumen und den Landschaften ganz gewöhnlich, man erkennt sie wieder, es sind vertraute Plätze. Das Geheimnis meiner Bilder entsteht durch die Verwandlung dieser Schauplätze mittels Licht."
Manchmal fällt aus großer Höhe ein Lichtkegel auf die Landschaft. Wie überhaupt einige seiner Fotos das Wunderbare streifen: ein kleines Mädchen zum Beispiel verlässt des Nachts im Pyjama das elterliche Haus, in dem die Familie fernsieht. An der Straße wartet schon ein goldgelber Schulbus, der Fahrer ist ausgestiegen, hält eine Leuchte in der Hand.
Oft sind es auch Interieurs, die für Unruhe sorgen: mitten im Wohnzimmer wuchert ein Garten, oder es breitet sich ein See aus, oder es ist ein Loch in den Boden gerissen. Wenn auf einem Foto ein junger Mann durch dieses Loch in einen Untergrund mit Rohren und Abwasserfluten greift, so verdichtet sich hier Crewdsons Anliegen: der Künstler, dessen Vater Psychoanalytiker war, rührt an tief schlummernde Ängste.
Dabei trifft der Begriff "inszenierte Fotografie" auf keinen Gegenwartsfotografen derart zu: Crewdson lässt Scheinwerferbatterien auffahren, stellt Nebelmaschinen auf, setzt viele Techniker und Darsteller ein, um zu seinen düsteren Szenen zu gelangen. Aus den Fotos ein- und derselben Szene montiert er dann am Computer das perfekte Bild: Jedes Detail ist konturenscharf und voller Licht. Für eine Serie hat er sogar Hollywoodstars wie Julianne Moore, Gwyneth Palthrow und William H. Macy verpflichtet. Ein teures Vergnügen, könnte man meinen.
" Das ist ein Missverständnis. Eine einzige Werkgruppe habe ich mit bekannten Filmschauspielern gestaltet. Ich habe diese Künstler, die ich sehr bewundere, zur Teilnahme eingeladen. Und sie haben alle zugesagt und in ihrer Freizeit ohne Bezahlung mitgewirkt, weil es sie gereizt hat. "
Diese Stars verkörpern hilflose Existenzen, umherirrend oder gefangen in ihren Häusern. So ist der Gang durch diese Schau im hannoverschen Kunstverein zweifellos eine Art Kino, vermittelt durch suggestive Einzelbilder. Das Spektrum des fantastischen Films gehört zu Crewdsons Bildergedächtnis, er beruft sich aber auch auf andere Traditionen.
" Ich bin sehr an der Tradition künstlerischer Fotografie interessiert, wie sie von Walker Evans, William Eggleston und Robert Frank verkörpert wird oder von Cindy Sherman und Diane Arbus. Von all denen unterscheide ich mich in der Methode, wie ich meine Fotos produziere, aber nicht in der grundlegenden Absicht. Auch Walker Evans wollte die amerikanische Landschaft erforschen und zum Gegenstand seiner persönlichen Erfahrung machen. Das wollten auch Lee Freelander und die anderen. Und ich mache etwas Ähnliches."
... aber Crewdson durchmisst das amerikanische Territorium, die Seelenlandschaft, mit den Mitteln der modernen Filmikonographie. In Hannover sind all seine Serien vertreten. Auf frühen Fotos aus den achtziger Jahren deutet sich das Unheimliche bereits an, auf Gesichtern und in Interieurs.
Dann hat es Crewdson mit dokumentarischem Schwarzweiß versucht - und er hat in Farbe wie in einem naturkundlichen Museum die Flora und Fauna inszeniert: mit künstlichen Blumen und ausgestopften Tieren. Aber auch hier tut sich eine gefährliche Welt voller Rätsel auf: Falter erscheinen bedrohlich vor einem Fenster, als wollten sie die Zivilisation angreifen. Von deren Brüchigkeit erzählen die Bilder Crewdsons in dieser opulenten Ausstellung. So aufregend - theatralisch und aufwendig sind seine Fotos, dass sich am Ende eine Frage geradezu aufdrängt: Ob es ihm nicht mal Spaß machen würde, ohne große Vorbereitung zur Kamera zu greifen. Ein Foto einfach im vorüber gehen:
" Tatsächlich! Ich habe mein Baby mit einer einfachen Kamera fotografiert. Und das waren die ersten Schnappschüsse meines Lebens, für mich ein großes Vergnügen."
Service:
Die Ausstellung "Gregory Crewdson. 1985 - 2005" ist im Kunstverein Hannover vom 3. September bis 30. Oktober 2005 zu sehen.