David-Hockney-Retrospektive in London

Das Beste aus 60 Jahren

Das Bild "Portrait of an Artist / Pool with Two Figures" in der großen David-Hockney-Retrospektive der Tate Britain in London aus Anlass des 80. Geburtstages des Künstlers
Das Bild "Portrait of an Artist / Pool with Two Figures" in der großen David-Hockney-Retrospektive der Tate Britain in London aus Anlass des 80. Geburtstages des Künstlers © imago/ZUMA Press
Von Walther Bonacker · 06.02.2017
In Farben baden können Besucher der bislang umfangreichsten David-Hockney-Schau. Die Londoner Tate Britain feiert den Lieblingskünstler der Briten mit knapp 140 Gemälden, Zeichnungen oder Fotografien. Anlass ist ein runder Geburtstag.
"Schon wieder Hockney!" klagte vor Tagen ein Kolumnist des Independent. "Hatten wir ihn nicht unlängst erst zweimal ganz groß: 2012 in der Royal Academy und letztes Jahr - an gleicher Stelle - 80 Porträts des Meisters? Und jetzt diese Riesen-Retrospektive in der Tate!"
Der Verfasser hatte nichts gegen den Jubilar und Lieblingsmaler der Briten. Nur eines ärgerte ihn: diese - so wörtlich - "unverschämte Hockney-Überdosis".
Jemand wie Tate-Britain-Direktor Alex Farquharson urteilt da natürlich ganz anders. Er sagt: "Je mehr Hockney, desto besser!"
"Unsere letzte große Retrospektive liegt fast 30 Jahre zurück. Insofern kommt diese Schau wohl auch eher zu spät als zu früh. Und einiges von dem, was wir jetzt hier zeigen, bekommt man so tatsächlich auch nur einmal pro Generation zu Gesicht."
"Im Original!" meint Farquharson. Vieles kenne man zwar, aber eben meist nur als Foto.
"Das fantastische Doppelporträt von Christopher Isherwood und Don Bachardy etwa aus dem Jahr 1968, die Leihgabe eines Privatsammlers. Es wird hier erstmals öffentlich gezeigt. Dieses großformatige Gemälde 'in echt' zu sehen, ist schon etwas Besonderes."

Homoerotik und kalifornische Swimming Pools

Insgesamt knapp 140 Arbeiten versammelt diese Lebenswerk-Schau. Sie ist chronologisch sortiert und thematisch gegliedert in 13 Abteilungen mit Titeln wie: "Spiel im Spiel", "Bilder mit Leuten drin", "Nah hinsehen", "Sonnenbadende", "Erfahrung von Raum" und "Yorkshire und Hollywood".
Hockneys nordenglische Heimat und Los Angeles: Zwischen diesen Koordinaten entfalten sich seit einem halben Jahrhundert Verspieltheit, Vielseitigkeit und die - bis heute - unverminderte Experimentier- und Innovationslust des Künstlers. Und so kennt und schätzt man ihn seit den sechziger Jahren: als den Maler der Homoerotik und kalifornischer Swimmingpools in Acryl - Stichwort: "A Bigger Splash". Diese prominenteste Hockney-Ikone von 1967 ist seit 1981 im Besitz der Tate. Und man kennt und schätzt Hockney als den von Farbe, Licht und Perspektive faszinierten, enthusiastischen Erkunder und Neuentdecker der Natur.
Eine Neuentdeckung - findet der Museumschef - könnte auch sie sein: die 2013 entstandene, 25 Einzelbilder umfassende Serie "Arrival of Spring" - "Frühlingserwachen" - mit Kohlezeichnungen nord-englischer Landschaftsmotive. "Allein schon die Feinheit der Linienführung und die Wachheit des Auges: wunderbar!"
Blick in die David-Hockney-Schau der Tate Britain auf die Gemälde "Blossom on the Roman Road" und "Woldgate Woods"
Blick in die David-Hockney-Schau der Tate Britain auf die Gemälde "Blossom on the Roman Road" und "Woldgate Woods"© imago/ZUMA Press

Experimente mit digitalen Medien

"Ich war immer schon besessen vom Sehen", sagt Hockney. "Meine Kritik an vielen von dem, was als Spätmoderne in der Kunst bezeichnet wird, war, dass es nichts mehr mit dem Sehen zu tun hatte." Dass bei Hockney - von Anfang an und bis ins hohe Alter - alles mit dem Sehen zu tun hat: das verdeutlicht diese Schau sehr schön. Sie beginnt und endet mit der Neugier, mit der Hockney alles Visuelle angeht. Und das seit Jahren zunehmend auch unter Einsatz modernster Bildgebungsverfahren.
Im kleinen wie im großen Format experimentiert Hockney immer wieder mit digitalen Medien: mit Polaroid- und Videokamera, mit iPad und iPhone. In den Räumen 11 und 13 laufen Monumental- und Minimalwerke - hier eine aus 36 Einzeleinstellungen komponierte Cinematoscope-Landschaft zu jeweils einer anderen Jahreszeit, dort ein Quartett aus iPad-Animationen.
Was hier inszeniert wird - nicht über-, sondern fein dosiert -, sind unspektakuläre ländliche Idyllen. Allerdings welche mit weitem Horizont: kunsthistorisch, technisch und intellektuell.

David Hockney in der Tate Britain in London: Die Ausstellung ist vom 9. Februar bis 29. Mai 2017 zu sehen.

Mehr zum Thema