Daul: Das deutsch-französische Verhältnis ist gut

Moderation: Hanns Ostermann · 14.09.2007
Trotz des aktuellen Streits um Frankreichs Finanz- und Energiepolitik sieht der Vorsitzende der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Joseph Daul, das deutsch-französische Verhältnis nicht belastet. Er räumte ein, dass Frankreich in den kommenden Jahren die Staatsschulden abbauen müsse. Zugleich warnte Daul vor einem Ausstieg aus der Kernenergie.
Hanns Ostermann: Sicher, charakterlich könnten sie kaum unterschiedlicher sein, die deutsche Kanzlerin und der französische Präsident. Da stoßen zwei Temperamente aufeinander, die wenig gemeinsam zu haben scheinen. In der Ruhe liegt die Kraft, könnte das Motto von Angela Merkel sein, Klotzen und nicht Kleckern das von Nikolas Sarkozy. Bislang kamen beide trotzdem gut miteinander aus. Oder trügt möglicherweise der Schein? Peer Steinbrück hatte die finanzpolitische Agenda Frankreichs kritisiert. Sarkozy beschwerte sich daraufhin bei Merkel, doch die weigerte sich, ihren Finanzminister abzuwatschen. Deutet sich da eine Krise an, oder funktioniert die Achse Paris-Berlin? Ich möchte darüber mit Joseph Daul reden, er ist Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei und Europäischer Demokraten im EU-Parlament. Guten Morgen, Herr Daul.

Joseph Daul: Guten Morgen!

Ostermann: Wie bewerten Sie das derzeitige deutsch-französische Verhältnis?

Daul: Also, ich denke, es geht gut. Ich weiß es nicht, natürlich, ich war nicht dabei, aber was ich so sehe … In der Presse sagt man, es sind viele Probleme, gestern Abend habe ich wieder eine Kommuniqué gesehen, die haben gesagt, nein, es sind keine Probleme, also, was mal sicher ist: Ich glaube, wir sind die neue Generation Politiker noch nicht ganz gewöhnt.

Ostermann: Ja, aber trotzdem ist wohl eindeutig – und dafür gibt es ja auch Augenzeugen –, dass sich Monsieur Sarkozy sehr, sehr darüber aufgeregt hat, dass Peer Steinbrück, der deutsche Finanzminister, die milliardenschweren Steuergeschenke des französischen Präsidenten kritisierte. Wie kritikfähig ist der französische Präsident?

Daul: Wie kritikfähig – ich sage, der französische Präsident, der hat jetzt auch zwei, maximal drei Jahre, wir müssen und sollen Frankreich wieder anders gestalten. Deutschland hat es schon getan und wir brauchen es, und ich glaube, das ist sehr bewusst, und ich hoffe, dass er in den nächsten Jahren Frankreich wieder auf die Gleise stellt.

Ostermann: Das heißt, Sie kritisieren auch die derzeit laxe Haushaltspolitik in Frankreich.

Daul: Ja. Wir müssen den Defizit reduzieren, das geht nicht anders, das ist nicht anders möglich in Europa.

Ostermann: Nicht nur die Finanzen sind derzeit ein Problem – so hat es den Anschein –, auch die Energiepolitik. Wenn Sarkozy feststellt, Atomenergie ist die Energie der Zukunft, muss er dann nicht zwangsläufig mit Widerspruch aus Berlin rechnen?

Daul: Ja, aber ich glaube, die Atomkräfte, die können wir doch nicht weglassen. Das ist gar nicht möglich. Die muss natürlich modernisiert sein, die muss ganz gesichert sein, und das kennen Sie ja, Frankreich macht ja das Atomprogramm weiter, das ist mit den Rechten und mit den Linken abgesprochen, und ich glaube – und das ist das, was wahrscheinlich auch Nicolas Sarkozy sagen will –, Energie ist kein Problem mehr von einem Staat. Das ist ein europäisches Problem jetzt.

Ostermann: Und trotzdem hat man den Eindruck, dass in diesen Fällen, ich habe jetzt zwei Beispiele genannt, durchaus Paris und Berlin eine unterschiedliche Richtung einschlagen. Könnte das nicht doch irgendwann mal zu einer wirklich ernsthaften Krise führen?

Daul: Ja, ich sagte jetzt nicht, eine Krise. Aber ich glaube, was Nicolas Sarkozy, und ich kenne jetzt auch ein bisschen Angela Merkel, das gibt Diskussionen. Und ich bin überzeugt, dass alle zwei am Ende wahrscheinlich eine Lösung finden.

Ostermann: Woran denken Sie da zum Beispiel?

Daul: Ja, im Moment macht ja … Die Investitionen in Frankreich gehen weiter, und wir sind auch bereit, wahrscheinlich … Wenn jetzt zum Beispiel ein neues Atomkraftwerk im Elsass, das ist jetzt noch nicht vorgesehen, aber das kann vorgesehen sein morgen, dann können wir auch Deutschland beliefern.

Ostermann: Ja, wobei sich in Deutschland ja mit der Atomkraft genau das Problem ergibt, dass man diesen Energieträger ablehnt.

Daul: Ja, das weiß ich, aber dann muss man sich auch bewusst sein, vielleicht müssen Sie dann auch noch mehr Energie kaufen von Russland.

Ostermann: Zum Beispiel.

Daul: Zum Beispiel. Nein, ich glaube, die ganze Diskussion, und das ist natürlich eine gute Diskussion … Mir ist ja lieber, unsere hohen Politiker sprechen über diese Sachen, und dass wir so eine gemeinsame politische europäische Politik bekommen auf dieser Basis.

Moderator: Wie wichtig ist die deutsch-französische Achse, auch jetzt gerade, wo es beispielsweise den EU-Vertrag noch nicht gibt, beziehungsweise, wo daran gearbeitet wird?

Daul: Ich glaube, die deutsch-französische Achse für Europa … Natürlich, das sagt Angela Merkel, das sagt Nicolas Sarkozy, nicht nur deutsch-französisch, das ist auch ganz notwendig, dass es nicht so scheint, dass die Deutschen und die Franzosen in den anderen 25 Ländern ihre Politik, wie sagt man, wahr sein wollen oder dass nur die zwei diese Politik machen – nein. Aber wenn die – das hat man gesehen, in der Verfassung – wenn die Deutschen und die Franzosen nicht auf einer Linie sind, geht nichts weiter in Europa.

Ostermann: Fürchten Sie da möglicherweise so ein bisschen das Temperament des französischen Präsidenten?

Daul: Ich habe ja gesagt, das ist eine andere Generation, und er hat Temperament. Das sehen ja alle. Das sehen Sie, das sehe ich.

Ostermann: Darin sehen Sie keine Gefahr?

Daul: Nein. Nein. Ich kenne Nicolas Sarkozy ja sehr gut, werde ihn die nächste Woche wieder treffen für die französische Präsidentschaft, dass wir darüber sprechen. Ich sehe im Moment keine Gefahr. Nicolas Sarkozy ist ein Mann, der geht immer sehr weit, aber hört dann zu, und kann dann wieder ein bisschen zurück, um den guten Mittelpunkt zu finden.

Ostermann: Joseph Daul war das, der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei und Europäischer Demokraten im EU-Parlament. Ich danke Ihnen für das Gespräch im Deutschlandradio Kultur.

Daul: Vielen Dank.