Dating-Portale

Hot or not?

Ein Handy, in dessen Hintergrund sich zwei Menschen eine Rose reichen
Dating-Portale sind für viele eine sinnvolle Möglichkeit, neue Beziehungen zu knüpfen. © picture alliance / dpa
Von Marko Pauli · 07.08.2014
Ein Viertel der in einer Studie befragten jungen Frauen und ein Drittel der Männer haben über das Internet mindestens einmal im Leben einen Sexualpartner kennengelernt. Dating-Apps verändern unser Beziehungsverhalten, unter anderem durch die neuen Möglichkeit, potenzielle Partner zu orten.
Etwa eine Million Nutzer hat die Dating-App Tinder derzeit allein in Deutschland. Dass Tinder mir bisher unbekannt war, hat vielleicht damit zu tun, dass ich kein Single bin, ganz sicher aber damit, dass die an Facebook gekoppelte App überwiegend von Leuten in den 20ern genutzt wird, wovon ich mittlerweile doch ne Ecke entfernt bin. Das typische Studentenalter also. Auf dem Campus der Hamburger Uni versuche ich herauszufinden, ob Tinder tatsächlich so ein Thema ist.
"Ha!, da reden wir gerade drüber. Das Gute daran, es ist extrem einfach und es wird viel benutzt. Man kann den Radius einstellen, bis maximal 50 Kilometer, das Alter kann man einstellen, dann bekommt man Fotos, Vorschläge und kann dann Ja oder Nein sagen. Das Prinzip ist schon genial. Es gibt viele Leute, die sehr viel Reisen, die das benutzen. In Amerika, in England, auch Skandinavierinnen und so weiter."
Ein Faible für Skandinavierinnen
Schätzt dieser Hamburger VWL-Doktorand, der möglicherweise ein Faible für Skandinavierinnen hat. Zu sehen ist jeweils ein reduziertes Facebook-Profil mit einem Foto vom Nutzer. Wischt man das Bild nach rechts oder drückt auf das Herz, gefällt einem was man sieht, nach links oder aufs Kreuz heißt: kein Interesse. Wie man sich entscheidet, erfährt die andere Person nicht, nur wenn zwei potenzielle Partner das Herz wählen, kommt's zum Treffer, zum "Match".
"Wenn da so'n Match ist, chatten, sich treffen. Ich hab da keine negativen Erfahrungen... Ich hab gelesen, dass es für viele so ne App für One Night Stands ist – würdest du sagen, das kommt so hin? Kann ich aus meiner Erfahrung nicht sagen. "
Und was sagen andere? Ganz in der Nähe schließt eine Studentin grad ihr Fahrrad an.
Hab von Frauenfreundeskreisen gehört, dass sie tatsächlich sagen: Nein, das ist nicht nur dafür, man kann da auch jemanden kennenlernen, und ich hatte da auch schon nette Gespräche und irgendwie netten Kontakt; und von Männern hab ich teilweise gehört, ja, ich finde, das ist nur für Sex, drück bei fast jeder, bei 90 Prozent der Frauen "gefällt mir" – und kuck dann erstmal was zurückkommt. Und dann ist da auch schon immer was dabei, wo man sich dann vielleicht zum Sex treffen kann. Sehr unterschiedliche Wahrnehmungen der Geschlechter hab ich da mitgekriegt.
Sieben Prozent der Befragten hatten ein einmaliges Sexdate
Nur ein paar Kilometer vom Uni-Campus entfernt, am UKE, dem Universitätsklinikum Eppendorf, beschäftigt sich Arne Dekker, Juniorprofessor für Sexualwissenschaft und präventive Internetforschung mit Themen wie zum Beispiel der Online-Partnersuche. Gemeinsam mit einer Kollegin leitet er die Studie "Studentische Sexualität im Wandel", die etwa alle 15 Jahre wiederholt wird. Zuletzt 2012 - und da erstmals mit Daten zur Online-Sexualität.
"Ein Viertel der jungen Frauen, ein Drittel der jungen Männer hat über das Internet mindestens einmal im Leben einen Sexualpartner kennengelernt. Das sind nicht Partner für einmaligen Sex, sondern es sind tatsächlich Beziehungspartner. Aber – immerhin sieben Prozent der Befragten haben gesagt, schon einmal mit einem Onlineflirt ein einmaliges Sexdate hinterher gehabt zu haben."
Zwischen der ersten Umfrage zur studentischen Sexualität 1966 und der zweiten 1981 habe es den größten Wandel gegeben. Starre Moralvorstellungen wurden von der Frage abgelöst, was eigentlich die beteiligten Partner selbst wollen. Darum gehe es auch heute noch – und Tinder passe da gut rein.
"Ich denke, dass Tinder ziemlich gut eine Logik abbildet, die sich in vielen dieser Online-Medien zur Partnersuche findet, nämlich ne eigenwillige Gleichzeitigkeit von Intimität, von Nähe, man kommt sofort zur Sache, spricht über intime Wünsche, und ner relativen Risikoarmut auf der anderen Seite. Und ich denke, die Eigenschaft von Tinder, dass nämlich die Kommunikationspartner vom Interesse der beiden Seiten erst erfahren, wenn beide Seiten dieses Interesse tatsächlich geäußert haben, bedeutet natürlich auch, man riskiert gar nichts, man riskiert überhaupt keine Abfuhr."
Heimliche Single-Wunschträume werden erfüllt
Keine Abfuhr – und unverbindlich deutlich werden können: Tinder und Co scheinen heimliche Single-Wunschträume zu erfüllen. Obs immer gut ankommt, steht auf einem anderen Blatt.
"Man lernt schon nette Leute kennen, aber die meisten sind schon auf so schnelle Sachen aus."
Sagt diese Studentin und junge Mutter, die nicht Tinder nutzt, sondern Lovoo, eine ähnliche App – es gibt mittlerweile einige.
"Was schreibt er?"
"Hey, ich bin Tom, ich hoffe es ist okay, dass ich dich einfach anschreibe, find dein Profil sympathisch."
"Wie fandst du das von der Ansprache?"
"Ist schon mal mehr Text als sonst, weil sonst ist es hier einfach so 'Hi', das reizt mich jetzt nicht, da zu antworten."
Ein Treffen war blöd - das Gespräch war langweilig
Die App sei für sie praktisch, sagt die Ethnologiestudentin, da sie wegen ihres Kleinkindes nicht die Chance habe, oft nach draußen zu kommen.
"Und hattest du schon ein blödes Treffen?"
"Ja, aber das lag daran, dass er so gut wie nichts gesagt hat, und in Nachrichten total viel gesagt hat, das war dann halt ein bisschen langweilig."
Und langweilig - das geht heute auf gar keinen Fall mehr. Zwar wird immer noch nach der großen Liebe gesucht und auch Tinder, Lovoo und Co machen nicht aus jedem Single sextolle Egomanen. ABER: Der andere muss schon passen. Allerdings nicht für immer. Denn das noch perfektere Match ist vielleicht nur einen Wisch, ein Herzchen, entfernt.
Ein Ergebnis dieses Wandels ist, schon seit vielen Jahren, eine Durchsetzung einer Beziehungsform, die als serielle Monogamie bezeichnet wird. Das heißt, die Menschen leben in immer neuen, dann aber festen und treuen
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