Datensicherheit

Warum der Einsatz von Bodycams umstritten ist

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Ein uniformierter Polizist trägt bei einem Pressetermin zum Bodycam Einsatz im Kneipenviertel Alt-Sachsenhausen in Frankfurt eine Bodycam auf der Schulter.
Wann die Bodycam eingeschaltet wird, entscheidet der Polizeibeamte, der sie trägt. © imago images / Michael Schick
Von Benjamin Dierks · 29.04.2019
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Streifenbeamte der Bundespolizei nutzen in Konfliktfällen Bodycams, mit denen sie ihr Gegenüber aufzeichnen. Der Einsatz wirft aber einige Fragen auf: Wie steht es um den Datenschutz? Wann wird gefilmt und wer darf die Aufnahmen einsehen?
"Also ich finde es ok, sie schützen sich selber und sehen den Verbrecher."
"Ach, ich finde es gut, denn die haben ja so viel mit denen zu tun, die sich nicht so benehmen, wie sie sollen."
"Ich habe nichts zu verstecken, mich können sie gerne aufnehmen."
Die Reaktion von Reisenden am Berliner Hauptbahnhof auf die Bodycams der Bundespolizei ist durchweg wohlwollend. Vor allem an Verkehrsknotenpunkten wie diesem werden die kleinen Kameras eingesetzt, die die Beamten an der Brust tragen. Wann die Kameras filmen dürfen, regelt das Bundespolizeigesetz.
Sven Hüber, Chef des Hauptpersonalrats der Bundespolizei, hat die Verhandlungen mit dem zuständigen Bundesinnenministerium geleitet:
"In erster Linie sollen sie der Gefahrenabwehr dienen, also auch ein Stück abschreckend wirken, um die leider gestiegene Zahl von Angriffen und Übergriffen auf Polizeibeamte im Dienst weiter runterzufahren."

Das Gegenüber muss informiert werden

Wann die Kamera eingeschaltet wird, entscheidet der Polizeibeamte, der sie trägt. Das soll er etwa tun, wenn er erwartet, dass er beleidigt oder angegriffen wird. Er muss sein Gegenüber darauf hinweisen. Allerdings zeichnet die Kamera in einer Pre-Recording-Funktion zuvor bereits 30 Sekunden auf. Die werden zwar regelmäßig überschrieben, sobald der Beamte die Kamera aber einschaltet, wird auch die halbe Minute davor gespeichert.
Clemens Arzt bildet an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht künftige Polizeibeamte aus. Er findet diese Vorabaufzeichnung problematisch:
"Das ist rechtlich absurd, weil ich kann nicht auf Material in der Vergangenheit, wo noch gar nicht klar war, dass ich die Maßnahme einsetzen darf und ich es dem Bürger mitgeteilt habe, dieses Material kann ich nicht verwenden, es verstößt gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung."
Der Rechtsprofessor hinterfragt auch die zweite Funktion der Kameras: Die Aufnahmen sollen im Fall einer möglichen späteren Strafverfolgung genutzt werden, wenn Polizisten beleidigt oder angegriffen wurden. Arzt befürchtet, dass Polizisten – wie er es ausdrückt – auf Verdacht filmen könnten, um etwaige Rechtsverstöße später zu ahnden:
"Sie tun das, was wir Juristen Verfolgungsvorsorge nennen. Das heißt, eigentlich handeln sie schon repressiv polizeilich. Also vorbeugend, falls der Bürger eine Straftat besteht, habe ich schon die Beweise."

Wer darf die Aufnahmen verwenden?

Neben der Frage, wann und wen die Kamera filmt, ist ein weiterer Streitpunkt, wer auf die Aufnahmen zurückgreifen kann. Darf nur die Polizei sie verwenden, um sich zu schützen und Straftaten aufzuklären oder dürfen auch Bürger, die das Vorgehen der Polizei beanstanden, die Herausgabe der Filme verlangen?
Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz
Die Videos müssten auch für Verfahren gegen Polizisten zugänglich sein, sagt Konstantin von Notz.© imago / Photothek
Für Konstantin von Notz, den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, ist klar, dass die Aufnahmen auch genutzt werden müssen, um die Rechtmäßigkeit eines Polizeieinsatzes zu überprüfen:
"Die Polizei ist erstmal der Staat, der über bestimmte Beweismittel verfügt. Und die müssen selbstverständlich bei entsprechenden Verfahren zugänglich gemacht werden."
Ob das auch geschieht, wurde von Kritikern angezweifelt. Grund dafür ist vor allem eine Dienstvereinbarung, die der Hauptpersonalrat der Bundespolizei mit dem zuständigen Bundesinnenministerium geschlossen hat. Darin steht nämlich, dass die Aufnahmen nicht für – so wörtlich – "verwaltungsinterne Ermittlung" genutzt werden dürften.

Herausgabe bei Rechtsverstößen der Polizei?

Die Befürchtung der Kritiker: Die Polizei wolle die Aufnahmen zwar nutzen, wenn sie selbst zu Schaden komme. Wenn es aber am Verhalten der Polizei Zweifel gebe, zum Beispiel, wenn Menschen von Polizeibeamten rassistisch beleidigt werden, sollten die Aufnahmen unter Verschluss bleiben. Dem widerspricht Polizeivertreter Sven Hüber:
"Wenn eine Beleidigung erfolgte – oder wir wurden auch schon gefragt: Was ist bei rassistischen Sprüchen – auch rassistische Sprüche sind eine Beleidigung, dann liegt ein Straftatbestand vor. Und dann ist auch der Speicherzweck gegeben."
Wenn also ein Rechtsverstoß der Polizei geahndet werde, würden die Videos herausgegeben. Normalerweise sollten die Aufnahmen 30 Tage aufbewahrt werden. Die Frist verlängere sich, wenn das Verhalten der Polizei rechtlich angezweifelt werde. Die Dienstvereinbarung solle Polizeibeamte nur davor schützen, dass die Videos zum Beispiel vom Vorgesetzten genutzt werden, um ihre Leistung zu überprüfen. Außerdem wollten Hüber und seine Kollegen die Identität der Polizisten schützen:
"Diese Filme können oder müssen auch herausgegeben werden, nicht nur zur Überprüfung von polizeilichen Handlungen, es gibt auch andere Grundlagen, Informationsfreiheitsgesetz oder Ähnliches. Und hier wollten wir die Persönlichkeitsrechte der Beamten geschützt wissen."

Videospeicherung auf Servern von Amazon

Deshalb sollen Gesichter verpixelt und Stimmen verfremdet werden, bevor eine Filmdatei herausgegeben wird. Sobald ein Fall aber vor Gericht gehe, werde auch das Originalvideo zur Verfügung gestellt. Gespeichert werden die Videos der Bundespolizei auf Servern von Amazon.
Auch das hat zu heftiger Kritik unter anderem vom Bundesdatenschutzbeauftragten geführt. Es helfe kaum, dass der Konzern die Einhaltung europäischer Datenschutzverordnungen zugesichert habe, sagt Grünen-Politiker Konstantin von Notz:
"Die Frage ist, muss es die Cloud eines US-amerikanischen Konzerns sein? Da haben wir ganz scharfe Bedenken."
Das Verhalten etwa der US-amerikanischen NSA habe gezeigt, dass Geheimdienste sich von Verordnungen kaum davon abhalten ließen, auf Daten zuzugreifen, wenn sie es können. Mit der Speicherung bei Amazon werde das Vertrauen von Bürgern in die Bodycams der Polizei untergraben.
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